– Wann Verkäufer, Vermittler und Berater bei insolventen Kapitalanlagen selbst im Feuer stehen –
Ein bekannter Strukturvertrieb wurde durch Urteil vom 31.07.2014 (LG Frankfurt/Main, Az. 2-32 O 154/13) zum Schadensersatz verurteilt, weil ein Anlageberater unzureichend über Risiken
eines Immobilienfonds aufgeklärt hatte. Strukturvertriebe und Haftungsdächer haben regelmäßig für ihre eingeschalteten Berater und Vermittler, sogenannte Erfüllungsgehilfen, einzustehen,
§ 278 BGB.
Experten und Pseudomakler haften wie echte Versicherungsmakler
Immer wieder stellen Versicherungsnehmer im Schadensfall fest, dass der ihnen vermittelte Versicherungsschutz unpassend oder lückenhaft war, so dass der Makler für die Deckungslücken einzustehen hat (BGH, Urteil vom 26.03.2014, Az. IV ZR 422/12). Nichts anderes gilt, wenn es sich um einen Pseudomakler handelt, also in Wirklichkeit eine Vertriebsanbindung als Agent
bei einem oder ganz wenigen Versicherern vorliegt.
Das Märchen von der Haftungsfreiheit durch Strukturvertrieb und Haftungsdach
Zahlreiche Vertriebsmitarbeiter, beispielsweise insolventer Anbieter von Kapitalanlagen (z.B. Prokon, Infinus, S&K), glauben irrtümlich durch ihre Mitarbeit etwa unter einem
Haftungsdach geschützt zu sein. In der Regel kennen sie nicht mal die Versicherungsbedingungen und Deckungslücken, wenn das Haftungsdach für sie eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen
hat. Wie sollen beispielsweise 2 Mio. € Vermögenschadenhaftpflicht bei bis zu mehr als 630 Mio. € Anlegerschäden ausreichen?
Typische Vorwürfe die zur persönlichen Haftung führen
Alltäglich ist der Fall, dass der Vermittler, Berater oder Verkäufer von Finanzprodukten nicht über Innen- und Außenprovision aufklärt, was den Vorwurf von Betrug oder Untreue nach sich
ziehen kann. Hätte der Finanzdienstleister das Geschäftsmodell der Kapitalanlage als Dubios erkennen können, wird ihm seine Sorglosigkeit als sittenwidrige Schädigung vorgeworfen, § 826 BGB. Auch eine fehlende BaFin-Zulassung des Vertriebs, Haftungsdachs oder des Finanzproduktes kann zur Strafbarkeit führen. Bei sogenannten unerlaubten Handlungen kann sich kein Vermittler oder Berater hinter einer Makler-GmbH oder einer Haftungsdach-AG verstecken. Zudem sind derartige Fälle eines bedingten Vorsatzes oder strafbarer Fahrlässigkeit regelmäßig gar nicht versichert.
Persönliche Haftung trotz Versicherungsschutz über Haftungsdach und Strukturvertrieb
Verkäufer, Vermittler und Berater, fallen aus allen Wolken, wenn sie Post von der Haftpflichtversicherung Ihres Haftungsdaches oder Strukturvertriebs bekommen. Der Versicherer schreibt
dann freundlich, warum nun die Kosten der Regulierung eines Anlegerschadens zu erstatten sind. Diese Bitte, doch den Strukturvertrieb oder das Haftungsdach schadlos zu halten, kann den
Berater oder Vermittler auch bereits treffen, bevor der Kunde seine Klage zu Gericht bringt. In einer eigenen, persönlichen Haftpflichtversicherung sind derartige Fälle vielfach gar
nicht erst versichert.
Tied-Agent
Sogenannte „gebundene Vermittler“ (Tied-Agents) werden gerne als Mitarbeiter beworben mit den Worten: „Als freiem Finanzberater ist Ihnen Ihr eigenständiger Auftritt – auch und gerade gegenüber Ihren Kunden – wichtig“. Bereits dies führt aufs Glatteis, denn durch eine fehlende Unterordnung gegenüber dem Haftungsdach oder Strukturvertrieb, verbunden mit einem allzu „eigenständigen Auftritt“ beispielsweise auf einer Visitenkarte, bekommt der Kapitalanleger oder Versicherungskunde zunächst gar nicht mit, dass der Berater, Verkäufer oder Vermittler
gar nicht eigenständig ist. Dass ein Haftungsdach oder Strukturvertrieb im Spiel ist, erfährt der Kunden vielleicht erst später.
