Vorsicht bei der BUZ!

Das neue VVG bringt nicht in allen Fällen Verbesserungen mit sich

 

In der BUZ kann der Versicherer bei einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht den Vertrag nachträglich anpassen, zum Nachteil des Kunden. Das neue VVG gibt den Versicherern hier große Spielräume.

 

Der Verzicht auf das „Alles oder Nichts – Prinzip“ als ein Leitgedanke des neuen VVG wird in der Öffentlichkeit als wichtiger Vorteil für den Versicherungskunden gefeiert. Dass dies – auch in zentralen Punkten der Leistungsprüfung der Versicherer – nicht immer der Fall ist, soll folgendes Beispiel verdeutlichen: Der Versicherte hat eine Berufsunfähigkeitsversicherung in diesem Jahr (Alter 40) bis Endalter 65 abgeschlossen. Im Jahr 2012 wird er durch einen fremdverschuldeten Verkehrsunfall durch einen Wirbelsäulenbruch so schwer verletzt, dass er auf Dauer berufsunfähig ist. Bei der Prüfung des Leistungsanspruchs stellt der Versicherer fest, dass der Kunde im Antragsverfahren grobfahrlässig einen erheblichen Gefahrumstand nicht angezeigt hat (Einnahme von Betablockern aufgrund von Bluthochdruck in Verbindung mit Übergewicht).

 

Folge:

Variante 1: Der Versicherer kann vom Vertrag zurücktreten, wenn er nachweist, dass er das Risiko aufgrund seiner Annahmerichtlinien bei Kenntnis des Gefahrumstandes nicht versichert hätte. Da aber keine Kausalität zur verschwiegenen Vorerkrankung besteht, muss er für den bereits eingetretenen Leistungsfall voll (ggf. bis Endalter 65) leisten.

 

Variante 2: Kann der Versicherer jedoch nachweisen (und das wird ihm in vielen Fällen wohl möglich sein), dass er das Risiko bei Kenntnis des Gefahrumstandes nur mit Erschwerung angenommen hätte, hier konkret nur mit Endalter 50, kann er den Vertrag rückwirkend anpassen und ist für den bereits eingetretenen Leistungsfall max. für 6 Jahre (statt 21 Jahre) zur Leistung verpflichtet.

 

Das Recht des Versicherers zur rückwirkenden Anpassung ist vom Gesetzgeber nicht weiter relativiert worden. Sie ist sogar vorgeschrieben, wenn der Versicherer den Vertrag auch bei Kenntnis der Umstände geschlossen hätte. Die Kausalität spielt bei der Anpassung keine Rolle. Das kann für den Versicherten zu schwer verständlichen Entscheidungen führen. Da die Annahmeentscheidungen der Versicherer in Bezug auf Vorerkrankungen in der Regel weder dem Kunden noch dem Vermittler bekannt sind, ist die Gestaltungsmöglichkeit durch den Versicherer in solchen Fällen kaum einzuschätzen.

 

Schuldlose Anzeigepflichtverletzung und leichte Fahrlässigkeit

In folgenden Fällen steht also gegebenen Falls eine Kündigung durch den Versicherer an: Ein Versicherungsnehmer kannte den Gefahrumstand (z. B. einen einmaligen vom Arzt beiläufig erwähnten Laborbefund zu Blutwerten), aber er kannte – in entschuldbarer Weise – nicht deren Erheblichkeit. Er dachte also, dass zum Beispiel eine frühere Erkrankung oder ein Laborbefund belanglos ist. Daher gibt er z. B. seine Nikotinsucht nicht an oder die leichte Schwerhörigkeit oder den vom Arzt beiläufig erwähnten geringfügig erhöhten Cholesterinwert oder er hält es nicht für erforderlich, den Versicherer darauf hinzuweisen, dass er vor einem Jahr auf Empfehlung seinen Sportarztes sein Gewicht um 15 kg reduziert hat.

Oder er verstand die Frage falsch, weil nach einer bestimmten Krankheit gefragt wurde, die beim Versicherungsnehmer jedoch unter anderer Bezeichnung diagnostiziert wurde. War die Krankheit dagegen endgültig seinem Gedächtnis entfallen, so ist sie ihm nicht mehr bekannt und er muss sie daher auch nicht angeben. Fällt sie ihm dagegen nur auf Anhieb nicht ein und er bemüht sich auch nicht ausreichend sich zu erinnern, so wird bereits leichte Fahrlässigkeit vorliegen.

 

In der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) ist das Kündigungs- und Anpassungsrecht des Versicherers besonders nachteilig. Daher verzichten viele Versicherer, aber bei weitem nicht alle, vollständig auf dieses Recht bei schuldloser Anzeigepflichtverletzung. Erstaunlicher Weise werden selbst Tarife, die in der BUZ auf dieses Recht nicht oder nicht vollständig verzichten, mit Höchstratings ausgezeichnet. Offensichtlich leicht zu übersehen, aber in ihrer Konsequenz für den Kunden (und den Makler) nicht besser, ist bei der Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen der fehlende Verzicht auf die Anwendung des § 19 VVG bei schuldloser Anzeigepflichtverletzung in der Hauptversicherung.

 

Da hilft auch der Anwendungsverzicht in der BUZ wenig, wenn der Versicherer diese Einschränkung in der zugrundeliegenden Hauptversicherung – z. B. einer Risikolebensversicherung – nicht hat. Die Risiko-Lebensversicherung kann also auch bei schuldloser Anzeigepflichtverletzung gekündigt werden. Und – wie es Zusatzversicherungen nun einmal an sich haben – in diesem Fall wird die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bedingungsgemäß ebenfalls beendet, da sie alleine nicht fortgesetzt werden kann. Die Zusatzversicherung wird also bei unverschuldeter Anzeigepflichtverletzung nicht gekündigt, sondern beendet. Die Folge ist allerdings die gleiche. Sollte die Kündigung zur Folge haben, dass eine beitragsfreie Summe weiterversichert bleibt, so reduziert sich bedingungsgemäß auch die versicherte BUZ-Leistung entsprechend. Auch hier wird die Zusatzversicherung also deutlich entwertet.

 

Haftungsfalle für Makler

Es erweist sich immer wieder, dass oberflächliches Lesen von Bedingungen in die Irre führen kann. Führt der Versicherer ein ausgeschlossenes Kündigungsrecht durch die Hintertür wieder ein, so ist dies leicht zu übersehen – auch Produktratings weisen nicht unbedingt auf solche Haftungsfallen hin. Sollte das etwa daran liegen, dass das Zusammenspiel mit den Allgemeinen Bedingungen der Hauptversicherung in so wichtigen Punkten, wie der Frage nach der Anwendbarkeit des § 19 VVG, bei der Ratingbewertung einer BUZ nicht berücksichtigt wird? Selbst Anbieter mit aktuellem BUZ-Produkthöchstrating, (Nürnberger, Allianz), verzichten nur in der BUZ, nicht aber in Ihren Allgemeinen Bedingungen zur Risiko-Lebensversicherung auf die Anwendung des § 19 VVG bei schuldloser Anzeigepflichtverletzung. Martin Seichter  (Versicherungsmakler und fachlicher Autor des BU – Vergleichsprogramms EMRT) hat eine Übersicht über die Auswirkungen der Regelungen der §§ 19 bis 22 VVG (vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung) auf die Vertragsfortführung und die Leistungspflicht des Versicherers erstellt, die auch die in diesem Artikel beschriebenen Feinheiten der möglichen Konsequenzen für den Kunden und den Versicherer wiedergibt.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

veröffentlicht in Versicherungsvertrieb, Heft 02/2008, Seite 30-31

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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