Wann sich der Widerruf von Lebens-, Renten- und anderen Versicherungen lohnen kann

Bundesgerichtshof: Versicherungsleistungen verbleiben trotz Widerruf beim Empfänger

 

Ärzte und Zahnärzte prüfen seit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19.12.2013 (AZ: C-209) immer häufiger, ob sie ihre Versicherungen noch widerrufen können. Ziel ist es dabei, die bezahlten Versicherungsprämien zurück zu erhalten beziehungsweise häufig Versicherungen mit negativer Rendite rückabzuwickeln. Ohne versicherungsmathematische, rechtliche und steuerliche Prüfung kann dies aber zum Nachteil gereichen.

 

Ausstieg durch Widerruf zeitlich unbefristet und trotz vorheriger Kündigung

Versicherungsunternehmen haben es vielfach unterlassen, den Versicherungsnehmer ausreichend und wirksam über das Widerrufsrecht zu belehren. Der EuGH entschied, dass dieses Gestaltungsrecht, den Versicherungsvertrag zu widerrufen bzw. Widerspruch zu erklären, keiner Verjährung unterliegt und auch noch nach Kündigung möglich ist. Der Gesetzgeber hatte in dem bis Ende 2007 geltenden § 5a Versicherungsvertragsgesetz (VVG) den Widerruf zeitlich befristet, was sich nach der neuen Rechtsprechung in allen Verträgen der Lebensversicherungsunternehmen als verdeckte Regelungslücke erwiesen hat – aufgrund EU-Recht gilt die Befristung daher nicht.

Auch nach heutiger Rechtslage kann ein Versicherungsnehmer bei unterbliebener Belehrung, bei rechtlich unzureichendem Text der Widerrufsbelehrung, oder auch bei unvollständiger Übergabe der Versicherungsunterlagen dieses Gestaltungsrecht ausüben, § 8 VVG.

Versicherungsverträge oft schwebend unwirksam und bis heute widerrufbar

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11) stellte dabei klar, dass die Verjährung der Rückforderungsansprüche erst mit Ausübung des Widerrufes beginnt. Die Frist beträft dann drei Jahre zum folgenden 31.12. des Jahres. Durch Widerruf wird der Versicherungsvertrag endgültig unwirksam, so dass nach Bereicherungsrecht die Rückabwicklung der rechtsgrundlosen Prämienzahlungen zu erfolgen hat, §§ 812 I 1, 818 II Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Gegenrechnung nur des Wertes eines Versicherungsschutz

Der BGH äußerte sich aber auch zur Rechtsnatur der Versichererleistung, weil er den gebotenen Versicherungsschutz, und nicht etwa eine erhaltene Versicherungsleistung, als aufzurechnenden Vorteil sieht. Dies bedeutet, dass der Versicherer nur jenen Anteil der Prämien behalten darf, der dem vom Versicherungsnehmer „genossenen Versicherungsschutz” entspricht. Damit ist der Versicherer in der Beweislast seine Kalkulation offen zu legen, denn beispielsweise Abschluss- und Verwaltungskosten kann der Versicherer nicht abziehen. Derlei Abrechnungen des Versicherers sind fehleranfällig, und sollten im Zweifel dann sachverständig überprüft werden.

Bereits erbrachte Versicherungsleistungen können trotz Widerruf behalten werden

Wenn beispielsweise 100.000 EUR Prämien gezahlt wurden, und der Risikobeitrag für die Todesfalleistung von 1.000.000 EUR insgesamt 10.000 EUR betrug, dann, können 90.000 EUR zzgl. ggf. Zinsen (bzw. gezogene Nutzungen) beim Widerruf zurückverlangt werden.

Auch eine etwa erhaltene Todesfallleistung von 1.000.000 EUR müsste bei Widerruf nicht zurückgewährt werden. Anderenfalls würde sich für denjenigen, der eine höhere Versicherungsleistung erhalten hat, der Widerruf kaum jemals lohnen.

Wenn eine versicherte Person die Todesfalleistung von 1.000.000 EUR erhalten hat, darf sie diese auch beim Widerruf behalten, weil sie ja mit den spiegelbildlich gegenzurechnenden 10.000 EUR Risikobeitrag bereits bezahlt wurde, und bekommt zusätzlich durch den Widerruf dazu 90.000 EUR Beiträge zurück.

Wer dazu noch eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) mit Rentenzahlung hatte, dem werden zwar die BUZ-Risikobeiträge abgezogen, die Rente aber, die aus diesem Risikobeitrag finanziert wurde, darf er nicht nur für der Vergangenheit behalten, sondern auch für die Zukunft. Denn sie wurde ja mit dem vom Versicherer einbehaltenen Beitrag bis BU-Rentenbeginn bezahlt, zu dem der Versicherungsfall eintrat.

Nutzungen sind herauszugeben

Neben der Rückzahlung der Prämien – bis auf solche für vom Versicherer gewährten Versicherungsschutz – sind auch die vom Versicherer gezogenen Nutzungen herauszugeben. Dazu gehören auch einbehaltene Überschüsse oder Kickbacks aus Fondsanlagen und die darauf gezogenen Erträge in Höhe der Eigenkapitalverzinsung von oft bis zu mehr als 30 %. Die korrekte Berechnung der gezogenen Nutzungen über oft mehr als ein Jahrzehnt ist eine versicherungsmathematisch und auch unter rechtlicher Sicht anspruchsvolle Aufgabe. Auch bei einer Risikolebensversicherung oder reinen Berufsunfähigkeitsversicherung wird bei Widerruf nicht die komplette Prämie vom Versicherer einbehalten werden dürfen.

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.der-niedergelassene-arzt.de (Wirtschaftsmagazin für den Hautarzt, 04/2014)

und

www.dzw.de (Die Zahnarzt Woche, Ausgabe 45/14)

und

http://www.kaden-verlag.de (Chirurgische Allgemeine, Heft 7 + 8/2014 unter der Überschrift: BGH: Versicherungsleistungen verbleiben trotz Widerruf beim Empfänger)

und

www.handwerke.de (veröffentlicht in Computern im Handwerk)

 

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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