Fallen bei der Kinder-Nachversicherung

Warum Makler nicht blind Versicherungsbedingungen vertrauen dürfen: Fortsetzung der bewährten Serie von Rechtsanwalt Johannes Fiala und PKV-Experte Peter A. Schramm über häufige bzw. typische Beratungsfehler bei der Vermittlung von privaten Krankenversicherungen.

 

Nach § 193 Abs. 3 VVG ist jede Person mit Wohnsitz im Inland, die nicht in der GKV oder anderweitig gegen Krankheit abgesichert ist, verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen für sich selbst und für die von ihr gesetzlich vertretenen Personen, soweit diese nicht selbst Verträge abschließen können, eine Krankheitskostenversicherung, mit einem vorgegebenen Mindestschutz abzuschließen. Die Versicherer müssen spätestens ab der Adoption Versicherungsschutz mindestens im Basistarif gewähren, dort sogar ohne Risikozuschläge. Doch was, wenn der Basisschutz nicht zusagt?

Das Versicherungsvertragsgesetz bestimmt in § 198 zur Kindernachversicherung:

„(1) Besteht am Tag der Geburt für mindestens einen Elternteil eine Krankenversicherung, ist der Versicherer verpflichtet, dessen neugeborenes Kind ab Vollendung der Geburt ohne Risikozuschläge und Wartezeiten zu versichern, wenn die Anmeldung zur Versicherung spätestens zwei Monate nach dem Tag der Geburt rückwirkend erfolgt. Diese Verpflichtung besteht nur insoweit, als der beantragte Versicherungsschutz des Neugeborenen nicht höher und nicht umfassender als der des versicherten Elternteils ist.

(2) Der Geburt eines Kindes steht die Adoption gleich, sofern das Kind im Zeitpunkt der Adoption noch minderjährig ist. Besteht eine höhere Gefahr, ist die Vereinbarung eines Risikozuschlags höchstens bis zur einfachen Prämienhöhe zulässig.

(3) Als Voraussetzung für die Versicherung des Neugeborenen oder des Adoptivkindes kann eine Mindestversicherungsdauer des Elternteils vereinbart werden. Diese darf drei Monate nicht übersteigen.“ Damit scheint also sichergestellt, dass auch ein besserer Versicherungsschutz als im Basistarif beantragt werden kann.

Die Musterbedingungen der Krankheitskostenversicherung ergänzen dazu in § 2:

„(4) Bei Neugeborenen beginnt der Versicherungsschutz ohne Risikozuschläge und ohne Wartezeiten ab Vollendung der Geburt, wenn am Tage der Geburt ein Elternteil mindestens drei Monate beim Versicherer versichert ist und die Anmeldung zur Versicherung spätestens zwei Monate nach dem Tage der Geburt rückwirkend erfolgt. Der Versicherungsschutz darf nicht höher oder umfassender als der eines versicherten Elternteils sein.

(5) Der Geburt eines Kindes steht die Adoption gleich, sofern das Kind zum Zeitpunkt der Adoption noch minderjährig ist. Mit Rücksicht auf ein erhöhtes Risiko ist die Vereinbarung eines Risikozuschlages bis zur einfachen Beitragshöhe zulässig.“

Zur Adoption ist also praktisch nichts ergänzt, auch in aller Regel nicht im Teil II der Bedingungen. Das Adoptivkind ist also sofort mit der Adoption privat versichert, wenn es rechtzeitig angemeldet wird. Auch Vorerkrankungen sind eingeschlossen, für die zudem der erlaubte Risikozuschlag auf 100 Prozent begrenzt wird. Selbstverständlich findet dazu auch eine Risikoprüfung statt.

 

Laufende Versicherungsfälle sind ausgeschlossen

Eindeutig sagt § 2 Abs. 1 MB/KK „Für Versicherungsfälle, die vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sind, wird nicht geleistet.“ Ein solcher Versicherungsfall, für den dann ggf. sogar lebenslang nach der Adoption nicht geleistet wird, kann sehr ausgedehnt sein. Denn § 1 Abs. 2 der Musterbedingungen besagt „Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht. Muss die Heilbehandlung auf eine Krankheit oder Unfallfolge ausgedehnt werden, die mit der bisher behandelten nicht ursächlich zusammenhängt, so entsteht insoweit ein neuer Versicherungsfall.“ Wenn also vor der Adoption bereits Behandlungen wegen einer Erkrankung stattfanden, dann sind sogar lebenslang alle Folgebehandlungen solange ausgeschlossen, bis eine Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht. Eine Ausnahme stellt der Basistarif dar – hier sind gemäß § 2 seiner Bedingungen auch die bei Adoption bereits laufenden Versicherungsfälle ab dem Zeitpunkt der Adoption eingeschlossen, genau wie es in der GKV generell selbstverständlich ist.

