VW-Affäre: Fraglicher Schaden – höchst fraglicher Betrug?

VW ist – hoffentlich – keine Verbrecherorganisation, genauso wenig wie Microsoft, BP, die FIFA oder Wirtschaftsprüfer (WPs) russischer Firmen. Sicherlich hat VW die objektiven Umstände nur rechtlich vor-beugend bzw. etwas zugegeben, von dem man vielleicht bis heute gar nicht genau wusste, ob man es überhaupt getan hat – es aber wohl geglaubt hat. Was aber – natürlich wie die Realität zeigt – nicht vor Klagen vielleicht böswilliger oder geldgieriger Anwälte und deren Mandanten schützt.

Wenn elf Millionen Fahrzeuge zu je nur 20.000 Euro Netto-Verkaufspreis betroffen sind, macht dies 220 Mrd. Euro Einnahmen, die auch mit der Werbung mit der Umweltfreundlichkeit entstanden sind.

Zudem konnte damit eine Markteinführung erreicht werden und ein Händlernetz sowie Produktionskapazität aufgebaut werden, weltweit, das die künftige Situation sichert. Erfahrungsgemäß werden Krisen dieser Art rasch überstanden – dann kommen die in dieser Zeit gewonnenen Vorteile zu Tage.

Rein wirtschaftlich gesehen könnte es also Sinn gemacht haben, diese Risiken sogar bewusst einzugehen, statt mit der Wahrheit zu arbeiten. Rechnete die Geschäftsleitung glaubhaft mit einem sicheren Gewinn, wird man wegen Vorsatzlosigkeit kaum zu einer Verurteilung kommen können.

Ggf. ist also gar kein Schaden entstanden, sondern es überwiegt der Nutzen. Ohne die damaligen Maßnahmen hätte VW vielleicht ein geringeres Vermögen heute und wäre weltweit für die Zukunft schlechter aufgestellt. Mit dann der Frage, wo die Basis sein soll, von jemand Schadenersatz zu verlangen, wenn nun ein vergleichsweise noch günstiger Preis für die erlangten Vorteile gezahlt werden muss. So könnte auch eine D&O argumentieren. Für einen Eventualpreis, den man für erlangte Vorteile bewusst zu zahlen bereit war, aber gerne doch auch noch eingespart hätte, zahlt doch keine Versicherung. Obwohl deren Zahlung natürlich auch Teil des Kalküls sein kann. Ebenso wie mit Winterkorns Gehalt dessen eingegangenes Risiko abgegolten werden konnte.

 

Objektiv keine Betrugsabsicht

Wenig glaubhaft erscheint, dass man von den Ereignissen überrascht wurde. Es ist unwahrscheinlich, dass man betrügen wollte oder dies auch nur in objektivem Sinn getan hat. Dass eine US­Behörde dies anders sehen konnte, lag aber im Bereich des Möglichen, wenn man die gesetzlichen technischen Vorgaben bis an die vermeintlich noch sicheren Grenzen ausgelegt hat. Fraglich ist, ob es irgendwo bei VW ein ausgearbeitetes Szenario für diesen Fall gab, das man heute finden könnte. Die Beseitigung einiger weniger „Schuldiger“ ist jedoch ein effizientes Mittel, auch den Reputationsschaden weiter zu begrenzen. Vorstand und Juristen können wohl jeden Techniker davon überzeugen, eine geeignete Neubewertung seiner vermeintlich erkannten „Rechts“­Risiken vorzunehmen, oder es wird jemand anderes mit der Bewertung beauftragt und der Betreffende erfährt davon nichts. In einem arbeits­teiligen Unternehmen ist dies möglich. Sollte jemand dann doch nicht anderer Meinung sein, gibt es bei vielen Unternehmen Methoden, um zu überzeugen, und sei es nur, damit eingeräumt wird, dass die eigene Meinung evtl. auch falsch sein kann, z. B. weil der Techniker seine eigene eigenwillige Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe unterstellt.

 

Vorsatzlosigkeit trotz Geständnis?

