Keine globale Freizeichnung von Haftung durch Rating-/Analysten-Agenturen

Drei Personen sind von Ratings bzw. Analysen betroffen – der zu Beurteilende (z.B. ein Initiator) mit dem Ratingsubjekt (z.B. der Leistungsbilanz), der Beurteilende (die Ratingagentur) und die Leser/Nutzer des Ratings bzw. von Analysen. Eine Untermenge sind Rankings, bei welchen in der Regel gleichsam nur jeweils ein Kriterium untersucht wird (z.B. eine Tabelle sortiert nach Wertsteigerung, oder bestimmte Ja/Nein-Antworten).

Rating-Agenturen verwenden gerne Klauseln, die dann sinngemäß lauten “Haftungsansprüche gegen die Ratingagentur” sind grundsätzlich ausgeschlossen?

Und wie sieht es dann wirklich mit der Haftung aus?

Für das Rating, ein Ranking bzw. Analysen gelten sinngemäß die gleichen Grundsätze:
Das Gesetz stellt in § 675 II BGB klar, dass es eines vertraglichen oder deliktischen Rechtsanspruchs bedarf, denn anderenfalls wird für ?Rat, Auskunft, Empfehlung? nicht gehaftet. Somit kommen als Anspruchsgrundlage insbesondere in Frage :

  • Der Auskunfts- oder Beratungsvertrag.
  • Eine für die Richtigkeit übernommene Garantie (Garantievertrag).
  • Ein sonstiges Vertragsverhältnis.
  • Etwaige vertragsähnliche Beziehungen.

In der Regel steht die Ratingagentur in einer Vertragsbeziehung zum Initiator.

 

Haftung nach der Rechtsprechung:

Die Rechtsprechung hat bereits vor vielen Jahren geklärt, dass ein innerer Wille der Ratingagentur, für Rat und Auskunft nicht (oder nicht gegenüber Lesern/Nutzern von Ratings) einstehen zu wollen (wie vielfach im Internet und auf Druckausgaben verlautbart mit den Worten ?Trotz gewissenhafter Recherche … ohne Obligo, ohne Haftung?) unbeachtlich ist. Im Grundsatz kann also gesagt werden, dass Ratingagenturen trotz anders lautender Hinweise stets haften.

 

Freizeichnung von Haftung?

Die Ratingagentur wird zu einer ausreichend umfassenden, d.h. vollständigen und richtigen Darstellung, zur Nutzung vorhandener Erkenntnismöglichkeiten, und vor allem “zur Darstellung einer Antwort auf die Frage nach dem Grad an Unsicherheit des Ergebnisses der eigenen Begutachtung” verpflichtet sein .

 

Kardinalpflichten:

Selbst leichte Fahrlässigkeit lässt sich für die Ratingagentur kaum ausschließen, denn die ordnungsgemäße Erstellung eines Ratings nach wissenschaftlicher Methode wird zu den sogenannten Kardinalpflichten dieser Experten-Dienstleistung zählen, bei welcher ein Haftungsausschluss bereits wegen leichter Fahrlässigkeit ausscheiden kann.

 

Haftung gegenüber Lesern bzw. Nutzern von Ratings

Die Rechtsprechung entwickelte das Rechtsinstitut des “Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter” als zunächst nicht gesetzlich normierter (Teil-)-Anspruchsgrundlage . Hier wird gegenüber Personen gehaftet, mit denen gerade kein Vertrag besteht, wie es regelmäßig bei Nutzern von Ratings der Fall ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH) konstruiert eine Haftung, wenn die Auskunft oder der Rat für den Empfänger (Dritten) aus der Sicht des Beraters oder Auskunftgebers (Ratingagentur) erkennbar von erheblicher Bedeutung war , und er (der Empfänger, also der Dritte) sie zur Grundlage seiner Entscheidung (auf wirtschaftlichem, rechtlichem oder tatsächlichen Gebiet) gemacht hat. Der BGH setzt voraus, dass der Auskunftgeber oder Berater sich bewusst war, dass die Auskunft für weitere Kreise (Dritte) bedeutsam sein und zur Grundlage für Vermögensdispositionen dienen werde. Früher hat der BGH es nicht ausreichen lassen, dass der Auskunftgeber nur hätte (vielleicht) mit einer Verwendung der Auskunft gegenüber Dritten rechnen können.

Entscheidend ist heute, dass der Dritte in den sogenannten Schutzbereich des Auskunfts- oder Beratungsvertrages einbezogen worden ist. Dies ist dann der Fall, wenn nach der den beiden Vertragspartnern bekannten Absicht des Gläubigers (Empfängers der Auskunft oder Beratung) die Auskunft bzw. das Gutachten oder der Rat auch für diesen Dritten bestimmt ist. Nach Auffassung des BGH genügt es, wenn der Dritte ?der Sache nach? des Schutzes bedarf. Der Dritte braucht im Zeitpunkt der Ratingerstellung nicht namentlich oder persönlich festzustehen, muss jedoch individualisierbar sein. Die üblichen Ratings stellen ausdrücklich auf den Kunden ab. Die Ratingagentur als Schuldner (von Auskunft, Beratung, Gutachten) muss nur wissen, dass ihr Rating von dem Dritten zur Grundlage wesentlicher Entscheidungen gemacht werden soll.

