Betriebliche Altersversorgung oft nachteilig: Privatrente schlägt Entgeltumwandlung

Vermittler und Arbeitgeber haften für unterlassene Aufklärung zur Verminderung der Sozialrenten – rund 6 Milliarden Euro Haftungspotential jährlich!

 

 

Werbung für Entgeltumwandlung mit Steuer- und Sozialversicherungsersparnis

Dem Arbeitnehmer wird die Entgeltumwandlung durch Berater bzw. Vermittler vor allem durch die Steuer- und Sozialversicherungsersparnis schmackhaft gemacht. Ein Arbeitnehmer mit mittlerem Einkommen spart z. B. bei einer Entgeltumwandlung von 200 EUR monatlich ca. 100 EUR an Steuern und seinen Arbeitnehmeranteilen am Sozialversicherungsbeitrag. Die betriebliche Altersvorsorge kostet ihn also netto nur 100 EUR – und dafür bekommt er vielleicht mit Überschüssen in 40 Jahren ca. 700 EUR monatliche Betriebsrente. Die ist dann zwar nachgelagert zu besteuern, doch die Steuern im Alter sind ja gering. Außerdem fallen darauf die vollen (nicht nur Arbeitnehmeranteil) Beiträge für gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung an.

 

Betriebsrente fällt voll in Steuerprogression

Die Sozialrenten sind in 40 Jahren zu 100 % zu versteuern, ebenso die Betriebsrente. Die zur Sozialrente hinzukommende Betriebsrente fällt damit voll in eine entsprechend hohe Progressionsstufe. Mit z. B. selbst nur 23 % Steuern infolge Progression und ca. 17 % für den vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag werden insgesamt 40 % an Abgaben von der Betriebsrente abgezogen, verbleiben also netto noch 420 EUR.

 

Private Rentenversicherung als Alternative?

Würde der Arbeitnehmer auf die Entgeltumwandlung verzichten und statt dessen mit einer privaten Rentenversicherung vorsorgen, so müsste er die Beiträge aus versteuertem und Sozialabgaben unterworfenem Einkommen bestreiten. Bei gleichem Nettoaufwand könnte er dann nur 100 EUR monatlich anlegen – die Altersrente daraus würde in einem vergleichbaren Tarif also auch nur die Hälfte, mithin 350 EUR monatlich betragen. Doch auch davon gehen zwar keine Sozialabgaben, sehr wohl aber noch Steuern ab – allerdings nicht wie bei der Entgeltumwandlung vom vollen Betrag. Vielmehr ist bei Rentenbeginn mit 67 nur der Ertragsanteil von derzeit 17 % zu versteuern, also 59,50 EUR, und darauf fallen wegen der geringeren Progressionsstufe nur ca. 12 EUR Steuern an. Also verbleiben ihm netto ca. 338 EUR Monatsrente – auf den ersten Blick ist die Privatrente also 82 EUR monatlich schlechter als die Betriebsrente durch Entgeltumwandlung.

 

Minderung der Sozialrente wird verschwiegen

Doch die Ersparnis an Sozialversicherungsbeiträgen in der Anwartschaftsphase wird jedoch um den Preis einer geringeren Sozialrente erkauft. Selbst mit nur geringer Rentensteigerung und unter Berücksichtigung von Steuern- sowie anteiligem Kranken-und Pflegeversicherungsbeitrag führt die Minderung des sozialversicherungspflichtigen Einkommens um die 200 EUR Entgeltumwandlung über 40 Jahre zu einer Rentenminderung von netto ca. 100 EUR. Einem Mehr von 82 EUR beim Vergleich von Betriebs- und Privatrente steht also eine Minderung von 100 EUR bei der Sozialrente gegenüber. Die Betriebsrente war also bei einer Betrachtung der Gesamtauswirkung auf die Alterseinkünfte ein Verlustgeschäft.

 

Beitrag für Erwerbsminderungsrente noch nicht berücksichtigt

Die Verminderung des sozialversicherungspflichtigen Einkommens führt zudem zu einem Verlust an Ansprüchen für die gesetzliche Erwerbsminderungsrente. Um dies auszugleichen, wäre ein Teil der Entgeltumwandlung für eine Erwerbsminderungsrente aufzuwenden – die Gesamtrente im Alter vermindert sich dadurch nochmals, die private Vorsorge steht dann im Vergleich noch besser da.

 

Nachteile bei Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit

Ebenso vermindert sich der Anspruch auf Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Um dies auszugleichen, könnte gleichzeitig mit der Entgeltumwandlung auch eine private Krankentagegeldversicherung abgeschlossen werden, doch die kostet u. U. auch nochmal 2 EUR monatlich, was die Relationen abermals weiter zulasten der Entgeltum-wandlung verschiebt. Die geringere Leistung bei Arbeitslosigkeit muss dagegen einfach hingenommen werden – hier gibt es kaum eine Möglichkeit der freiwilligen Absicherung. Ob man sich dann die Differenz beim haftenden Berater oder Arbeitnehmer holen kann, ist im Einzelfall zu klären.

