Hanseatisches Oberverwaltungsgericht: Auch rückgedeckte Unterstützungskasse ist nicht insolvenzsicher

– Warum rückgedeckte Unterstützungskassen zur Arbeitgeberhaftung führen –

 

Das Hamburger OVG stellt in seinem Urt. v. 14.1.2010 (Az. 4 Bf 22/08) klar, dass auch bei rückgedeckten Unterstützungskassen (UK) ein im Vergleich
zu Pensionsfonds und Direktversicherungen erhöhtes Insolvenzrisiko für Arbeitnehmer besteht. Denn die Rückdeckungsversicherungen einer UK bieten
keinerlei Insolvenzschutz, sondern stellen lediglich ein Finanzierungsinstrument dar.

 

  1. Folgen einer Insolvenz des Arbeitgebers für die UK

Wenn der Arbeitgeber in der Insolvenz seine Prämienzahlungen an die UK einstellt, wird die UK regelmäßig gezwungen sein, seine Leistung
sogar unter die zugesagten Versorgungsleistungen zu reduzieren. Dann haftet der Arbeitgeber für die Differenz alleine, und bei seiner
Insolvenz muss der Pensionssicherungsverein einspringen.

Der beklagte PSVaG weist auch auf die Möglichkeit hin, dass der Arbeitgeber sogar den Rückkauf der Rückdeckungsversicherungen über die
Gremien der UK erreichen könnte, so dass dieses Deckungskapital der UK für die Arbeitnehmer verloren geht und die nun ausschließlich gegen
den Arbeitgeber gerichteten Ansprüche bei dessen Insolvenz vom PSVaG getragen werden müssen. Auch der Insolvenzverwalter kann von der UK
die Herausgabe der Rückdeckungsversicherungen verlangen, sofern etwa die Versorgungszusagen gegenüber den Arbeitnehmern widerrufen werden,
wenn eine Sanierung geplant ist (BAG, Urt. v. 29.9.2010, Az. 3 AZR 107/08).

  1. Zillmerung belastet die Versorgungszusagen des Arbeitgebers

Wenn der Arbeitgeber überraschend insolvent wird, oder Mitarbeiter nach einigen Jahren beim Arbeitgeber ausscheiden, stellen die Arbeitnehmer
regelmäßig fest, dass nur ein kleiner Bruchteil der in die UK einbezahlten Beiträge noch als Kapital zur Altersversorgung vorhanden ist.
Das ist an sich nicht schlimm, denn die Versorgungsansprüche richten sich nach der Versorgungszusage und nicht nach dem, was in einem
Finanzierungsinstrument der Unterstützungskasse – der Rückdeckungsversicherung – tatsächlich vorhanden ist.

Für den Rest haftet der Arbeitgeber und nur im Insolvenzfall des Arbeitgebers der PSVaG, eben aus dem Grunde der stets vorhandenen Arbeitgeberhaftung.

 

  1. 80 %, 90 % oder mehr für Abschluss-und Verwaltungskosten

Die Rückdeckungsverträge der Versicherer sind meist so gestaltet, dass in den ersten 12 bis 24 Monaten gar kein Deckungskapital für die UK
gebildet wird, und der Rückkaufs-wert „null“ ist oder bei weniger als der Hälfte der eingezahlten Beiträge liegt. Von diesen Beiträgen
ernähren sich Versicherer und Vermittler. Dennoch haftet der Arbeitgeber für die zugesagten Versorgungsleistungen. Problematisch aus
Haftungssicht des Arbeitgebers ist insbesondere auch eine Entgeltumwandlung über die UK, weil das Gesetz hier die Wertgleichheit mit dem
umgewandelten Entgelt verlangt.

 

  1. Keine Kongruenz zwischen Deckungskapital und Versorgungszusage

Dass das bei der UK gebildete Vermögen so gut wie nie ausreichen wird, die zusagten Versorgungen vollständig zu finanzieren, wird Arbeitnehmern
und Arbeitgebern regelmäßig verschwiegen. Denn die Versorgungszusagen sind so auf die Rückdeckungsversicherung abgestimmt, dass sie einen
ungestörten Verlauf bis zum Pensionsbeginn voraussetzen, der jedoch in der Praxis eine seltene Ausnahme darstellt. Die vom Vermittler gebotenen
hübschen Beispielsrechnungen zur Illustration, mit Renditen und Wertsteigerungen der Rückdeckungsversicherung gehen allenfalls nur mit planmäßiger
Beitragszahlung bis zum Ablauf auf – bei näherer Prüfung müssen sie aber allenfalls als Phantasiegebilde nach dem Prinzip Hoffnung gesehen werden,
weil oft mit allzu optimistischen Prognosen gerechnet wird.