Die Eigenständigkeit der Selbständigkeit kann sich auch aus der Kundenberatung selbst ergeben, wenn beispielsweise im Kundengespräch zu hören war “Dort im Prospekt steht zwar 12 mal etwas
über Totalverlustrisiko, aber das hat formale gesetzliche Gründe, weil der Gesetzgeber nicht möchte, dass sie ein so sicheres und hochrentierliches Investment abschließen – in Wirklichkeit
ist es so sicher wie ein Sparbuch, aber das dürfen Sie nur, wenn Sie an drei Stellen mit Unterschrift bestätigen, dass Ihnen das angebliche Totalverlustrisiko bekannt wäre.“
Fehlende oder lückenhafte Dokumentation erleichtert die Prozessführung
Bis zu mehr als zwei von drei Bankgesprächen und bis zu mehr als 85% der Gespräche mit Versicherungsfachleuten, werden nicht oder unzureichend dokumentiert. Damit kommt es zu Beweiserleichterungen für den Kunden, bis zur Umkehrung der Beweislast für Beratungsfehler. Auf diese Weise liefert der Verkäufer, Vermittler bzw. Berater regelmäßig den besten Beweis
für unterlassene Beratungspflichten.
Schadensersatzklagen von Bank- und Versicherungskunden vor zahlreichen Oberlandesgerichten (z.B. OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 30.01.2014, Az. 12 U 146/12; OLG München, Urteil vom
22.06.2012, Az. 25 U 3343/11) waren wegen lückenhafter oder nachgewiesen unzutreffender Dokumentation erfolgreich. Beispielsweise fehlten konkrete inhaltliche Angaben zum Gesprächsinhalt, über die Kundenmotivation als Anlass der Beratung, sowie über die wesentlichen Gründe für den gegenüber dem Kunden erteilten Rat.
Scheinsicherheit für Berater, Verkäufer, Vermittler durch Haftungsdach oder Strukturvertrieb
Beim Einsatz von Software mit Textbausteinen für ein angebliches Beratungsprotokoll, steht dem ausgedruckten Papier die Fehlerhaftigkeit gleichsam auf die Stirn geschrieben. Denn jeder
Richter erkennt, dass die Beratung so wie nach den Textbausteinen unmöglich erfolgt sein kann, oder diese nur Allgemeinheiten ohne Bezug auf den konkreten Kunden enthalten, z. B. wenn
dort schlicht unkommentiert steht „Wunsch des Kunden“. Eine typische Falle ist die vergessene Übergabe einer Widerspruchs- oder Widerrufsbelehrung, was regelmäßig bei Bank- und Versicherungsprodukten zu einer Rückabwicklungsmöglichkeit führt. Die Vorteile eines Haftungsdachs oder Strukturvertrieb erweisen sich vielfach bei genauerer Prüfung als Scheinsicherheit.
Denn gerät der Strukturvertrieb oder das Haftungsdach in Insolvenz, stellt sich vielfach heraus, dass die Haftpflichtversicherung länger nicht mehr bezahlt wurde, und zudem auch die
„eigenen“ Bestände weg sind, und nun vom Insolvenzverwalter verwertet werden.
Schadenermittlung durch Sachverständigengutachten wird oft vernachlässigt
Bei der Konzentration auf die Frage von Beratungsfehlern und die Verschuldensfrage wird oft völlig vergessen, die Schadenhöhe zu prüfen. In vielen Fällen ist der Vortrag des Kunden oder
seines Anwalts zur Schadenhöhe fachlich – insbesondere bei Kranken- wie Lebensversicherungen versicherungsmathematisch – angreifbar und bei genauem Hinsehen unhaltbar. Versicherungsmathematische Sachverständigengutachten zeigen nicht selten, dass ein Schaden gar nicht entstanden ist oder weit unter den behaupteten Ansätzen liegt. Gelegentlich zeigt sich sogar mit entsprechendem versicherungsmathematischen Hintergrund, dass die konkrete Beratung zwar falsch war, dass aber bei korrekter Beratung genau die gleiche Empfehlung hätte gegeben
werden müssen. Daher sollte stets unabhängig vom Beratungsfehler auch die Schadenhöhe versicherungsmathematisch begutachtet werden. Viele Haftpflichtversicherer übernehmen die Kosten für
ein entsprechendes Gutachten. Ohne Schaden besteht auch kein Feststellungsinteresse mehr – manchem Kläger wurde dann bereits vom Gericht nahegelegt, seine Klage zurückzuziehen, was den Haftungsprozess dann schlagartig beendete.
Man darf nicht damit rechnen, dass das Gericht ein Sachverständigengutachten selbst in Auftrag gibt – viele Gerichte vollziehen nur einfach eine fachlich nicht ausreichend in Frage gestellte Schadenberechnung des Klägers mehr oder weniger laienhaft nach und fällen damit ein Urteil.
von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm
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Über den Autor

PhD, MBA, MM
Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilienwirtschaft, Finanzrecht sowie Steuer- und Versicherungsrecht. Die zahlreichen Stationen seines beruflichen Werdegangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganzheitlich beratend und im Streitfall juristisch tätig zu werden.
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