Einlagensicherung der britischen Lebensversicherer

*von Peter Schramm, Versicherungsmathematiker und Johannes Fiala, Rechtsanwalt
Die Zeitschrift Finanztest (Ausgabe 09/2005, S.38 f.) berichtet dass bei britischen Policen ?Kein Schutz vor Pleite? bestünde, weil das Geld deutscher Kunden ?im Insolvenzfall nicht geschützt? sei. Auch angesehene Juristen im Dienste britischer Versicherer schädigen den Vertrieb durch die unrichtige Pauschalaussage ?keine Einlagensicherung?. Hier die Details: Bereits unter dem Policy Protection Act 1975 galt, daß Versicherungsnehmer weltweit als Kunden britischer Versicherer einen Schutz gegen den Verlust Ihrer Ansprüche genossen. Nach dem Fall Scher & Ackman ./. PPB aus dem Jahre 1993 (1993, 3 A II E.R. 384; A II E.R. 840) wurde durch den Policy Protection Act 1997 der Kreis der versicherten Risiken eingeschränkt. Der genannten Entscheidung lag ein Fall zu Grunde, in dem amerikanische Anwälte, Wirtschaftsprüfer und ärzte eine Entschädigung mit Erfolg beim Policy Protection Board (PPB) eingeklagt hatten. Die unmittelbare Anwendbarkeit auf Deutsche Versicherte ergibt sich auch aus der Heranziehung des Insurace Companies Act 1982, vgl. Section 1, Schedule 1 und 2. Im Jahre 2000 trat der Financial Services and Markets Act (FSMA) in Kraft: Auf seiner Basis wurde der Policy Protection Act durch den Financial Services Compensation Scheme (FSCS) mit Wirkung ab dem 01.12.2001 modifiziert. Wer sich vergewissern möchte, erhält von der FSCS den Hinweis auf die Regelung im FSA-Handbook nach ?Section 5.4., protected contracts of insurance?: Dort wird auf Policen verwiesen ?issued ? through an establishment in ? United Kingdom ? other EEA State …? In die gleiche Richtung geht eine Bestätigung der FSCS in welcher es heißt: ?…I can confirm that if a policy is issued by a UK insurer through an establishment in the UK, a policyholder in an EEA state (such as Germany) will be protected if the risk/commitment is located in Germany. However, if the policy is issued by a UK insurer through an establishment in Germany, it is only protected if the risk/commitment is in the UK. ?? Von britischer Seite wird auf ein Risiko hingewiesen: Wird die Police nicht in England ausgestellt, und liegt auch das Risiko (u.a. die versicherte Person) nicht in England, so greift der Schutz nicht ein. Im Kern wird sich ein deutscher Anleger darauf berufen müssen, dass auch das Ausstellen von ?britischen Policen? mit dem Namen des britischen Versicherers, gerade auch dann der britischen Gesellschaft zuzurechnen ist, wenn die Ausstellung durch eine Zweigniederlassung auf dem Festland erfolgt ist. Denn eine Zweigniederlassung (auch ?Branch Office? genannt) ist nicht selbstständig, also kein eigenständiges Unternehmen mit eigenständigem Vermögen, keine andere juristische Person, sondern besitzt die gleiche Geschäftsleitung und die gleichen Organe, wie die britische Gesellschaft selbst.
Dieses System der Einlagensicherung hat in zahlreichen Fällen bereits funktioniert, ist also praxiserprobt. In den allermeisten Fällen wurde nach der Zahlungseinstellung das Versicherungsgeschäft ordnungsgemäß abgewickelt (vgl. u.a. Insurance Security Watch, 2000, Ausgabe Nr. 12 vom 28.02.2000). Auf Vertriebsschulungen wird fälschlich die FSA als überwachende Behörde besonders hoch gelobt und als Garant für die Sicherheit des Versicherers dargestellt. Richtig ist, dass die liberale Einstellung zur Wirtschaft zahlreiche Zusammenbrüche von Versicherern ermöglicht ? im Unterschied dazu werden Vertriebe viel strenger überwacht. Im Zweifel wird ein Kapitalanleger jedoch, wie bei dem Fall ?Scher & Ackman ./. PPB? klagen müssen. Was die Zeitschrift Finanztest allerdings verschweigt, ist die doppelte Anspruchsgrundlage und die verbundene Staatshaftung: a) Die gesetzliche Regelung seit 2001 lässt sich durchaus anlegerfreundlich auslegen, so dass auch Policen in den Händen deutscher Anleger Einlagengesichert sein können. Vor dem Entschädigungsfall wird ? wie sonst auch ? ein Abwickler für eine insolvente Gesellschaft bestellt werden. Hier liegt die Krux darin, dass die Einlagensicherungsbehörde in der Praxis zunächst auf den Abwikkler verweisen wird, nach dem Motto ?einigen Sie sich doch mit dem Abwickler, denn Sie wissen nicht, ob wir später einen Entschädigungsfall und eine Eintrittspflicht feststellen werden?. Das FSA hat es bisher in der Praxis ? z. B. bei Equitable Life ? jeweils abgelehnt, sich in einem solchen Abwicklungsverfahren außerhalb der Insolvenz überhaupt dazu zu äußern, ob im Zweifel bestimmte Verträge geschützt sind. Und auch die Abwickler, beratende Wirtschaftsprüfer wie auch Aktuare haben in Empfehlungen für Kunden im Hinblick auf freiwillige Einigungen zur Vermeidung der Insolvenz ? z. B. den Verzicht auf oder die freiwillige Reduzierung von Garantien ? auf die Ungewissheiten der Einlagensicherung hingewiesen, die eine freiwillige Einigung günstiger erscheinen ließen.
