Betriebliche Altersversorgung verhindert keine Altersarmut

– Wie ab 01.07.2016 die Abfindung betriebliche Altersversorgung (bAV) gefördert wird? –

 

Ab 01.07.2016 wird die Abfindung von Versorgungszusagen auf bAV von den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung als Versorgungsbezug eingestuft, § 229 SGB V. Damit fallen weder Beiträge für Arbeitslosenversicherung noch solche für Rentenversicherung an. Das Haftungsrisiko der sogenannten Einstandspflicht motiviert zunehmend auch Arbeitgeber zur Abfindung der Mitarbeiter.

 

Gesetzgeber fördert die Abfindung der bAV in der Einkommensteuer

Bei einer Vergütung bzw. Abfindung für mehrjährige Tätigkeit sehen die §§ 19, 34 EStG einen ermäßigten Steuersatz (sogenannte Fünftelregelung) in der Einkommensteuer vor. Die Abfindung kann während der laufenden Beschäftigung, nach einem Ausscheiden aus dem Betrieb, sowie bei bereits laufendem Rentenbezug erfolgen. Nach § 3 Betriebsrentengesetz darf sie jedoch nicht im Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus dem Betrieb vereinbart werden – anderenfalls droht dem Arbeitgeber trotz heutiger Abfindung, später gleichwohl die zugesagte bAV-Leistung (abermals) zu schulden.

 

Spitzenorganisationen fügen sich mehr als 10 Jahre alter Rechtsprechung

Bisher mussten sich Arbeitgeber, welche vor Rentenbeginn die Abfindung nicht in allen Zweigen der Sozialversicherung wie normales Arbeitsentgelt behandelt hatten, mit dem Prüfdienst der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) verständigen – oder nötigenfalls vor Gericht ziehen, wenn sie die Arbeitslosen- und Rentenversicherungsbeiträge nicht bezahlen wollten.

Die Rechtsprechung gab dem sparsamen Arbeitgeber häufig Recht (Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.08.2004, Az. B 12 KR 30/03 R; BSG Urteil vom 25.04.2012, Az. B 12 KR 26/10 R; Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 24.032015, Az. L 11 R 1130/14).

 

Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze

Beiträge zur GKV und Pflegepflichtversicherung werden nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze (2016: 50.850 € p.a.) geschuldet. Wer sowieso darüber verdient, oder durch Abfindung über ein höheres Einkommen verfügt, kann sich mithin auch noch bis zu 100% des GKV-Beitrags einsparen. 

Wer die bAV-Leistungen erst später als Rente erhält, darf den GKV-Beitrag vollständig allein bezahlen – also ohne Minderung durch den sogenannten Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung. Handelt es sich beim Rentner um eine bAV-Kapitalauszahlung, wird der GKV-Beitrag auf 120 Monate verteilt.

Bis 1983 waren Rentner in der GKV beitragsfrei versichert. Im Jahre 1984 wurden 3% GKV-Beitrag eingehoben – heute sind es etwa 15,7%. In den letzten 36 Jahren stieg der Gesamt-Sozialversicherungsbeitrag von 32,4% auf 39,8%; bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (BBG).

 

Betriebliche Altersversorgung fördert die Altersarmut

Die bAV ist ein sicheres „Steuersparmodell“ für den Arbeitgeber, weil er sich die Sozialversicherung etwa bei Entgeltumwandlung spart. Für den durchschnittlichen Arbeitnehmer erweist sich diese Verlockung einer Abgabenersparnis als Bumerang im Alter, bei Krankheit sowie Arbeitslosigkeit. Denn durch die Entgeltumwandlung fallen nicht nur geringer Beiträge zur DRV, zur GKV sowie bei der Arbeitslosenversicherung an – auch die Leistungen sinken damit entsprechend dauerhaft.

Im Alter, wenn man jeden Cent benötigt, ergibt sich die gleichsam (seit 2004) doppelte Belastung durch einen GKV-Betrag auf die bAV-Auszahlung, sowie eine volle Steuerpflicht bei den Alterseinkünften. Die nachgelagerte Besteuerung zusammen mit den übrigen Effekten erweist sich nominell häufig beim Rentenbezug als Nachteil, obgleich sie als Steuersparmodell in der Gegenwart verkauft wird. 

