Fachleute schätzen: über 1,5 Millionen Angehörige im Betrieb falsch versichert

Ehefrau arbeitet im Betrieb mit – Im Ernstfall kein Arbeitslosengeld und keine Rente
Das Rechtssystem wird von Jahr zu Jahr komplizierter, auch in der Sozialversicherung. Der Bereich von Lohnsteuer und Sozialversicherung dürfte heute etwa so komplex sein, wie die Besteuerung der GmbH. Fachleute fragen sich, ob die Komplexität das Rechtssystem bereits bis zur Grenze der Verfassungswidrigkeit geführt hat. Wer Sozialversicherungsbeiträge bezahlt, ist weder sicher vor den Risiken geschützt, für die Beiträge bezahlt werden, noch ist gewiss, dass im Notfall auch Leistungen bezahlt werden. Aus der Sicht des Bürgers handelt es sich oft um die Pflicht, Beiträge zu bezahlen – aber der Staat schützt den Bürger nicht vor Irrtümern und Enttäuschungen. Fachleute schätzen die „nicht anspruchberechtigten“ Beitragszahler auf 1,5 bis 1,8 Millionen Arbeitnehmer. Beispiel: Die gelernte Steuerfachangestellte S. arbeitet in der GmbH ihres Ehemannes mit. Als sie arbeitslos wird, verweigert ihr die Arbeitsagentur die Leistungen. Sie steht ohne Versorgung für den Notfall einer Arbeitslosigkeit da. Erstaunlich findet sie, dass jahrelang die Beiträge kassiert wurden und auch bei Betriebsprüfungen alles in Ordnung war.
Soziale Rechtsprechung?
Das Bundessozialgericht hat durch Entscheidung vom 28.04.1987 (Az. 12 RK 47/85) die Leitlinie vorgegeben, die der Arbeitnehmer als wenig fürsorglich empfindet. • Die Sozialversicherung bildet sich in der Praxis dann eine Meinung, ob der Arbeitnehmer „richtig“ versichert war, sobald der Notfall eingetreten ist – dann kann die Leistung verweigert werden. • Allein die Zahlung von Beiträgen und die erst später erkannte „Unrichtigkeit“ einer Anmeldung des Mitarbeiters beim Sozialversicherungssystem begründet keinen Anspruch auf Leistungen der Sozialversicherung. • Der Mitarbeiter hat dann (oft erst auf weiteren Antrag) allenfalls einen Anspruch auf Beitragserstattung – jedoch nur für nicht bereits verjährte Ansprüche. • Auch an die Ergebnisse der üblicherweise alle vier Jahre im Unternehmen stattfindenden Betriebsprüfungen ist die Sozialversicherung nicht gebunden. Es gibt also keinen Vertrauensschutz und keine faktische Härteklausel. Der Arbeitnehmer gerät im Leistungsfall auch leicht zwischen die Fronten. So ist es denkbar, dass die gesetzliche Krankenkasse eine andere Einschätzung als Rechtsmeinung vertritt als die Deutsche Rentenversicherung Bund. Das kann nicht nur generell der Fall sein, sondern auch hinsichtlich der Frage, seit wann ein Mitarbeiter sozialversicherungspflichtig oder eben nicht ist bzw. war. Damit nicht genug: Wenn etwa durch einen Wechsel der Krankenversicherung unterschiedliche Zeitabschnitte zu beurteilen sind, können verschiedene Krankenkassen ebenso verschiedene Entscheidungen zur Beitragspflicht oder hinsichtlich eines Antrags auf Erstattung von Beiträgen mitteilen. In Erstattungsfällen können durchaus 100.000 bis 300.000 Euro bereits von Arbeitgeber und Mitarbeiter gemeinsam bezahlte Beiträge auf dem Spiel stehen. Die Praktiker beklagen, dass die Verfahren zum Teil „ewig“ dauern. Dabei gibt es zahlreiche Fallen für die Berater, denn die Verhältnisse können sich unter dem Jahr ändern – dann kann auch für den einmal befreiten Mitarbeiter wieder Sozialversicherungspflicht eintreten. Das hat Konsequenzen für die private Altersversorgung, denn eine wirkliche Planungssicherheit für längerfristigen privaten Kapitalaufbau scheint nicht zu bestehen. Die Fälle in der Praxis werfen die Frage auf, nach welcher Gerechtigkeitsformel der Gesetzgeber sich das gedacht hat? Im Zivilrecht würde der Bürger sein Geld zurück verlangen, wenn er keine Leistung bekommt – die teilweise kurze Verjährung von vier Jahren beschneidet diese Möglichkeiten in der Sozialversicherung und bringt den Steuerberater in eine Haftung, obgleich auch er sich schwer tut, eine Rechtssicherheit zu garantieren. Für den Mitarbeiter, wenn er zu den betroffenen 1,5 bis 1,8 Millionen gehört, stellt sich das System der Feststellung seiner Sozialversicherungspflicht ähnlich dar, wie ein Lotto-System.
RA Johannes Fiala
(Der-Bau-Unternehmer Dez 2006)
Mit freundlicher Genehmigung vonhttp://www.der-bau-unternehmer.de/>www.der-bau-unternehmer.de.

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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