Für eine anlegerfreundliche Auslegung der britischen Rechtslage seit 2001 spricht eine Richtlinie der EU vom 19.03.2001 zur Einlagensicherung (sogenannte mittelbare Wirkung vor Umsetzung einer EU-Richtlinie): Bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist haben Richtlinien insoweit Rechtswirkungen, als die nationalen Rechtsnormen im Wege einer “europarechtskonformen Auslegung” soweit möglich unter Beachtung der Vorgaben der Richtlinie zu interpretieren sind, um Kollisionen zwischen europarechtlichen Vorgaben und innerstaatlichem Recht zu vermeiden (sogenannte Kollisionsregeln). b) Die Europäische Union hat den Mitgliedsstaaten durch die Richtlinie 2001/17/EG vom 19.03.2001 aufgegeben, europaweit einen Gläubigerschutz bei Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen in der EU sicherzustellen: Die Frist zur innerstaatlichen Umsetzung ist am 20.04.2003 abgelaufen. Seit Ablauf weiterer zwei Jahre (also seit 20.04.2005) kann sich der Verbraucher (mangels Umsetzung in innerstaatliches Recht) unmittelbar auf die Richtlinie berufen, wenn er einen Schaden erleiden sollte.
In Deutschland ist die Staatshaftung beispielsweise wegen verspäteter Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Pauschaltouristen (fehlender Sicherungsschein) ausgeurteilt worden. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften verklagt Grossbritannien bereits wegen zeitlichem Verzug bei der Umsetzung (Az. C164/04), denn die übliche Umsetzungsfrist von zwei Jahren ist bereits abgelaufen. Aus der Nichtumsetzung folgt nach europäischem Recht regelmäßig auch ein Direktanspruch auf Schadensersatz für den Verbraucher. Vor einer Umsetzung kann sich eine unmittelbare Wirkung der EU- Richtlinie entfalten: Diese schafft aber keine Berechtigungen oder Verpflichtungen, die im Verhältnis Privater untereinander unmittelbar für oder gegen den Einzelnen wirken. Ausnahmsweise können Bürger sich aber trotzdem unmittelbar auf eine Richtlinie berufen, nämlich dann, wenn ein Mitgliedstaat die Richtlinie nicht rechtzeitig oder nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt hat und die Richtlinie Bestimmungen enthält, die so konkret formuliert sind, dass sich daraus Berechtigungen des Einzelnen eindeutig ableiten lassen. Fehlt es an einer solchen Konkretisierung und erleidet ein Einzelner nach Ablauf der Umsetzungsfrist in Folge der fehlenden oder mangelhaften Umsetzung einen Nachteil, kann er unter Umständen den Staat im Wege der Staatshaftung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Allerdings können Richtlinien, die nicht umgesetzt wurden, aus Gründen der Rechtssicherheit keine unmittelbare Wirkung unter Privaten entfalten (horizontale Direktwirkung), sondern lediglich zwischen Privaten und dem Staat, sofern der Private dadurch begünstigt wird (vertikale Direktwirkung). Aus der Nicht-Umsetzung der Richtlinie soll nach der Judikatur des EuGH dem Bürger kein Schaden erwachsen. Jüngst erweiterte der EuGH die Anwendung der Staatshaftung Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 30. September 2003 (Az. C-224/01) den Anwendungsbereich der Staatshaftung von Mitgliedstaaten erweitert. Die Entwicklung der Staatshaftung, die nicht in den Gemeinschaftsverträgen geregelt ist, geht auf die Entscheidung ?Francovich? aus dem Jahre 1991 zurück. In diesem Urteil stellte der EuGH fest, dass ein Mitgliedstaat, der gegen Gemeinschaftsrecht verstößt und dadurch einen Einzelnen in seinen Rechten verletzt, Schadensersatz leisten muss. In seiner aktuellen Entscheidung stellt der Gerichtshof nun klar, dass Mitgliedstaaten auch für solche Schäden haften, die durch ein letztinstanzliches Gericht entstanden sind. Dabei muss das Gericht einen offenkundigen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht begangen haben.
