bAV: Arbeitgeber haften für schlechte Renditen

Laut Urteil haften Arbeitgeber, wenn ein bAV-Träger – etwa eine Pensionskasse – seine Leistungen satzungsgemäß herabsetzt. Durch das anhaltende Niedrigzinsniveau muss bald so gut wie jeder Arbeitgeber mit bAV-Zusagen damit rechnen. Welche Risiken konkret lauern.

 

Rechtliches Risiko des Arbeitgebers

Vermittler behaupten gerne, dass die Auslagerung einer Versorgungszusage auf externe Träger der bAV (z.B. Unterstützungskasse, Pensionskasse, Pensionsfonds) den Arbeitgeber aus seiner Verantwortung entlässt. Das Gegenteil ist richtig, wie das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 19.06.2012 (Az. 3 AZR 408/10) zeigt. Der Arbeitgeber haftet gleichwohl für die Erfüllung der Zusage, § 1 I 3 BetrAVG.
Bleibt der Kapitalertrag unter den in der Breite meist kalkulatorisch noch angesetzten ca. 4 % zurück oder verlängert sich die Lebenserwartung über die rechnungsmäßigen Ansätze hinaus, kann dies zu einer Herabsetzung von Anwartschaften und sogar schon laufenden Rentenleistungen bei einem Träger der bAV führen. Derartige Kürzungen sind regelmäßig in den Satzungen vorgesehen. Mit Kürzungen mussten sich auch bereits zahlreiche Zwangsmitglieder von berufsständischen Versorgungswerken auseinandersetzen.

Auch bei Direktversicherungen bestehen zahlreiche Möglichkeiten die Leistungen zu kürzen, auch unterhalb der sogenannten Garantiewerte. Die zugesagten Leistungen selbst sind in Gefahr –  die Frage nach einer positiven Realrendite der Beiträge sollte man erst gar nicht stellen.

 

Fehler des Arbeitgebers bei der bAV-Einrichtung

Die allermeisten Arbeitgeber vermeiden eine Honorarberatung, und lassen sich von Vermittlern und Beratern in Beispielsrechnungen sagenhafte Renditen vorrechnen. Eine Verzinsung von beispielsweise 4% bis 6 % zuzusagen und zum Teil deutlich mehr in Aussicht zu stellen, war in der Vergangenheit üblich. Zum Zuge kam der „optimistischste“ Anbieter – gleichzeitig damit auch der mit dem höchsten Haftungspotential für den Arbeitgeber.
Wie unsicher diese Aussichten sind, lassen Arbeitgeber sich nicht erklären. Jene Arbeitgeber, die es ihren Mitarbeitern und oft sich selbst eigentlich nur gut meinten, zielen darauf ab, bei einem Träger der bAV das Geld anzulegen, welcher eine möglichst hohe  – und damit unsicherere – Rente zusagt, statt bei einem möglichst vorsichtig kalkulierten Angebot, und damit niedrigeren Rente, die aber mit einer größtmöglichen Wahrscheinlichkeit auch erzielbar ist.
Dieses Ausblenden der Arbeitgeberrisiken wird noch dadurch verstärkt, dass die eingeschalteten Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer keine Bilanzen einschließlich aller potentiellen Risiken aufstellen. So geraten Arbeitgeber immer häufiger in die Situation einer Überschuldung, ohne es zu bemerken. Dieser fehlende Überblick über die eigenen Finanzen und Risiken führt vor allem Manager, einschließlich Vorstände und Geschäftsführer rasch in die persönliche Haftung.

 

Wirtschaftliches Risiko des Arbeitgebers

Die bei bAV-Zusagen eingerechneten Zinserträge, Steuervorteile und Zuschüsse der Arbeitgeber (soweit es sie gibt) sind keine zusätzlichen Sicherheiten, sondern sind bereits in den zugesagten Renten eingerechnet. Sie werden für die gegebenen Zusagen bereits in voller Höhe benötigt und erhöhen damit die Arbeitgeberhaftung. Wenn die Zinserträge nicht das eingerechnete Niveau von zum Teil 4 % bis 6 % erreichen, sind die gegebenen Zusagen nicht mehr daraus finanzierbar. Eine reale Gefahr für jeden Arbeitgeber.

Daß es bisher bei einigen Trägern der bAV irgendwie meist gut gegangen ist, oder die wahren bereits eingefahrenen Verluste bisher geschickt kaschiert oder überbrückt wurden, ist kein Beweis für die Haftungsfreiheit der Arbeitgeber und die Sicherheit der dortigen Kapitalanlagen. Denn das niedrige Zinsniveau hat eine zeitverzögerte Wirkung, die dafür um so stärker wirkt.  So wurde verstärkt in höherverzinsliche Titel z. B. südeuropäischer Staaten investiert, was die Kapitalerträge zunächst vorübergehend erhöhte, bis irgendwann später das damit in Kauf genommene Risiko sich durch Abschreibungen realisierte und künftig noch vermehrt realisieren wird.

