bAV: Arbeitgeber haftet bei falscher Beratung

von Johannes Fiala ist Rechtsanwalt (München), MBA Financial Services (Univ.Wales), MM (Univ.), geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.) und Bankkaufmann. Kontakt und weitere Informationen unter [2]https://www.fiala.de>www.fiala.de.
Dipl.-Math. Peter A. Schramm ist Aktuar DAV (Diethardt) und Versicherungsmathematischer Sachverständiger. Kontakt und weitere Informationen unterhttp://www.pkv-gutachter.de>www.pkv-gutachter.de
Arbeitgebern und ihren Verbänden ist noch nicht ausreichend bewusst, dass sie an vorderster Front in der Verantwortung und Haftung stehen. Mancher Versicherer spielt dies herunter, um die Vermittlung seiner Produkte nicht zu gefährden. Viele Unternehmen beklagen existentielle Altlasten.
Nun beispielhaft die Details: I. Allgemeine Aufklärungspflichten des Arbeitgebers Aus Gesetz, Kommentarliteratur wie aus bisher noch vereinzelt gebliebenen Urteilen ergeben sich zahlreiche Hinweis- und Aufklärungspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung. Und auch dort, wo keine Pflichten bestehen, haftet der Arbeitgeber dennoch für ggf. freiwillig gegebene Falschauskünfte und Beratungsfehler sowie für mangelhafte überwachung der Beratung durch beauftragte Dritte – z. B. Versicherungsvermittler. Beispielsweise hat der Gesetzgeber in § 4a BetrAVG einen Anspruch auf Auskunft in vielen Fällen normiert, insbesondere über die Höhe erworbener unverfallbarer Anwartschaft.
Nicht nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses haftet der Arbeitgeber für falsche bzw. unvollständige Information (Urteil Landesarbeitsgericht Frankfurt vom 22.08.2001, AZ 107 Ca 450/95) sondern auch aus § 1a BetrAVG i. V. m. § 242 BGB bei Beginn der Einrichtung eines betrieblichen Versorgungswerkes: Bereits bei Einführung einer bAV bestehen für den Arbeitgeber sehr haftungsträchtige Vorsorge-, Aufklärungs- und Informationspflichten zu Gunsten seiner Mitarbeiter, wie beispielsweise das BAG, Urteil vom 17.10.2000 – 3 AZU 605/99 zeigt.
1. Behaupten Versicherer, aus “§ 1a BetrAVG lässt sich keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Aufklärung herleiten”, oder “Das Gesetz enthält keine Regelungen und Hinweise über den Umfang von Informationsverpflichtungen des Arbeitgebers”, so lässt sich feststellen – auch wenn es nicht direkt im Gesetz steht: Genau das Gegenteil ist richtig, z. B. wenn bereits ein betriebliches Versorgungswerk besteht. Die potentiellen Haftungssummen des Arbeitgebers sind – wie sich versicherungsmathematisch durch Sachverständige kalkulieren lässt – enorm; viele Steuerberater übersehen dies als Bilanzposten nach dem HGB und/oder der Insolvenzordnung.
Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) sieht eine konkrete Aufklärungspflicht des Arbeitgebers über mögliche Nachteile für die betriebliche Altersversorgung beim Abschluss eines vom Arbeitgeber initiierten Aufhebungsvertrages, wenn der Arbeitgeber den Eindruck erweckt hat, der Arbeitnehmer werde vor unbedachten versorgungsrechtlichen Nachteilen bewahrt oder wenn sehr hohe Versorgungseinbußen wie bei öffentlichen Versorgungssystemen drohen (BAG-Urteil vom 17.10.2000, Az. 3 AZR 605/99). Die genaue Lektüre des Urteils zeigt, dass der Arbeitgeber zu einer vollständigen und umfänglichen Beratung der Arbeitnehmer verpflichtet ist und zudem den Arbeitnehmern alle Versorgungsschäden auszugleichen hat.
2. Gerade bei der Gehaltsumwandlung besteht eine erhebliche Fürsorge- und Informationspflicht. Das Urteil des Hessischen LAG (Urteil v. 22.08.2001, Az. 8 Sa 146/00 ) zeigt, dass der Arbeitgeber für die ausführliche und vollständige Information der Belegschaft haftet. Der Arbeitgeber wurde zur Schadensersatzzahlung an einen Arbeitnehmer verurteilt, der sich nachweislich mit dem Gedanken trug, eine private Altersversorgung abzuschließen. Schadensursache war insbesondere eine fehlerhafte Auskunft über die zu erwartende betriebliche Altersversorgung.
