Weshalb private Basisrenten für Versicherungsnehmer oft zu Verlusten führen

Ein Marketingexperte bemerkte: „Die beste Marketing-Agentur sitzt in Berlin – sprich die Regierung“. Erst kam die zulagen-geförderte Riester-Rente, dann die zunehmend steuerlich absetzbare Basis-Rente – auch Rürup-Rente genannt. Ein Finanzdienstleister meinte: „Die Verlagerung von der staatlichen zur privaten Altersvorsorge ist ein Wachstumsmarkt über Jahrzehnte … Es ist jedoch so, als wenn wir auf einer Ölquelle sitzen. Sie ist angebohrt, sie ist riesig groß und sie wird sprudeln.“

 

Private Basis- und Riester-Renten können nicht rentabel sein?

Die Verwaltungskosten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) liegen bei bis zu etwas mehr als 1% der Beitragseinnahmen – Abschlusskosten gibt es nicht bei dieser ebenso steuerbegünstigten gesetzlichen Basis-Rente. Bei Basis-Renten der Versicherungswirtschaft sind es bei durchschnittlicher Laufzeit, einschließlich Abschlusskosten, bis zu mehr als zehnmal höhere Kosten. Liegt zumindest mittelfristig unser Marktzins der sicheren Staatsanleihen bei rund „null Prozent“ kauft sich der Anleger absehbar nahezu sichere nominelle Verluste ein, also nicht einmal den Inflationsausgleich. Wer dies als Sparer bemerkt, ist indes schlecht beraten, auszusteigen – denn dann stellt sich die unbequeme Frage nach den Alternativen.

 

Schuld am Niedrigzins sind Draghi und die EZB?

Wenn einige Journalisten behaupten, die EZB sei für den Niedrigzins verantwortlich, haben sie keine Ahnung von Volkswirtschaft oder von Geldwirtschaft – oder beidem, erscheinen als die eigentlichen Verschwörungstheoretiker. Der „Null-Zins“ bringt den Frieden, nicht nur weil es dann keine Zinsen in Preisen mehr geben muss, sich also die Waren verbilligen. Geld bleibt Tauschmittel, aber verliert seine Bedeutung zur Wertaufbewahrung und als Kapitalanlage. Seit Ankündigung des Euro, durch Einführung des ECU 1998 – spätestens seit Einführung des Euro 2002 war echten Fachleuten klar, dass der risikolose Null-Zins die Zukunft sein wird. Im Vorgriff waren bereits bis 1999 die Marktzinsen auf etwas die Hälfte gefallen – die Ablaufprognosen der Lebensversicherer fielen zum überwiegenden Teil bereits bis 2003, nachdem auch der Aktienmarkt zusammengebrochen war.

 

Spiegelbildlich bekommen Versicherungsnehmer (VN) bei Lebensversicherungen massenhaft auch nach Steuern und Abgaben weniger heraus, als sie einbezahlt hatten – auch bei der Rürup-Rente. Die Versicherten glauben zu machen, dies werde sich bessern, wenn Draghi als identifizierter Schuldiger weg ist, erscheint als erfolgsversprechende Volksverdummung.

 

Zum Glück gibt es die Marketing-Experten in der Vertragsgestaltung

Es dürfte Gang und Gäbe sein, dass Betriebswirte von einer Fachhochschule mit Studienschwerpunkt im Marketing bei Banken und Versicherungen dort dann die Musterverträge gestalten. Ausgebildete Juristen sehen diese Unterlagen meist erst, wenn ein Kunde nach einem Vertrags-Widerruf auf Rückabwicklung klagt. Keine andere Branche hat es so schwer, qualifiziertes Personal anzusprechen oder muss so viel dafür zahlen – inklusive bereits für Auszubildende. Das Abschreiben von Bedingungen ohne Verständnis für ihren Sinn ist an der Tagesordnung – kürzlich bemerkte ein Vorstand auf einer Brachenveranstaltung, ein „Konkurrent“ habe seine Bedingungen abgeschrieben, und dabei sogar den Unternehmensnamen übernommen.

 

Rückabwicklung durch Widerruf oder als Schadensersatz

Mustergültig als (beinahe vollständige) Bastelanleitung für einen Schadensersatz des sich betrogenen fühlenden Kunden einer Rürup-Rente ist das Urteil des OLG Saarbrücken (vom 04.05.2011, Az. 5 U 502/10 – 76; und ergänzend vom 26.02.2014, Az. 5 U 64/13). Diese stellt zunächst klar, dass bei Beratungsfehler des Agenten oder Versicherungsmaklers, auch der hinter diesem stehende Versicherer (VR) gesamtschuldnerisch mit haftet. Eine gute Aussicht auf Kompensation für VN.

 

Dies ist bemerkenswert, weil ein Makler (falsch) beraten hatte – und dann in der Regel nur der Makler haftet; jedoch gibt es zahlreiche Ausnahmen – beispielsweise wenn der VR die Falschberatung erkennen muss. Im konkreten Fall hatte der Makler die Witwenversorgung seiner nichtehelichen Partnerin zugedacht, was jedoch bei Nichtverheirateten schlicht undenkbar ist.