Die heute vorhandenen Deckungsmittel in der bAV, rund 480 Mrd. € als bAV-Kapitalanlagen sind nicht obendrein zu den Beiträgen übrig, sondern sind als Kapitaldeckung für die Finanzierung der Zusagen erforderlich, samt bis zu 4 – 6 % Zinsen jährlich darauf für die Zukunft. Es handelt sich um Deckungsmittel für Schulden (Passiva), die lebenslang mit einer hohen Zinsgarantie verzinst werden müssen. Werden nur 2 % erwirtschaftet, fehlen also jährlich rund 10 -20 Mrd. € steigend, da sie auch auf die Zinseszinsen und weiteren Beiträge fehlen. In 25 Jahren müßten bei 4 % Zins die 480 Mrd. € Schulden alleine ohne weitere Beiträge auf rund 1.280 Mrd. € anwachsen, bei 2 % Zins werden aber nur 788 Mrd. an entsprechenden Vermögenswerten als Deckungsmittel dafür vorhanden sein. Das heisst, es fehlen alleine dadurch rund 40 % des erforderlichen Kapitals zur Finanzierung der Zusagen – ein enormes Haftungspotential für Arbeitgeber.
Gerade die hohen Passiva in Verbindung mit der stark regulierten Kapitalanlage und dem Zwang zur vollen Deckung der Pensionsverpflichtungen (der bei Pensionskassen aber nicht einmal besteht) engen die Möglichkeiten so stark ein, daß der Niedrigzins noch schneller und stärker ein Problem wird als oft im Ausland.

Politisches Risiko oder Risiko des Niedrigzinses

Mathematische Analyse zeigt die simple Tatsache, daß der anhaltende Niedrigzins ganz ohne weitere Risiken oder politische Einflüsse unweigerlich völlig sicher und absehbar in der ganz planmäßigen Abwicklung dazu führt, daß die zugesagten Renten meist nicht gezahlt werden können, und daher eine Herabsetzung von künftig wie auch in der Vergangenheit erteilten Zusagen und sogar bereits laufenden Renten ansteht.
Die EU möchte über die Solvency-II-Regelung das Eigenkapital bzw. Risikokapital bei den externen Trägern der bAV erhöhen, wie auch bei den Versicherern. Damit würde sich das Risiko einer Insolvenz, von Pensionsfonds und Pensionskassen in etwa halbieren. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände wendet sich dagegen, weil dies die Arbeitgeber zusätzliche Beiträge kosten würde und mindestens die künftigen Rentenzusagen stärker vermindert werden müssten. Auch der DGB ist dagegen, denn schließlich haftet ja der Arbeitgeber für seine bAV-Zusagen, und weil Pensionskassen und Pensionsfonds strengen aufsichtsrechtlichen Vorschriften unterliegen würden, was man als Wunschdenken verstehen kann. Damit würde das Problem notwendiger Kürzungen bei Leistungen und Zusagen jedoch nur in die Zukunft verlagert.

Konsequent und richtig ist hingegen, heute schon die neuen Zusagen zu vermindern – und mit ihnen das Haftungsrisiko der Arbeitgeber. Solvency II verlangt nicht Unangemessenes, sondern schlicht nur, dass die Anbieter sich mit ihren eigenem Risiken für die Erfüllbarkeit ihrer Zusagen frühzeitig auseinandersetzen sollen. Wer für sich eine Ausnahme davon verlangt, möchte dies eben gerade nicht und spielt mit der Haftung der Arbeitgeber.

 

Risiko für Mitarbeiter

Bei den DAX-30-Konzernen besteht eine Deckungslücke bei dafür vorgesehenen Kapitalvermögen i.H.v. 107 Mrd. € für die Erfüllung von Versorgungszusagen i.H.v. 281 Mrd. €. Da eine entsprechende Kürzung der Zusagen um rund 40% nicht zulässig ist, ergibt sich für die Zukunft ein erhöhter Finanzierungsbedarf.

Lebt ein Unternehmen über seine Verhältnisse, so wird es insolvent. Das statistische Risiko dafür liegt bei etwa 1% pro Jahr – ein großer Anteil der Arbeitnehmer  und Betriebsrentner wird also davon betroffen  sein.  Die Betriebsrentner, also normale Arbeitnehmer, erhalten dann jedoch vom „Pensionssicherungsverein aG“ oft weitaus weniger, als vom eigenen Arbeitgeber einmal fürs Alter zugesagt und geplant – auch hier also eine Leistungskürzung.


Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt (München), MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de)
und
Diplom-Mathematiker Peter A. Schramm, Aktuar DAV (Diethardt), Versicherungsmathematischer Sachverständiger (www.pkv-gutachter.de)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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