Rürup-Kapital als Vorsorgefaktor – neue Sicht „Nur das Sozialhilfe-Niveau ist vor Gläubigern geschützt“

Durch ein neues Schreiben des Bundesfinanzministers wird klargestellt, dass angespartes Rürup-Kapital nicht dem Zugriff von Gläubigern entzogen werden kann. Damit ergibt sich eine grundlegend neue Gesprächssituation mit den Versicherungsanbietern. (Red.)

Dass nicht nur angespartes Vermögen in einer Rürup-Rente pfändbar ist, sondern auch der nicht staatlich geförderte Teil des Riester-Guthabens, hatte bereits ein Urteil vom 3. November 2006 des Landesarbeitsgerichts Mainz (Az.: 3 Sa 414/06) für den Fall einer zertifizierten Riester-Minirente in der Ansparphase entschieden.

Die staatliche Förderung bezieht sich regelmäßig auf nur vier Prozent des Bruttoeinkommens, was real etwa einer Rente in Höhe von rund sechs Prozent des Bruttoeinkommens entsprechen dürfte – zu wenig also zum Leben und zu viel zum Sterben. Keine Unpfändbarkeit Die Rürup-Rente beziehungsweise die sogenannte pfändungsgeschützte Altersvorsorge für Selbstständige setzt ein vertragliches Abtretungs- und übertragungsverbot voraus. Versicherer und Vertriebe wurden nicht müde, aus diesem Verbot die Unpfändbarkeit abzuleiten. Doch nun stellt das BMF klar:

„Der Pfändung des … Altersvorsorgevermögens steht ein vertragliches Abtretungs- und übertragungsverbot nicht entgegen.“

Entsprechend hatte bereits der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Beschluss vom 25. August 2004 (Az.: IX a ZB 271/03), dass selbst eine Regelung in der Satzung eines Altersversorgungswerkes über die Nichtübertragbarkeit der Pfändbarkeit nicht entgegen steht.

 

Pfändbarkeit des privaten Altersvorsorgevermögens

Der Schutz des Eigentumsrechts von Gläubigern, die ein privat angespartes Altersvorsorgevermögen pfänden möchten, darf verfassungsrechtlich nur dort eine Grenze finden, wo das Sozialstaatsprinzip berührt ist. Die Forderung eines Gläubigers genießt als Eigentum den Schutz des Grundgesetzes – es darf ihm nicht so einfach durch vertragliche übertragungsverbote entzogen werden, wie sich dies die Versicherer gerne vorgestellt hätten.

Die „Rürup-Lüge“ der Versicherer wurde damit begründet, dass vertraglich ein Verwertungsausschluss vereinbart wäre, und die übertragbarkeit ausgeschlossen sei. Aber solche vertraglichen Ausschlüsse retten nicht vor der Pfändung, weil „ verfassungsrechtlicher Gläubigerschutz (der Staat darf verfassungskonform nur das soziale Minimum vor dem Gläubiger schützen) vorrangig ist“, wie der BMF nun nochmals hervorgehoben hat.

 

Sparen für den Staat und die Gläubiger

Auch das Finanzamt schaut wohl ungern dabei zu, wie der Selbstständige (Freiberufler und Gewerbetreibende) sich eine großzügige Altersversorgung beiseiteschafft, und etwa seine Steuern schuldig bleibt.

Das heißt: Auch der Rürup-Sparer spart für den Staat (wegen der Einsparung späterer Unterstützung) und im übrigen für seine Gläubiger (gegebenenfalls auch das Finanzamt). Gerichte werden nach der Zivilprozessordnung (ZPO) nur das Existenzminimum, zur Entlastung des Sozialamtes, pfändungsfrei belassen, denn der Schuldner soll sich nicht auf Kosten der Allgemeinheit entschulden können.

 

Versicherer ignorieren klare gesetzliche Lage

Die pfändungsfreien Grenzen in der Ansparphase – und später nach Rentenbeginn – sind in entsprechend geringerer Höhe im Gesetz über die pfändungsfreie Altersvorsorge Selbstständiger festgelegt. Diese reichen längst nicht an die Höchstgrenzen heran, bis zu denen Rürup-Beiträge anteilig als Sonderausgaben berücksichtigt werden können (20 000 bis 40 000 Euro jährlich), sodass ein großer Teil des angesparten Rürup-Vermögens pfändbar bleibt.