Es ist daher festzuhalten, dass klare gesetzliche Regelungen, herrschende Meinungen der Fachliteratur sowie richtungsweisende Urteile eine Beratungspflicht des Arbeitgebers in vielen Fällen sehen und vom eventuellen “Fehlen einer allgemeinen” Beratungspflicht nicht einfach auf das “allgemeine Fehlen” einer Beratungspflicht geschlossen werden darf. Wenn ein Produktgeber anderes behauptet, muss dies kritisch gewertet werden. Im Zweifel handelt es sich nur um eine unverbindliche Meinungsäußerung, aus der er jede Haftung ablehnen wird. Auch sind solche Aussagen oft sehr vorsichtig formuliert: Eine allgemeine Beratungspflicht fehlt nämlich rein logisch bereits dann, wenn Beratungspflichten nur in fast allen regelmäßig vorkommenden Einzelfällen dennoch gegeben sind. Hier gerät der Versicherungsmakler, der Arbeitgeber und der Agent rasch in eine Haftung, wenn er auf die Richtigkeit der Auskünfte vertraut oder die Einschränkungen nicht erkennt.
Immer wieder wird – mit längst widerlegten Begründungen – behauptet, dass bei versicherungsförmigen Lösungen automatisch immer eine wertgleiche Entgeltumwandlung vorliegt. Ob dies der Versicherer selbst für mehr als eine unverbindliche Meinungsäußerung hält und im Zweifel doch Vermittler oder Arbeitgeber haften, lässt sich unschwer feststellen: indem der Versicherer zur Abgabe einer entsprechenden Garantie- und Haftungsfreistellungserklärung aufgefordert wird.
Auswahl des Versorgungsträgers Das BetriebsrentenGesetz (BetrAVG) ist letztlich ein Arbeitnehmerschutzgesetz – auch wenn manche Versicherer darin mehr ihre Markt- und Gewinnchancen sehen.
1. Arbeitgeberfinanzierte Versorgung Der Arbeitgeber kann den Versorgungsträger frei bestimmen, mehr noch – denn der Arbeitgeber “bestimmt Durchführungsweg und Tarif”. Wenn der Versicherer nun behauptet “Da der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine bestimmte betriebliche Altersversorgung hat, kann der Arbeitgeber bei der Auswahl des Versorgungsträgers auch keine Pflichtverletzung begehen” – so ist dies offensichtlich zu kurz gegriffen, oder schlicht eine Halbwahrheit. Er hat nur deshalb diesen Anspruch nicht, weil der Arbeitgeber selbst haftet und es im Grunde zunächst seine Sache ist, wie er sich die Mittel für die Erfüllung seiner Zusagen verschafft.
Richtig ist vielmehr, dass der Arbeitgeber auf die Erfüllung seiner Zusagen zu achten hat: Er muss also Produkte vergleichen, und prüfen ob er den Durchführungsweg ohne Provision und mit geringen Kosten darstellen kann. Also muss der Arbeitgeber die Tarife der Versicherer vergleichen, ein günstiges Angebot auswählen – Provisionen (die ja vermeidbar wären), könnten den Arbeitgeber dem strafrechtlichen Verdacht einer Untreue aussetzen.
Bereits durch die Wahl der (falschen) Berater kann der Weg in die Haftung vorgegeben sein – Berater, die scheinbar zunächst nichts kosten, können sich später als die teuersten herausstellen. Empfehlenswert ist daher, sich als Arbeitgeber unabhängig beraten zu lassen. Besser als dem Vermittler, der als Kaufmann von seiner Provision leben muss – sollte man einem unabhängigen Honorarberater und dem Rechtsbeistand vertrauen und durch versicherungsmathematische Sachverständige Transparenz z. B. über die in den Prämien enthaltenen Kosten- und Risikoteile herstellen. Ob sich besondere Pflichten aus einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben, steht auf einem ganz anderen Blatt: Derlei Pflichten kommen für den Arbeitgeber hinzu.
2. Arbeitnehmerfinanzierte Versorgung Nach § 1a Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, seinen Arbeitnehmern die Umwandlung von Entgelt in eine wertgleiche Versorgungsanwartschaft zu ermöglichen. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit ist hier für den Arbeitgeber nicht gegeben, denn eine nicht wertgleiche Entgeltumwandlung führt zur Nichtigkeit sowohl der Entgeltvereinbarung, als auch des Vertrags mit dem Versicherer, der Pensionskasse, der U-Kasse, etc. Das BetrAVG verpflichtet den Arbeitgeber, nicht gegen die Wertgleichheit zu verstoßen – gesetzliche Gebote und Verbote können auch nicht durch eine “Einwilligung” des Arbeitnehmers ausgehebelt werden. Obwohl es grundsätzlich rein logisch nicht falsch ist, wenn der Produktgeber behauptet, der Arbeitgeber könne “den externen Versorgungsträger und die von ihm angebotenen Bedingungen frei auswählen”, heißt dies doch nicht, dass er bei dieser Auswahl nicht das gesetzliche Gebot der Wertgleichheit und die verschuldensunabhängige Fürsorgepflicht als Arbeitgeber beachten muss. Leider eignen sich solche von Versicherern verbreitete Halbwahrheiten besonders, von Vertriebsmitarbeitern missverstanden zu werden – für den Vertrieb mag dies förderlich sein, wer dafür haftet, wird dann später geklärt – es ist nicht immer der selbst irregeführte Vertriebsmitarbeiter. Wenn der Versicherer weiter behauptet “Der Arbeitnehmer kann aber generell nicht die absolut beste Versorgungslösung erwarten, sondern lediglich eine Lösung mittlerer Art und Güte”, so bedeutet dies nicht, dass er statt einer besonders leistungsstarken und dabei noch preiswerten Lösung eine schwächere und teure wählen darf. Er darf aber die leistungsschwächere wählen, wenn sich dies im Preis wiederspiegelt und die Leistung noch eine mittlere Qualität hat. Der Chef aller Arbeitsrichter in Sachen Ruhegelder, hat in einer Veröffentlichung deutlich den Weg aufgezeigt: Den Arbeitgeber treffen erhebliche Fürsorgepflichten und – er haftet auch ohne Verschulden!