 

Auch wenn ein Makler vermittelt, bleibt der VR zur Aufklärung weiterhin verpflichtet. Und weil der Makler keine Beratungsdokumentation hatte, drehte sich die Beweislast um. So ergeht es auch Ärzten und Architekten, die ihre Beratungen nicht sorgsam festhalten. Das Verschulden wird vermutet, so dass Makler und Versicherer nahezu sicher verantwortlich sind, daher eben haften.

 

Alleine haftende Makler wurden bereits verurteilt, die Beiträge zurückzuzahlen Zug um Zug gegen Übertragung der Rentenansprüche aus der Rürup-Rente.

 

Massenhaft mögliche Unterlassungssünden führen zur Haftung auf Rückabwicklung

  • Die Rürup-Rente sei stets pfändungsgeschützt und insolvenzfest wurde auch von einem Versicherungsverband behauptet: Wer solche – rechtlich unzutreffend argumentierende – Freunde hat, braucht wahrlich keine Feinde mehr. Auch mancher Anbieter aus der Schweiz und Liechtenstein warb mit „Konkursschutz“, wo es rechtlich leider keinen gab.
  • Der Vertrag über eine Basis-Rente ist nicht beleihbar, nicht vererblich, nicht verkaufbar, nicht abtretbar, nicht verpfändbar, und vertraglich nicht vorzeitig ordentlich kündbar. Eine Kapitalauszahlung und ein Kapitalwahlrecht gibt es ebenfalls nicht. Die fehlende Beratungsdokumentation, aber auch entsprechende Lücken sind später der „beste Beweis“ vor Gericht, das eine Fehlberatung vorgelegen haben muss, und der VN daher vom Gegenteil ausging.Gleichwohl kann man als VN auch selbst fristlos kündigen – wenn es einen ausreichenden Grund dafür gibt. Was auch Gläubiger und Insolvenzverwalter durchaus erfolgreich praktizieren, wenn sie wissen, wie die Pfändung in solchen Fällen funktionieren kann.
  • Steuerverlagerungsmodelle – wie Basis-Rente und Riester-Rente – sind für die Altersversorgung generell ungeeignet(er), denn im Alter wird man angesichts drohender „Altersarmut“ sowieso jedwede Steuerausgaben vermeiden wollen. Über diesen massiven Nachteil später, im Alter, wird kaum aufgeklärt – der „Steuerspareffekt“ wird vielmehr meist allein in den Vordergrund gerückt, ohne nahezu steuerfreie Alternativen aufzuzeigen. Der BGH (Urteil vom 26.08.2018, Az. I ZR 274/16) hält bei Alternativen eine Beratung für pflichtwidrig, wenn keine Vergleichsberechnung hinsichtlich Rentabilität oder Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung von Steuereffekten geboten wird.
  • Lebensversicherungsgesellschaften könnten bis zu rund zwei Dutzend gesetzliche Möglichkeiten nutzen, später ihre Leistungen herab zu setzen. So wie der Gesetzgeber und Finanzgerichte in der Zukunft auch eine noch weitergehende Besteuerung und / oder Verbeitragung in der Sozialversicherung beschließen könn(t)en. Statt darüber aufzuklären, wird nicht selten die Betrachtung auf die Einzahlungsphase fokussiert, also nur deren Steuervorteile und phantastische, bisweilen wissentlich unrealistische Gewinnaussichten. Dass Rentner zunehmend Steuern zahlen, haben viele Verbraucher noch nicht realisiert.

 

Keine Schadensberechnung ohne Sachverständigen?

Wenn der VN seine Versicherung widerruft und rückabwickelt, erhält er die Beiträge zuzüglich der Nutzungen zurück, die er gemäß BGH-Vorgabe selbst darlegen muss, was ihm ohne Sachverständigen kaum gelingen wird.

 

Hat er hingegen Anspruch auf Schadenersatz, muss er ggf. mit sachverständiger Hilfe darlegen, weshalb ein bestimmter Teilschaden bereits sicher eingetreten ist, sonst kann keine schlüssige Zahlungsklage erhoben werden. Für eine Feststellungsklage reichen greifbare konkrete Anhaltspunkte für einen wahrscheinlichen Schaden aus, wie beispielsweise bei einer Rürup-Rente die Personengebundenheit der Versicherungsleistung, welche kaum vererbbar ist – oder beispielsweise der Hinweis auf diverse Abgabennachteile bei Auszahlung im Alter. Dazu muss ein Vermögensvergleich mit der bei korrekter Beratung alternativ wohl getätigten fiktiven Anlage erfolgen. Entscheidend ist dazu die Darlegung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für derartige künftige Schäden, woran viele Kläger bereits scheitern, zumal wenn der Beklagte selbst versicherungsmathematisch-sachverständig beraten ist.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

 

www.experten.de (veröffentlicht im ExpertenReport 05/2019, Seite 62-63)

Link: https://kiosk.experten.de/de/profiles/e3596a099c43-experten-report/editions/experten-report-05-19/pages/page/33

und

www.experten.de (veröffentlicht am 29.05.2019)

Link: https://www.experten.de/2019/05/29/weshalb-private-basisrenten-fuer-versicherungsnehmer-oft-zu-verlusten-fuehren/?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=20190529+experten+Report

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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