Auch im vergleichbaren Fall einer Wertpapieranalyse kann die Beauftragung eines Analysten durch das Kreditinstitut einen Vertrag (mit Schutzwirkung) zugunsten Dritter, nämlich des Anlegers, darstellen , wenngleich dies zu einer unübersehbaren Haftung für den Analysten führen könnte. Wie real eine solche Haftung zumindest in den USA sein kann, zeigt die Bezahlung einer Vergleichssumme i.H.v. 100 Mio. USD durch das Bankhaus Merrill Lynch aufgrund von ?Ratings? aus der Feder des hauseigenen Star-Analysten Henry Blodget: “Aktien, die er angeblich intern als Ramsch und Schund bezeichnete, empfahl er in seinen Analysen zum Kauf. Dummerweise gingen seine E-Mails auch an die Staatsanwälte”, wie Journalisten von Spiegel-Online berichteten .

 

Versicherung von Ratings:

Ein Mitverschulden des Dritten (“Geschädigten”) scheidet üblicherweise dann aus, wenn der Dritte auf die besondere Fach- und Sachkunde des Schuldners (der Ratingagentur) verweist. Bekanntlich stellen fast alle Ratingagenturen ihre besonderen Fachkenntnisse in den Vordergrund ? eine angemessene eigene Ent-Haftungsstrategie besitzen die wenigsten.

 

Ratings aus Vermittler-Sicht:

Typisches Indiz für mangelhaftes Risikomanagement bzw. -Bewusstsein einer Ratingagentur dürften daher nutzlose Haftungsklauseln sein, wie das Beispiel “Haftungsansprüche gegen die Ratingagentur sind grundsätzlich ausgeschlossen” zeigt. Der aufgeklärte Vermittler wird sich dann fragen, ob der Rest der Arbeit dieser Agentur überhaupt das Papier wert ist, auf dem es steht? Schließlich geht es bei Ratings oft um die Frage nach Vertrauen in die Abschätzung von Risiken, als Kernkompetenz. Und wenn dies nicht mal “in eigener Angelegenheit” professionell beherrscht wird? Wenn ein Rating kein exaktes Datum der Erstellung trägt, eröffnen sich Diskussionen über die Frage, welcher Informationsstand zugrunde lag – ebenfalls ein denkbares Indiz für mangelhafte Qualität bzw. Unbrauchbarkeit für die Praxis.

Vorsicht Rating-Haftung:

Der Wert eines Ratings hängt im Schadensfall davon ab, welche Bonität die Agentur dann noch besitzt, und ob das Rating ausreichend versichert war. Ein weiteres Indiz für die Suche nach der Antwort auf die Frage nach der Seriosität, kann der eigene Umgang der Ratingagentur mit der Transparenz sein: Wurden die Geschäftsberichte ordnungsgemäß beim Handelsregister hinterlegt? Wenn die Agentur schon nicht “gelebte Transparenz” in eigener Angelegenheit beweist, wie mag es da erst bei der eigenen Arbeit, den Ratings, aussehen – fragt sich mancher Vermittler.

 

Vermittler-Tipp:

Orientieren Sie sich an der zentralen Frage nach der Bonität, vgl. § 18 KWG. Bei jeder geschlossenen Beteiligung wird ein genau arbeitender Wirtschaftsprüfer die Bonität der wichtigsten Vertragspartner unter die Lupe nehmen (z.B. eines Hauptmieters). Beim Rating steht die Frage nach der Fähigkeit für Unrichtigkeiten die Verantwortung übernehmen zu können, stets mit im Raum.

Ein Indiz für die fehlende Bereitschaft zu Verantwortung und Transparenz auf Seiten der Ratingagentur kann der Umstand sein, dass kein Name eines verantwortlichen Autors bzw. keine Unterschrift vorhanden ist. Im Unterschied dazu, werden derartige Formalien bei einem ordentlichen WP-Prospektgutachten nach IDW-S4-Standard stets vorhanden sein.
Wenn Grundlage für Entscheidungen (auch) ein Rating ist, sollte die Qualität genauso, wie die Bonität der Agentur und der zumeist nötige Versicherungsschutz hinterfragt werden. Dies sind “einfache Überlegungen” im Rahmen der Plausibilitätsprüfung.

Dem Vermittler muss dies vor allem deshalb besonders wichtig sein, denn Auftraggeber ? nach dem Motto “wer zahlt, schafft an” – sind oftmals jene Unternehmen, die sich ein günstig(er)es Bild in der Öffentlichkeit bzw. bei Anleger und Vermittler wünschen.

 

von Dr. Johannes Fiala

veröffentlicht in Süsswarenproduktion, Heft 5/2006

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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