Da der Gesetzgeber (ausdrücklich per Gesetz) die Pfändung des angesparten Kapitals oberhalb der Freigrenzen vorsieht, muss man den Mut von Versicherern und Vertrieben bewundern, die sich für schlauer als der Gesetzgeber halten, und diese Möglichkeit einfach leugnen. Dabei haben sie bis heute kein einziges Urteil vorzuweisen, welches ihr Märchen vom pfändungsfreien Rürup-Vertrag bestätigt.

 

Frage des Rückkaufswertes

Der klaren Gesetzeslage steht auch nicht entgegen, dass dem Rürup-Sparer bei ordentlicher Kündigung keine Auszahlung eines Rückkaufswertes zusteht. Denn schon einfach unmittelbar aus dem Gesetz zur pfändungsgeschützten Altersvorsorge Selbstständiger (§ 851c ZPO) ergibt sich, dass das angesparte Rürup-Kapital vor Rentenbeginn oberhalb der sozialhilfekonformen Grenzen gepfändet werden kann. Insolvenzverwalter, Finanzamt und andere Gläubiger werden diese ihnen vom Gesetz eindeutig belassenen Ansprüche auch gegen die Versicherer durchzusetzen wissen – dem Rürup-Sparer bleibt nur eine Rente auf Sozialhilfe-Niveau,

 

Ist konstellationsbezogen zu prüfen

Es trifft also auch nicht zu, was die Versicherer hilfsweise behaupten, dass es bei der Rürup-Rente gar keinen Rückkaufswert gäbe. Vielmehr ermittelt sich dieser stets aus dem angesammelten Deckungskapital. Er ist lediglich bei einer ordentlichen Kündigung nicht auszuzahlen, weil zum Zeitpunkt einer Kündigung keine Todesfallleistung vereinbart ist.

Nichtsdestoweniger ist er jedoch in der Ansparzeit vorhanden, weil aus ihm ja die beitragsfreie Rente als „prämienfreie Versicherung“ ermittelt wird. Tatsächlich auszuzahlen ist der Rückkaufswert dann aber schon bei Rücktritt oder Anfechtung, ebenso bei außerordentlicher Kündigung gemäß § 314 BGB (zum Beispiel, weil die Arbeitsagentur wegen der Anrechnung des angesparten Vermögens keine Leistungen nach ALG II oder Harz IV erbringt) und eben auch – gemäß § 851c ZPO – bei Pfändung. Andere Möglichkeiten im Ausland? Für ein in beliebiger Höhe pfändungsgeschütztes Vermögen zur Altersversorgung gibt es allerdings im Ausland entsprechende Regelungen, etwa in Liechtenstein und der Schweiz.

Dies machen sich entsprechende Versicherer in der Werbung zunutze, indem sie mit „Versicherungsgeheimnis und Konkursschutz“ in Deutschland Kunden werben. Auch dies stellt sich bei näherer Prüfung in 99,9 Prozent der Fälle als Vertriebs-Lüge heraus, denn nach dem internationalen Privatrecht und staatlichen internationalen Verträgen, kann dieser als „fürstliches Privileg“ beworbene angebliche Konkursschutz gar nicht eingreifen.

Praxisansatz: Professionelle Asset-Protection Es bestehen darüber hinaus Möglichkeiten – ganz ohne Steuerbetrug – das eigene Vermögen zum Beispiel über Stiftungen zu schützen. Allerdings sind dies keine Produkte von der Stange, wie sie manche Schweizer Bank ihren Kunden zum Zwecke einer Beihilfe zur Geldwäsche angeboten hat.

(Hinweis der Redaktion: Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Darstellung in der V&S-Ausgabe 06/2010 zu Stiftungen in Deutschland, der Schweiz und Österreich).

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl-Math. Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.kreditwesen.de (veröffentlicht in Vermögen & Steuern, Augabe 08/2010, Seiten 36-37).

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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