 

  1. Insolvenz der UK ist nicht vom Schutz durch den PSVaG erfasst

Das OVG Hamburg stellt klar, dass die Insolvenz bzw. Zahlungsunfähigkeit der UK oder anderer Versorgungsträger in der BAV gerade nicht vom
Betriebsrentengesetz erfasst wird. In allen diesen Fällen haftet nämlich der Arbeitgeber für seine Zusage. Wird hingegen der Arbeitgeber insolvent,
ist der Anspruch des Arbeitsnehmers gegen den Arbeitgeber wirtschaftlich wertlos, und die UK kann die lediglich ohne Rechtsanspruch zugesagten
Leistungen jederzeit einstellen – etwa, wenn das infolge ausbleibender weiterer Beiträge viel zu geringe Deckungskapital aufgebraucht ist.
Die UK hat dem Einwand des fehlenden Rechtsanspruchs auch nicht mehr entgegenzusetzen, als dass dieser keine praktische Bedeutung hätte,
da ja eine rechtverbindliche Zusage des Arbeitgebers bestehe.

 

  1. Kaum Schutz für geschäftsführende Gesellschafter (GGF) und Top-Manager

Der PSVaG schützt nur die Versorgung echter Arbeitnehmer, so dass der GGF im Zweifel im Insolvenzfall buchstäblich „mit dem Ofenrohr ins Gebirge schaut“,
also leer ausgeht. Handelt es sich um Top-Manager, als echte Arbeitnehmer, wird über den PSVaG meist nur ein relativ geringer Anteil der Altersrente
im Insolvenzfall bezahlt werden, denn der PSVaG leistet nicht in beliebiger Höhe.

 

  1. UK als Finanzierungsinstrument mit aufgeschobener Insolvenz des Arbeitgebers

In der Vertriebspraxis werden Arbeitnehmern und Arbeitgebern zahlreiche Vorteile, insbesondere bei den Abgaben angepriesen. Dass jedoch
Versorgungszusagen dann leider etwa in 25 Jahren auch einzulösen sein werden, wird in der Gegenwart oft als nebensächliches Problem angesehen.
Für die Masse des Mittelstandes kommt das böse Erwachen erst spät, weil es keine Pflicht für Steuerberater gibt, die real bereits auf-getürmten
Schulden aus Versorgungszusagen in der Steuerbilanz (mit) auszuweisen.

 

  1. Haftungsmaximierung für Arbeitgeber durch Kostenmaximierung bei der UK

Den Betreibern von UK kommt es auf die Erzielung hoher Courtagen an, weshalb vielfach auch noch ein Makler in den Vertrieb eingebunden ist.
Dessen hohe Courtagen zu Lasten der Versorgung der Arbeitnehmer und bei Entgeltumwandlung von diesen finanziert, relativieren sich allerdings,
wenn man die Erkenntnis mehrere Staatsanwaltschaften berücksichtigt, dass oft auch Betriebsräte oder Geschäftsführer davon zu bestechen sind.

Dabei könnte die UK z.B. auf die Idee kommen, dass die ursprünglichen Rückdeckungsversicherungen nicht mehr optimal sind, sie kündigen und neue
mit neuer Provision abschließen. Die Mehrheit der Arbeitgeber, selbst DAX-Konzerne, haben selten irgendwelche Vorkehrungen getroffen, damit die
UK nicht durch unnötige Abschluss-und Verwaltungskosten die Arbeitgeberhaftung laufend maximiert. Doch zeichnet sich hier eine Notbremse ab,
da manches kostenlose Vertragsmuster von der Stange aus dem Versicherungsvertrieb, gestaltet von Betriebswirten unter Verstoß gegen beispielsweise
das Rechtsberatungsgesetz, zum praktikablen Ansatz für die vollständige Rückabwicklung wird, sobald der Arbeitgeber seine bisher wenig beachtete
Haftungsvielfalt erkennt.

 

  1. Keine Aufklärungspflicht der UK zu Kosten der Rückdeckungsversicherung

Den Arbeitnehmern wie auch dem Arbeitgeber wird erklärt, dass die Beiträge zu 100 % der UK zugute kommen und von dieser zu 100 % in die
Rückdeckungsversicherungen eingezahlt werden. Dass diese dann an den vermittelnden Makler einen Großteil der ersten 5 Jahresprämien jeder
einzelnen Entgeltumwandlung als Courtage zahlt, zulasten des angesammelten Versorgungsvermögens, wird hingegen verschwiegen.
Dies völlig zu Recht, denn es liegt bei der Vermittlung einer UK-Versorgung keinerlei regulierte Versicherungsvermittlung gegenüber dem
Arbeitgeber und erst recht nicht in Bezug auf den Arbeitnehmer vor. Damit entfallen alle Pflichten des Maklers wie auch des Versicherers
zur Aufklärung über die enthaltenen Kostenverrechnungen. Selbst über den laufenden Rückkaufswert jeder Versicherung muss der Versicherer
nur die UK informieren – was diese dann dem Arbeitgeber berichtet, bleibt ihr selbst überlassen. Erst versicherungsmathematische Gutachten
haben hier schon oft zu gesteigerter Transparenz und dazu geführt, dass Arbeitnehmer wie Arbeitgeber sich ihres Irrtums über die
tatsächlichen Verhältnisse bewusst wurden.

 

Von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

Veröffentlicht in AE Arbeitsrechtliche Entscheidungen, Heft 02/2013, Seite 47-48

Link: http://www.ag-arbeitsrecht.de/downloads/ae/AE-2-13Inhalt.pdf

 

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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