UNISEX – Auswirkungen auf PKV-Verträge

Neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) verpflichtet Versicherer, ab 21. Dezember 2012 nur noch sogenannte „Unisex-Tarife“ zu verwenden, etwa in PKV-Vollversicherungen, Krankentagegeld, Pflegetagegeld und anderen Zusatzversicherungen, aber auch den sogenannten Beitragssicherungsplänen. Bisher zahlen Männer im gleichen Tarif meist einen geringeren Beitrag als Frauen, denn Männer besitzen eine kürzere Lebenserwartung und weisen bis ins höhere Alter meist geringere Krankheitskosten auf, als Frauen.

Ende für geschlechtsabhängige Prämien in der PKV

Das Urteil des EuGH vom 01.03.2011 (Az. C-236/09) verpflichtet Versicherer ab 21.12.2012 zur Verwendung von Unisex-Tarifen in der privaten Krankenversicherung. Seit dem 18.08.2006 gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das AGG basiert auf mehreren Richtlinien der Europäischen Union. Der EuGH erklärte nun eine Option, bei statistisch nachgewiesenen Unterschieden zwischen Männern und Frauen keine Unisex-Tarife zu verwenden, in Art. 5 Abs.2 der Richtlinie 2004/113/EG, für ungültig – allerdings mit einer Übergangsfrist bis zum 21.12.2012.

 

Bestehende Verträge

Der Gesetzgeber kann die Umsetzung der Unisex-Tarife so regeln, dass auch bereits in früher abgeschlossenen Verträgen die Beiträge für Männer heraufgesetzt werden, um im Gegenzug eine Herabsetzung für Frauen zu finanzieren, so dass beide anschließend auf dem gleichen Niveau liegen. Durch ein gesetzlich einmalig eingeführtes Anpassungsrecht wird dann bereits zum 01.01.2013 eine zusätzliche Beitragserhöhung bei Männern erfolgen.

 

Renten für Altbestände

Nach der Einführung der Unisex-Tarife würden viele Frauen ihre bisherigen Versicherungen in die für sie günstigeren neuen Unisextarife umstellen – ohne eine vom Gesetzgeber nicht gewünschte Einschränkung des Tarifwechselrechts nach § 204 VVG können sie daran nicht gehindert werden. Dann kommen dort neu versicherte Männer mit den neu versicherten Frauen zusammen, die diese auch schon häufiger als bisher nachfragen werden. Aber es kommt auch noch sofort eine Masse Frauen hinzu, die ihre bisherigen Versicherungen auf die neuen günstigen Konditionen umstellen. Folge ist, dass einer sehr hohen Zahl Frauen erst einmal nur wenige neu versicherte Männer gegenüberstehen. Die neuen Tarife müssen dann fast auf dem Niveau der bisherigen Frauentarife kalkuliert werden, und werden damit für Männer noch unattraktiver. Das Problem könnte der Gesetzgeber lösen, indem er die Umstellung auf gleiche Unisex- Tarife für alle Versicherten verordnet, gleichgültig wann der Vertrag einmal geschlossen worden war.

 

Hilfe beim Gesetzgeber

Das Problem der privaten Krankenversicherung ist also: Frauen könnten sofort in die für sie günstigeren Unisex-Tarife wechseln und sich dort gegenüber den Männern gleich so anreichern, dass die Beiträge für Neuzugänge sofort noch höher bis fast auf das Frauen-Niveau kalkuliert werden müssten. Um das zu vermeiden, haben sich die PKV-Lobbyisten an den Staat gewendet, damit dieser die Unisex-Tarife gleich auch für alle schon versicherten Kunden gesetzlich verordnen möge. Der EuGH verlangt eine so weitgehende Angleichung gar nicht, denn er würde die Ende 2012 schon bestehenden Verträge unberührt lassen.

 

Problemlösung auf Kosten der Versicherten

Der deutsche Gesetzgeber aber kann die Unisex-Gleichschaltung auch für alle Bestandskunden national über die EuGH-Anforderungen hinaus verordnen, um der Branche aus der signalisierten Notlage zu helfen. Die Aufsichtsbehörde hat dazu bereits grünes Licht gegeben, auch wenn alleine durch diese Unisex-Umstellung für bestehende Verträge für Männer zum 01.01.2013 zusätzliche Erhöhungen von je bis zu 10 Prozent – und ausnahmsweise auch mehr – umzusetzen sind, damit auch alle Ende 2012 bereits versicherten Frauen über die EuGH-Anforderung hinaus auf günstigere Unisex-Beiträge herabgesetzt werden können. Bei manchen Versicherern, insbesondere mit starken Beständen in der Pflegetagegeldversicherung, könnte es auch zu stärkeren Erhöhungen kommen. Diese Erhöhungen treffen dann auf die normalen Beitragsanpassungen zum gleichen Termin.

 

Haftungsrisiko

Da dies in der PKV als Lösung ernsthaft und ganz konkret diskutiert wird, können Makler nicht behaupten, sie hätten davon nichts gewusst. Wer jetzt noch PKV-Tarife vermittelt, muss daher auf die zusätzlich drohenden Erhöhungen hinweisen, um nicht später selbst zu haften. Ein Blick auf die Beiträge der Frauen im gleichen Tarif sollte das drohende Erhöhungspotential verdeutlichen.

 

Alternativen nutzen

Statt einer PKV kann sich für Neukunden in 2012 wegen der drohenden Unisex-Anpassung womöglich eher ein Lebensversicherungstarif lohnen, der nach heutigem Stand bis Ende 2012 für Versicherte nicht angepasst werden kann. Die betrifft z. B. eine Pflegerentenversicherung statt einer Pflegetagegeldversicherung oder eine normale Rentenversicherung statt eines sogenannten Beitragssicherungsplans zur Prämienermäßigung im Alter. Nach heutigem Stand: Denn auch dies könnte der Gesetzgeber anders regeln, sogar rückwirkend. Denn nichts ist sicher, es wäre sozusagen ein „Lastenausgleichsgesetz“ zur Gleichbehandlung, in dem die Versicherungsnehmer die Lasten gegenseitig tragen, nicht die Versicherer oder Arbeitgeber. Die PKV-Branche macht es vor, wie man mit staatlicher Hilfe in bestehende Verträge, Zusagen und „Garantien“ eingreifen kann, wenn man nur will, und zwar auch in der Lebensversicherung. Auch hier drohen daher Haftungsrisiken für Makler.

 

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.performance-online.de (veröffentlicht in Performance 01/2012, Seite 34-35)

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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