III. Verpflichtung des Arbeitgebers zu richtigen Auskünften
Erteilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgefordert oder unaufgefordert eine Auskunft zur betrieblichen Altersversorgung, so muss diese auch richtig sein. Eine falsche Auskunft verpflichtet den Arbeitgeber nach der ständigen Rechtsprechung zum Schadensersatz. Zwar trifft bei der Entgeltumwandlung den Arbeitgeber grundsätzlich keine Verpflichtung, den Arbeitnehmer darüber zu informieren, dass er einen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung hat. Aber, wenn bereits ein betriebliches Versorgungswerk besteht, dann sind alle Mitarbeiter über Vor- und Nachteile aufzuklären. Aufzuklären ist nicht nur zu Beginn, sondern auch wenn sich die gesetzlichen Regelungen ggf. mehrfach im Jahr ändern. Der Arbeitnehmer muss ja nicht dabei bleiben, sein Entgelt nach dem Bestimmungsweg des Arbeitgebers umzuwandeln.
Haftungsfalle des Arbeitgeber für Vermittler-Beratungen: Behauptet der Versicherer “Berät der Vertreter des Versicherers die Arbeitnehmer, so tritt der Vertreter als Erfüllungsgehilfe des Versicherungsunternehmens auf” , so würde die herrschende Meinung der Rechtsprechung auf den Kopf gestellt. Denn es kommt darauf an, in wessen Pflichtenkreis der “Berater” tätig ist. Zur Beratung ist der Arbeitgeber verpflichtet, nicht der Versicherer – und damit ist dem Arbeitgeber die Haftung auch für jedwede Beratung des Arbeitnehmers durch den Vermittler sicher. Das Handeln “in akquisitorischen Aufgaben” kann auch nur gegenüber dem Arbeitgeber erfolgen, denn der bestimmt “Durchführungsweg und Tarif” – er ist also “der Kunde des Versicherers”, nicht der Arbeitnehmer. Akquise beim Arbeitnehmer ist eine Haftungsfalle für den Vermittler, der ohne Vorgaben des Arbeitgebers die Mitarbeiter nicht haftungsfrei beraten kann.
IV. Verpflichtungen des Arbeitgebers bei Ausscheiden des Arbeitnehmers und/oder bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages Grundsätzlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses über die bAV und deren Abfindung transparent aufzuklären. Der übliche Spruch in einem Kündigungsschutzprozess, dass eine Abfindung bezahlt werde “für alle Ansprüche”, überlässt es dem Arbeitnehmer, jederzeit abermals zu klagen. Erst nach 30 Jahren tritt hier die Verjährung ein.
Gerade dann, wenn der Wert des Anspruchs gegen die Versicherung (Rückkaufswert oder beitragsfreie Leistung) – wie sehr oft – hinter den weitaus höheren Ansprüchen der Mitarbeiter aus dem Arbeitsvertrag zurück bleiben, haftet der Arbeitgeber für die Differenz.
V. Aufklärungspflicht des Arbeitgebers bei gezillmerten Tarifen Nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart (vom 17.01.2005, AZ. 19 Ca 315/04) gebietet nicht die verschuldensunabhängige Fürsorgepflicht, sondern bereits die weitaus geringere Aufklärungspflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer auf finanzielle Nachteile hinzuweisen. Hinzu kommt eine Haftung für Nachteile durch “Stornoabzüge” und zu hohe Verwaltungskosten der Versicherung bzw. eines anderen Durchführungsweges. Wer jedoch aus diesem Urteil schließt, mit der Aufklärung alleine sei dem Gesetz genügt, der greift zu kurz, denn in dem Urteil musste mehr gar nicht geprüft werden – die mangelnde Aufklärung hat bereits für den Schadensersatzanspruch gereicht.
Fazit: Die Beratungs- und Informationspflichten des Arbeitgebers sind nahezu unbegrenzt. Zur Vermeidung von Haftungsrisiken ist der Arbeitgeber jederzeit sehr gut beraten, wirklich unabhängige Berater auf transparenter Honorarbasis einzuschalten und sich zu gegenwärtigen, dass es “kostenlose” Beratungskompetenz nicht geben kann – höchstens intransparent versteckte und dabei ggf. mehrfach höhere Kosten, die wiederum ein Haftungsrisiko darstellen. (mf)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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