Die Adoptionspflege ist eine Art Zwischenstufe auf dem Weg zur Adoption und dient der Annäherung von Kind und Annehmenden und der Integration in die Familie. Sie beginnt mit dem Tag, an dem die künftigen Adoptiveltern das Kind bei sich aufnehmen und endet, wenn das Familiengericht die Adoption ausspricht und der Beschluss rechtskräftig wird. Wenn das Kind mit dem Ziel der Adoption im Haushalt lebt, sind die künftigen Eltern unterhaltspflichtig und müssen auch für eine Krankenversicherung sorgen. Im Laufe der Adoptionspflegezeit können sie einen notariell beurkundeten Adoptionsantrag beim Familiengericht einreichen. Erst nach Ablauf der Adoptionspflegezeit beschließt das Gericht die Adoption. Und erst dann ist der private Krankenversicherer verpflichtet, dem Kind Versicherungsschutz zu gewähren. Vorher kann also u. U. kein privater Krankenversicherungsschutz erlangt werden oder nur zu weit ungünstigeren Bedingungen, als sie für Adoptivkinder ab Adoption vorgesehen sind. Selbstverständlich wird eine fehlende Krankenversicherung für das Jugendamt Grund genug sein, die Zustimmung zur Adoption zu verweigern.

Die gesetzliche Vertretung des Kindes liegt für die Dauer der Adoptionspflegezeit in der Regel beim Jugendamt. Und damit wird das Kind eben genau nicht von den künftigen Adoptionseltern gesetzlich vertreten, was aber Voraussetzung für die Versicherungspflicht gemäß § 193 Abs. 3 VVG wäre. Dennoch besteht eine Annahmepflicht des Versicherers wenigstens im Basistarif. Der PKV-Versicherungsmakler ist gut beraten, für seine Kunden eine zusammenfassende Fachinformation über Pflichten, insbesondere Obliegenheiten, zusammenzustellen. Nicht selten wird beispielsweise bei (Adoptiv-)-Kindern die Zweimonatsfrist für die Meldung beim PKV-Versicherer nach dem Ereignis (Geburt oder Adoption) übersehen. Sofern die Eltern verschieden versichert sind (GKV bzw. PKV) ist das (Adoptiv-)Kind, sofern mindestens das Einkommen eines Elternteils über der Pflichtversicherungsgrenze liegt, bei demjenigen mitzuversichern, der das höhere Einkommen besitzt. Dieses lässt sich freilich im Nachhinein nicht mehr (z.B. im Einvernehmen mit einem Arbeitgeber) gestalten. Problematisch ist auch, wenn sich die Einkommensverhältnisse nach der Geburt oder Adoption verschieben, weil dies nicht zu einer einfachen Nachversicherung in der PKV berechtigt.

Bereits bei Nachversicherung von Kindern beginnt der Versicherungsschutz erst mit der Vollendung der Geburt (Durchtrennung der Nabelschnur). Für behandlungsbedürftige Leistungsfälle vor Versicherungsbeginn besteht dauerhaft keine Leistungspflicht. Tritt der Versicherungsfall vor Versicherungsbeginn bei Kindern (z. B. Geburtsfehler, angeborenen Anomalien oder Erbkrankheiten) ein oder liegt ein solcher bei Adoption bereits vor, kommt es nach den MB/KK entscheidend darauf an, ob und ggf. wann die Krankheit ausgeheilt bzw. nicht mehr behandlungsbedürftig sein wird – es sei denn, der Tarif sieht hier Leistungsverbesserungen vor. Derartige Unterschiede bereits bei Vermittlung der PKV (noch ohne Kinder) nicht zu berücksichtigen kann dem Versicherungsmakler auch noch nach bis zu zehn Jahren zum Verhängnis werden.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.performance-online.de (veröffentlicht in Performance 09/2011, Seite 44-45)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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