Vertragliche Leistungen in der PKV nicht sicher!

Die PKV hört nicht auf, einen angeblichen Nachteil der gesetzlichen Krankenversicherung zu beschwören. Dort nämlich könne der Gesetzgeber jederzeit die Leistungen per Gesetzesbeschluss reduzieren. Davon habe er auch immer wieder Gebrauch gemacht, um einen Anstieg der Beitragssätze in Grenzen zu halten. In der PKV seien dagegen die Leistungen vertraglich zugesichert. Tatsächlich ist die PKV nicht gezwungen, auf angemessene Beiträge zu achten. Wenn die Leistungen steigen, können jederzeit die Beiträge entsprechend erhöht werden. Genau genommen: Sie müssen nach den gesetzlichen Bestimmungen erhöht werden.
Von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit, statt dessen die vertraglichen Leistungen z. B. wegen einer infolge stark gestiegener Kostenbelastung eingetretenen Veränderung der Verhältnisse im Gesundheitswesen gemäß § 203 Abs. 3 VVG zu reduzieren, wird bisher kaum Gebrauch gemacht.
„Ist bei einer Krankenversicherung im Sinn des Absatzes 1 Satz 1 das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens berechtigt, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Tarifbestimmungen den veränderten Verhältnissen anzupassen, wenn die Änderungen zur hinreichenden Wahrung der Belange der Versicherungsnehmer erforderlich erscheinen und ein unabhängiger Treuhänder die Voraussetzungen für die Änderungen überprüft und ihre Angemessenheit bestätigt hat.”
Diese gesetzliche Änderungsmöglichkeit für Versicherungsbedingungen gilt allerdings nur für die in § 203 Abs. 1 VVG angesprochene Krankenversicherung nach Art der Lebensversicherung, wohingegen die Leistungen bei Krankenversicherungen nach Art der Schadenversicherung damit nicht reduziert werden können. Prämiensteigerungen von einem Jahr auf das andere in Höhe von beispielsweise 36 Prozent, oder binnen acht Jahren um mehr als 100 Prozent, sind keine Seltenheit – Grundlage dafür sind dann § 203 VVG, § 8 b MB/KK und § 12 b VAG zusammen mit der Kalkulationsverordnung.
Für den Versicherungsnehmer besteht die Option – sofern vom Versicherer angeboten – nach § 204 VVG in einen Tarif mit gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrechnung der aus dem bisherigen Vertrag erworbenen Altersrückstellungen zu wechseln. Oder etwa nach § 205 VVG zu kündigen, was faktisch oft einen Wechsel in den Basistarif bedeutet.

Gesetzgeber greift in bestehende Verträge ein

Doch auch dem Gesetzgeber selbst steht es frei, das Versicherungsvertragsgesetz zu ändern. So hat er verordnet, dass die Versicherten in der substitutiven Krankenversicherung für die Kranken, Alten und Armen im Basistarif sowie all diejenigen, die ihre Beiträge nicht zahlen können oder auch einfach nicht zahlen wollen, aufkommen müssen, nämlich mit einem Zuschlag zu ihrem Beitrag.
Das Verfassungsgericht begründet die Zulässigkeit solcher gesetzlichen Eingriffe mit der besonderen Schutzbedürftigkeit der Versicherten in der substitutiven Krankenversicherung, weshalb z. B. auch bei Zahlungsverzug nicht mehr gekündigt werden darf. Gleichzeitig hat es dem Gesetzgeber aufgegeben, die PKV weiter zu beobachten und im Falle negativer Entwicklungen einzugreifen – insbesondere, wenn die Beiträge zu stark steigen sollten.
Damit aber ist die Situation im Grundsatz keine andere mehr als für die gesetzliche Krankenversicherung. Beim Basistarif hat der Gesetzgeber für alle Versicherer einheitlich die Leistungen genau entsprechend SGB V festgelegt, sodass gesetzliche Leistungsänderungen für die gesetzliche Krankenversicherung sogar unmittelbar auch im Basistarif wirken. Das freilich kann sogar hier von Vorteil sein, weil z. B. neue lebenserhaltende Hilfsmittel auch wie in der GKV geleistet werden, wohingegen viele Versicherte in normalen Tarifen auf die abschließende Aufzählung in einem Hilfsmittelkatalog eingeschränkt sind. Denn leistungsverbessernde AVB-Änderungen sind im Treuhänderverfahren in der Regel unzulässig, weil sie die Beiträge erhöhen würden.
Der Gesetzgeber erwartet, dass die PKV zunächst einmal ihre Probleme selbst lösen soll. Doch erweist es sich, dass die PKV dazu oft nicht mehr in der Lage ist, auch wenn dies mit an den vom Gesetzgeber vorher verordneten Änderungen liegt. Nicht nur, dass die PKV wegen der Begrenzung der Provisionen und der Verlängerung der Haftungszeiten auf fünf Jahre beim Gesetzgeber erfolgreich vorstellig wurde, sondern z. B. auch wegen der Zahlungsverpflichtungen für teure Ausgründungen von Privatkliniken ist sie hilfesuchend an den Gesetzgeber herangetreten. Letztlich kann dieser sich nicht weigern, eine hilfesuchende PKV zu retten, weil er einer verfassungsgemäßen Pflicht zur Fürsorge für die privat Krankenversicherten nachkommen muss.
Mittel der Wahl zur Stabilisierung der Beiträge in der PKV ist für den Gesetzgeber die Einschränkung der Leistungen. Voraussetzung dafür ist, dass die PKV das Problem der steigenden Beiträge nicht selbst in den Griff bekommt und daher nach dem Gesetzgeber ruft. Dann kann dieser für die PKV genauso Leistungen gesetzlich einschränken, wie er dies für die GKV bereits lange praktiziert. Zwar wäre jeder einzelnen PKV eine Leistungsreduzierung im Treuhänderverfahren möglich, doch wird dies aus Konkurrenzgründen kaum ein einzelner Versicherer wagen.
Eine neue Generation von Versicherungsmanagern und -lobbyisten legt auf Unabhängigkeit von staatlichen Eingriffen keinen großen Wert mehr. Wo sich Banken retten lassen – und damit auch nebenbei die Kapitalanlagen der Versicherer-haben auch Versicherer keine Bedenken mehr vor Hilferufen an den Staat. Und dieser hilft gerne, zumal das Verfassungsgericht ihn für die substitutive PKV dazu verpflichtet hat.
Eben auch, wenn es darum geht, die PKV vor übermäßigen Leistungsansprüchen ihrer Versicherten zu retten, zu denen sie eigentlich vertraglich verpflichtet wäre. Wenn der Staat dann eingreift, zählen die vertraglichen Vereinbarungen nicht mehr. So wie der Staat selbst bestehende vertragliche Vereinbarungen für Provisionssätze über neun Monatsbeiträgen (MB) schlicht gesetzlich ab einem Stichtag für unwirksam erklärt, kann er ebenso vertragliche Leistungsverpflichtungen oberhalb einer gesetzlich neu verordneten Grenze von heute auf morgen für unwirksam erklären, auch für bestehende Verträge.
Vermittler haften, wenn sie ihren Kunden mehr Sicherheit versprechen, als tatsächlich gewährleistet werden kann. Ein Werbeslogan „Vertragliche Vereinbarungen sind sicher” kann keine sachgemäße Vermittlerberatung ersetzen. Einen Vergleich mit der GKV auf solch vermeintliche Unterschiede aufzubauen ist besonders haftungsträchtig.

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

veröffentlicht in Performance, Ausgabe 11.2011

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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