Steuerhinterziehung inklusive?

Lebensversicherungs-Mäntel aus Liechtenstein: Ein Vertriebsmodell mit dicken Fragezeichen

 

Um Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge zu umgehen, im Endergebnis zur Minderung der Steuern und zur steuerfreien Thesaurierung der Erträge, bieten Lebensversicherungsunternehmen aus Liechtenstein so genannte Versicherungsmäntel an. Außen steht “Lebensversicherung” drauf – innen befinden sich ein Depot mit Wertpapieren und ein Cash-Verrechnungskonto. Oftmals faktisch doch nur Steuerhinterziehung? Es können bei einem solchen Modell bis zu vier Institutionen Gebühren verdienen – Versicherung, Depotbank, Vermögensverwalter und Fondsgesellschaft. Kaum ein Kunde hinterfragt, ob sich diese Kostenvervielfachung nach Steuern effektiv rechnet. Dabei wissen die meisten Kunden nicht einmal, wie viel die Depotbank bzw. der Vermögensverwalter zusätzlich über Kick-Back-Provisionen verdient. Das Kostenbündel kann die Rendite dermaßen drücken, dass ein normales Festgeld am Ende besser gewesen wäre. Der Vermittler kann bisweilen seine Provision selbst festlegen – so kann nach einem Jahr bereits 10 Prozent des Vermögens für den Anleger verloren sein. Bei den vier beteiligten Institutionen stellt sich die Frage der Bonität, denn bei jedem Beteiligten kann kriminelle Energie die Ursache dafür sein, dass der Kunde sein komplettes Vermögen verliert. Die angebotenen “Muster-Verträge” bedürfen in der Regel einer Nachverhandlung, damit sie wasserdicht werden – das “Produkt von der Stange” ist einfach zu vermitteln, kann aber faktisch mit höchsten Risiken verbunden sein.

 

Steuerpflichtige Investments?

Die Steuerfahndung hat es eigentlich ganz leicht: Eine Privatbank-Durchsuchung, und schon findet der Fahndungsprüfer viele nachzuversteuernde Millionen – bequemer kann es ein Finanzbeamter nicht haben. Die Durchsuchung sämtlicher registrierter Vermittler ist ebenso möglich – auch für diese Daten muss die Finanzbehörde kein Geld bezahlen. Dafür haften Vermittler und Banken für die Nachversteuerung. Der Kunde kann diese wegen Falschberatung in Regress nehmen. Denn die legale Steuervermeidung wäre stets möglich gewesen. Man muss keine Bank “knacken”, um das “Vertriebsmodell-Liechtenstein” zur Legalität zu zwingen. Eine Lebensversicherung ist ein steuerpflichtiges Investment, wenn der Kunde die Anlageentscheidungen mit dem Vermögensverwalter bzw. seiner Bank abstimmt – dies dürfte in der Praxis die Regel sein: Nötigenfalls sitzt der “geländegängige” Verwalter in der Schweiz, der Vermittler in Deutschland kann dann seelenruhig gemeinsam mit dem Kunden die Vermögenswerte per Internet umschichten. Wenn der Kunde die Verfügung über seine Vermögenswerte faktisch niemals aus der Hand gegeben hat, fehlt es bereits an einer Einlage beim Versicherer, die als “Prämienzahlung” angesehen werden könnte.

In zahlreichen Mantel-Versicherungsverträgen fehlt die Übernahme eines Todesfall-Risikos oder anderer wesentlicher biometrischer Risiken durch den Versicherer. Damit handelt es sich dann um ein normales Kapitalanlageinvestment, nicht aber um eine steuerlich begünstigte Lebensversicherung. Problematisch: Auch Fachleute können nicht sagen, ab wann ein wesentliches biometrisches Risiko vorhanden ist und bis wann man statt von Lebensversicherung von normaler Kapitalanlage ausgehen muss. Schließlich bekommt der Kunde seine Informationen über die Vermögensentwicklung durch den Vermögensverwalter oder sein Bank. Der Mantel-Versicherer trägt weder die faktische Verantwortung, noch führt er eine zeitnahe Schattenbuchhaltung. Faktisch kontrolliert der Kunde “seine Verwalter” zeitnah, aber weniger der Versicherer. Wenn der Versicherer nicht einmal die Anlageentscheidungen umsetzt, sondern erst im Nachhinein über die Zusammensetzung des Kapitals aufgrund der Dispositionen des Kunden informiert wird, liegt der Verdacht nahe, dass es sich eben nicht um das Vermögen des Versicherers, sondern das des Kunden handelt.

 

Fragliche Rolle der Finanzaufsicht

Auch in Liechtenstein gibt es eine Aufsichtsbehörde: Sie hat bereits vor Jahren die dortigen Versicherer ermahnt, nicht mit dem “Konkursprivileg” im Ausland zu werben – denn die Einschaltung einer deutschen oder österreichischen Mittelsperson ist dafür schädlich. Es wäre wohl brisant, zu hinterfragen, welche Maßnahmen bisher effektiv ergriffen wurden, um die Schädigung deutscher Anleger durch (zumeist unbewusste) Steuerhinterziehung zu vermeiden. Die gelebte Praxis einer Vermögensverwaltung durch “Ummantelung des Kundendepots” erscheint daher bisweilen als direkte Anstiftung zur Steuerhinterziehung. Finanzberatung erfordert die Prüfung der Plausibilität von Vertriebsmodellen. Die aktuelle Rechtsprechung zeigt, dass Vertriebsleiter und Versicherer wegen “vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung” haften können.

 

Zunächst ist es Pflicht jedes Ehrenberuflers, im Zweifel eine verbindliche Auskunft der Finanzverwaltung einzuholen. Dieser Rat steht auch jedem Banker bzw. Vermittler offen – so etwas kostet Geld und Zeit, wird daher als Vertriebsbremse gesehen. Mithin kann nur die Staatsanwaltschaft den Betroffenen “Risiken und Nebenwirkungen” praktisch aufzeigen. Betroffene Anleger können den Weg einer Selbstanzeige beschreiten: Nach Offenbarung der Verhältnisse kann in unklaren Konstellationen der Weg durch die Instanzen beschritten werden. Manchmal wird der Anleger sich die entgangenen Steuervorteile von seiner Bank oder seinem Vermittler wieder holen können – anders, wenn gar kein Schaden entstanden ist, sondern nur die erwünschten positiven Erwartungen sich nicht erfüllten. Doch auch betroffene Vermittler und Berater könnten den Weg der Selbstanzeige beschreiten, um Straffreiheit zu erlangen – und dafür als Voraussetzung, ohne den Kunden zu frage, die Steuern aus seinem Depot nachzahlen.

Dann ist es für den Anleger zu spät, der nicht schnell genug war – er hat dann zwar ein um Steuern vermindertes Depot, doch die Staatsanwaltschaft steht trotzdem vor der Tür. Dem Kunden wird es dann schwerfallen, den Vermittler oder Berater für eine missglückte Steuerhinterziehung haftbar zu machen.

 

von Dr. Johannes Fiala

 

veröffentlich in Versicherungsvertrieb 02/2008, Seite 8

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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