Vorsatz muss bei VW nicht deshalb anzunehmen sein, weil VW einräumt, dass eine „illegale“ Abschaltvorrichtung vorgelegen habe. Denn dies ist eine rechtliche Würdigung, die sich aus den zugrundeliegenden Tatsachen gar nicht unmittelbar ergibt. Dies ist nämlich nicht einfach damit zu begründen, dass die Vorrichtung gelegentlich oder in vielen Situationen abschaltet. Sie muss vielmehr sozusagen im Betrieb fast immer abschalten, ohne dass dies objektiv erforderlich wäre. Es kann aber erforderlich gewesen sein, um die Wartungsintervalle einzuhalten. VW hätte in USA seine Kfz auch mit höheren Grenzwerten zulassen kön­nen, die dann im Normalbetrieb öfters einzuhalten gewesen wären. Es gibt keine derart niedrigen Vorgaben, und auch nicht die Verpflichtung, dass diese im Normalbetrieb im Mittel eingehalten werden. Es geht also darum, dass VW selbst mit den niedrigen Werten operiert und geworben hat. Man könnte argumentieren, dass durch die Schadstoffe Krankheiten und Todesfälle entstanden sind, die bei nicht irreführender Werbung nicht entstanden wären, weil die Produkte von VW nicht verkauft worden wären. Konkret: keine Diesel-, sondern Benzin­Fahrzeuge oder Elektro­Fahrzeuge. Es wurde ja gerade damit geworben – und dies war für den Verkauf von Diesel ausschlaggebend – dass die Fahrzeuge besonders sauber seien.

Ein Kläger müsste nachweisen, dass ein Unternehmen nicht nur in der Vergangenheit groß angelegten Betrug begangen hat, sondern dass die Betrügereien weitergehen und die „Wahrscheinlichkeit der Fortsetzung des kriminellen Verhaltens“ besteht. Das dürfte schwierig sein – da mehr Verantwortliche aus den oberen bis zu mehr als drei Führungsebenen das Unternehmen inzwischen auch zur Schadensbegrenzung verlassen mussten. Verhängnisvoll könnte sich auswirken, dass ein Zulieferer von Software zur Abgasregulierung bereits 2007 vor der illegalen Verwendung gewarnt haben soll („nur zu Testzwecken“) – und die Revision erst dieses Jahr eine seit 2011 bekannte Warnung aus dem eigenen Hause vor „illegalen Praktiken im Zusammenhang mit Abgaswerten“ dem Aufsichtsrat zur Kenntnis gebracht haben sollen. Dies wären Hinweise auf existenzgefährdendes Organisationsverschulden in der Kommunikation.

Es gibt in großen Unternehmen jede Menge an Wichtigtuern und Bedenkenträgern. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich ihrer Sache selbst nicht sicher sind, sie auch nicht weiter verfolgen, und es bei einer einmaligen Meldung belassen. Es ist ein absolut sinnvoller Test, die Ernsthaftigkeit ihrer Bedenken dadurch festzustellen, dass man ihnen zeigt, dass man sie nicht ernst nimmt. Wer ernsthaft bemüht ist, wird sich dadurch nicht abschrecken lassen, und die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Jedenfalls wäre es un­sinnig, jeder solchen Meldung mit Intensität nachzugehen.

 

Marketing statt Rechtsberatung ?

Gewiss ist es vertrauenserweckender für VW, wenn jemand vorsätzlich dafür verantwortlich ist, der nun beseitigt ist, als wenn herauskäme, dass VW überall exportiert, obwohl VW vielleicht nur ahnungslos war, welche rechtlichen Risiken dort damit eingegangen werden. Mancher Konzern musste seinen Mitarbeitern nachträglich ein Reiseverbot auferlegen, weil im Ausland mit Verhaftung oder Auslieferung zu rechnen gewesen wäre.

Soll man den Aktionären sagen, dass man ganz ahnungslos dort hineingeraten ist und dies überall immer wieder passieren kann, auch noch viel schlimmer? Da ist es doch besser, man präsentiert den Schuldigen – lässt ihn zurücktreten, und verfährt mit weiteren „Verantwortlichen“ ebenso – zurück bleibt ein gesäubertes Unternehmen, dem man trauen kann.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

Mit freundlicher Genehmigung von

www.network-Karriere.com (veröffentlicht in Ausgabe 07/2017, Seite 30)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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