Wer nicht der Hypothese folgen mag, dass die Verarmung der Rentner politisch gewollt war, kann eine Beraterhaftung beim Vermittler annehmen, denn es gab und gibt Alternativen: Wer auf die bAV verzichtet, und gleichwohl auf eine Geldanlage über Lebensversicherung setzen möchte, kann dies auch selbst an Stelle des Arbeitgebers umsetzen. Dann sind bei solchen privaten Rentenversicherungen, wie auch bei Leibrenten, beispielsweise mit Leibrentenbeginn im Alter von 65 Jahren, 82% der Rente völlig steuerfrei.

Bei statistisch durchschnittlicher Verweildauer von rund fünf Jahren beim gleichen Arbeitgeber, können bis zu mehr als die Hälfte der bAV-Beiträge durch Abschluss- und Verwaltungskosten gar nicht erst der Vermögensbildung gedient haben. Ein neuer Arbeitgeber ist bereits aus Haftungsgründen nicht gezwungen, den vom vormaligen Arbeitgeber ausgewählten Vertrag so weiter zu führen. Der Arbeitnehmer hat dann eine stillgelegte bAV-Versorgung – und die gute Aussicht als Rentner den früheren Arbeitgeber um eine Zuzahlung zu bitten, wenn nicht einmal die einbezahlten Beiträge am Ende zurück fließen werden. Bei andauerndem Niedrigzins erscheint dies als nahezu sicheres Ereignis. Bei den Versicherern gilt er dann als vertragsuntreu oder als Störfall.

 

Doppeltes Insolvenzrisiko durch bAV

Ein weiterer Grund auf die bAV zu verzichten, ist das Insolvenzrisiko, welches bei rund einem Prozent p.a. liegt – kumuliert über ein Arbeitnehmer- und Rentnerleben dann bei bis zu mehr als 50 %. Dieses Risiko für den Arbeitnehmer kann sich bis zu verdoppeln, denn sowohl die Insolvenz eines Versicherers, also auch die Arbeitgeberinsolvenz berührt den Arbeitnehmer. Im konkreten Einzelfall erweist sich der Pensionssicherungsverein (PSVaG) nur als teilweiser Leistungsausgleich bei der Arbeitgeberinsolvenz.

Die bAV ist häufiger faktisch ein Kredit an den Arbeitgeber, dem es gestattet wird, einen Teil des Lohnes für die eigene Arbeit erst im Alter auszubezahlen. Fällt der Arbeitgeber in Konkurs, wird auch der Insolvenzverwalter schauen, ob er auf diese Ersparnisse einen Zugriff hat, denn Arbeitnehmer sichern sich in der bAV kaum so gut wie Kreditinstitute ab. Wer besonderes Pech hat, darf zuschauen wie eine Finanzheuschrecke den Arbeitgeber aufkauft, ausweidet, ins Ausland umzieht und dort liquidiert. Dann springt nicht mal der PSVaG ein. Dies gilt auch für den Fall, dass die Beiträge zur Unterstützungskasse (UK) auf den Cayman-Inseln landen, und Post für die UK beim Timmendorfer Strandhäuschen nicht zugestellt werden kann.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.innovationundtechnik.de (veröffentlicht in Ausgabe 9/2018)

und

www.experten.de (veröffentlicht am 24.08.2018)

Link: https://www.experten.de/2018/08/24/betriebliche-altersversorgung-verhindert-keine-altersarmut/

und

www.pt-magazin.de (veröffentlicht am 26.06.2018)

Link: https://www.pt-magazin.de/de/wirtschaft/finanzen/betriebliche-altersversorgung-verhindert-keine-alt_jiu3df6m.html

und

http://ap-verlag.de (veröffentlicht am 24.06.2018)

Link: http://ap-verlag.de/betriebliche-altersversorgung-verhindert-keine-altersarmut/45111/

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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