 

Arbeitgeber, Berater und Vermittler haften für mangelhafte Beratung

Der übliche Beratungsansatz zur Entgeltumwandlung stellt die Steuer- und Sozialversicherungsersparnis in den Vordergrund. Die damit verbundene Minderung der Sozialrente unberücksichtigt zu lassen, stellt einen schweren Beratungsfehler dar, für den sowohl Berater wie auch Arbeitgeber gegenüber dem dadurch geschädigten Arbeitnehmer haften. Der Arbeitgeber spart seinerseits seinen Anteil der Sozialversicherungsbeiträge als Gewinn der Entgeltumwandlung ein, andererseits trägt der Arbeitnehmer den dadurch verursachten Verlust bei der Sozialrente und bei anderen Ansprüchen alleine. Da dies dem Arbeitgeber bekannt sein müsste, kann man unter Umständen im Verschweigen dieser Auswirkung sogar eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung – gar noch mit dem Motiv eines Vorteils aus eingesparten Arbeitgeberanteilen – sehen. Dabei darf nicht übersehen werden, dass den Arbeitgeber umfassende Informationspflichten und eine verschuldensunabhängige Fürsorgepflicht treffen: Den Arbeitgeber kann in diesem Zusammenhang sogar eine strafrechtliche Verantwortung treffen.

 

Haftungspotential nimmt jährlich zu

Rechnet man nur mit 5 Millionen betroffenen Entgeltumwandlungen unterhalb der Pflichtversicherungsgrenze in der Rentenversicherung, so ergeben sich bereits künftige Rentenminderungen bei der Sozialrente von insgesamt ca. 6 Milliarden EUR jährlich, wenn diese Entgeltumwandlungen planmäßig bis zum Rentenbeginn durchgeführt werden. Mit jedem Jahr weiterer Entgeltumwandlung und reduzierter Sozialabgaben nimmt die Haftung weiter zu – nachdem die Sozialabgabenfreiheit ja nun voraussichtlich nicht ab 2009 endet. Bei durchschnittlich 20 Jahren Rentenzahlung beträgt das über die Jahre erreichte Haftungspotential 120 Milliarden alleine aus der Verminderung der Sozialrente. Dazu kommt eine Haftungsgefährdung wegen verlorener Ansprüche beim Krankengeld, bei Erwerbsminderungsrenten und bei den Leistungen für Arbeitslosigkeit, wenn der Arbeitnehmer wie üblich auch hierauf nicht deutlich genug hingewiesen wurde.

 

Makler muss Private Altersvorsorge als Alternative anbieten

Bei sachgemäßer und vollständiger Aufklärung über die Auswirkung auf das Alterseinkommen werden Arbeitnehmer überwiegend die private Vorsorge einer betrieblichen Altersver-sorgung über Entgeltumwandlung vorziehen. Alleine die finanzielle Auswirkung spricht in vielen Fällen für die private Rente. Selbstverständlich muss jeder Einzelfall für sich berechnet und geprüft werden, damit eine qualifizierte Beratung erfolgen kann. Aber selbst wenn die Ergebnisse in einigen Einzelfällen nicht bereits aus finanzieller Sicht gegen die Entgeltumwandlung sprechen, ist auch die flexiblere Gestaltungsmöglichkeit einer privaten Vorsorge ein gewichtiges Argument.

 

Haftungsfalle fehlerhafte Beratungssoftware

Ein renommiertes Fachblatt der Versicherungswirtschaft stellte 2007 fest, dass rund 96% untersuchter bAV-Softwarelösungen fehlerhaft rechnen. Gerade verkaufsorientierte Vermittler verschließen hier oft die Augen oder sind zu Plausibilitätsprüfungen kaum in der Lage. Insbesondere sogenannte „Zertifizierungen“ sind aus Arbeitgebersicht zu hinterfragen, denn die allermeisten Anbieter besitzen weder ein Qualitätsmanagement noch eine laufende fachliche Kontrolle der Beratungstools auf Korrektheit der Berechnungen: Dies bietet für Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Möglichkeit auch bis zu 10 Jahre später, die Rückabwicklung zu verlangen – eingeschlossen den Ausgleich sämtlicher aufgelaufener Nachteile im Wege des Schadensersatzes.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.experten.de (veröffentlicht am 22.10.2007))

und

www.bi-medien.de (veröffentlicht in bauwirtschaftliche informationen GaLa Bau 10+11.2007, 10)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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