Angriffspunkt wäre u.a., dass der FSCS, würde man ihn zu Lasten in Deutschland ansässiger Bürger einschränkend auslegen, gegen die Freizügigkeit bzw. den freien Dienstleistungs- und Kapitalverkehr nach der EU-Verfassung verstoßen könnte. Weiterhin könnte ? wie in dem o.a. Fall ? beispielsweise das europarechtliche Verbot einer Diskriminierung betroffen sein.
c) Die Sicherheit britischer Lebensversicherungen folgt nicht nur aus der Einlagensicherung, sondern auch daraus, dass der Verbraucher seine Versicherung nach den Regeln des Internationalen Privatrechts nicht nur in Deutschland, sondern auch in England verklagen kann. Versichert sind insbesondere Verbraucher, die einen Versicherungsvertrag mit einer bei der Financial Services Authority (FSA) zugelassenen britischen Versicherung abgeschlossen haben. Die Versicherungspolicen müssen für den Einlagenschutz in England herausgegeben worden sein, in einigen Fällen im Europäischen Wirtschaftsraum, auf den Kanalinseln oder auf der Isle of Man.
Die Sicherung umfasst zunächst 100% der ersten 2.000 Englische Pfund, und für alle darüber hinaus gehenden Ansprüche 90%. Ansprüche bedeutet allerdings nicht sogenannte unverbindliche Hochrechnungen, auch keinen Ersatz für Wertverluste durch Inflation oder etwa eine Kompensation für gefallene Börsenkurse. Insoweit sind vielmehr die Vertragsbedingungen maßgeblich sowie die verbindlichen jährlichen Zusagen bzw. Garantien, welche eine Gesellschaft ggf. periodisch abgibt bzw. abgegeben hat Dabei gibt es jedoch keine Verpflichtung, in der Zukunft weitere Zusagen auf laufende überschussbeteiligung zu geben. Alles, was in den vergangenen Jahren nicht verbindlich zugesagt wurde, steht zur Disposition ? und dies ist bei britischen Lebensversicherungen mit traditionell geringen Garantien und hohen erst am Ende feststehenden Schlussüberschüssen ein großer Teil der potentiellen Leistung. Es ist also möglich, dass der Wert der Police auf dem heutigen Stand eingefroren und nach langen Jahren ? nach planmäßigem Ablauf der Police ? erst genau dieser Wert ohne jeden weiteren Zuwachs ausgezahlt wird. Ggf. muss der Policeninhaber sogar noch länger warten, bis die Modalitäten der Auszahlung der Kompensation feststehen, ohne dass ihm die Möglichkeit eines vorzeitigen Rückkaufs gegeben wird. Da bei britischen Polcen in aller Regel kein der Höhe nach vorab garantierter Rückkaufswert zugesagt ist, gibt es auch keine Möglichkeit, die Police in einem solchen Fall vorzeitig zurückzugeben, ohne in einem solvenzverfahren ? trotz Einlagensicherung ? einen erheblichen Wertverlust zu riskieren, sofern nicht vorübergehend ohnehin jeder Rückkauf und jede andere Auszahlung ausgeschlossen wird. Sollten dagegen in der Police ausmahmsweise einmal höhere Garantien gegeben worden sein, so rettet auch dies die Situation nicht. Denn das FSCS sieht vor, dass aufgrund des Gutachtens eines Aktuars solche ?überhöhten? Garantien und damit der Wert der Police auf ein vertretbares Maß herabgesetzt werden können, bevor überhaupt die übrigen normalen Regelungen (z. B. die 90%Grenze) des FSCS einsetzen. Versichert sind auch von der FSA zugelassene Financial Adviser, also Finanzvermittler. Für einen Vertrieb in Deutschland ist wesentlich, dass er sich im Rahmen der strengen Haftung (Plausibilitätsprüfung durch den Vermittler gemäß BGH Urteil vom 13.01.2000) über die Zulassung der Gesellschaft bei der FSA vergewissert, und über eine eventuell nötige Vertriebserlaubnis beim BaFin. Der sicherste Weg ist es für den Verbraucher, wenn die Versicherungspolice in England ausgestellt wird und der Vertragspartner (Versicherer) dort seinen Sitz hat. Doch sollte wegen der eingeschränkten Leistung des FSCS kein Vermittler alleine darauf vertrauen und unbedenklich Policen anbieten, ohne auf die doch noch gegebenen erheblichen Verlustmöglichkeiten hinzuweisen. Ratings, Finanzstärke und Ertragskraft bleiben ausschlaggebend, weil dadurch eine jedenfalls nicht schadlos überstehbare Insolvenz unwahrscheinlicher wird. Auch ist der Gedanke, Vermögen nicht bei einem Versicherer alleine zu konzentrieren, sondern zu streuen, durchaus wie bei jeder anderen Vermögensanlage naheliegend. Wahrscheinlicher als eine Insolvenz des Lebensversicherers und von den Folgen her kaum weniger unangenehm ist nämlich immer noch eine langdauernde verschlechterte Finanz- und Ertragslage, die den Versicherer vorab zu einschneidenden Maßnahmen im Hinblick auf die Vermeidung der Insolvenz zwingt. Nicht auszuschließen sogar, dass der Kunde dann bei einer echten Insolvenz und dem Eintreten des FSCS sogar besser gefahren wäre. Stand: 03.11.2005

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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