Lohnsteuerpflichtige Nachfinanzierung betrieblicher Altersversorgung (bAV)

Wann trifft Arbeitnehmer ein doppeltes Insolvenzrisiko bei bAV und zusätzlichen Steuerlasten?

Gegenstand des BMF-Schreibens vom 6.12.2017 (IV C 5 – S 2333/17/10002; DOK 2017/0989084) ist u.a. auch die künftige Behandlung von fehlerhaft gestalteter betrieblicher Altersversorgung (bAV): Demnach sind Sonderzahlungen des Arbeitgebers bei Kalkulationsfehlern des Anbieters für Arbeitnehmer lohnsteuerpflichtig. Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden für dieses „Steuersparmodell“ also doppelt zur Kasse gebeten. Arbeitgeber und bAV-Berater geraten damit in die Regresshaftung. Auch Betriebsräte und Gewerkschaften werden dem Vorwurf der Verantwortungslosigkeit ausgesetzt.

 

Zunächst erfolgen Nachforderungen von Einzahlungen beim Arbeitgeber

Das BMF befasst sich mit dem Fall, dass die Versorgungseinrichtung aus diversen Gründen inklusive Kalkulationsfehlern, Fehlinvestitionen und Insolvenzrisiken ihre Leistungen nicht mehr erfüllen kann und vom Arbeitgeber daher Sonderzahlungen zudem anfordert. Die ausdrückliche Erwähnung verdeutlicht, dass diese Risiken bereits häufiger oder massenhaft bestehen und künftig vermehrt erwartet werden und von daher bereits Thema der Finanzverwaltung mit zunehmendem Regelungsbedarf sind.

Liegt die Ursache in Kalkulationsfehlern, so ist die Sonderzahlung lohnsteuerpflichtig.

Also wenn für einen Arbeitnehmer (AN) z.B. nur 100.000 EUR an Deckungskapital vorhanden sind und 25.000 EUR einmalig nachfinanziert werden müssen, so muss er (der AN) diesen Betrag versteuern und wohl auch Sozialabgaben darauf zahlen. Er wird für einige Monate also ggf. netto keinen Lohn erhalten, oder als Rentner für einige Jahre keine Rente. Die bAV wird für den AN zur Quelle zusätzlicher Risiken.

Walter Riester hatte die zusätzliche private Altersversorgung auf Basis der Kapitaldeckung empfohlen, während die gesetzliche Rente weiter sinkt. Es ist erstaunlich, daß Gewerkschaften hier nur zaghaft opponierten – und Betriebsräte sich für derlei Folgerisiken kaum interessierten: Schafft man sich ab? Selbst die „Firma Verdi“ traut sich nicht die „Halbierung der Rente“ binnen etwa 30 Jahren in allen Details anzusprechen; so als ob man dort den Wolf mit Kreide angefüttert hatte?

Unrealistische bAV-Beratung führt (auch) zur (Steuer-)Haftung

Wenn der Kalkulationszins zunächst korrekt war, und die Zinsen unerwartet fielen, oder aber die Lebenserwartung korrekt kalkuliert und dann gestiegen ist, ist keine Lohnsteuer fällig. Wenn indes der Kalkulationszins von Anfang an unrealistisch hoch war oder die Lebenserwartung bereits erkennbar zu niedrig angesetzt, liegt insoweit eine spätere Anpassung nicht am Niedrigzinsumfeld oder Einbruch am Kapitalmarkt oder an der Verlängerung der Lebenserwartung, sondern war von Beginn absehbar. Es stellt sich ja nur heraus, dass die Annahmen falsch waren – es handelt sich um Fehlbeträge, “die durch früher gesetzte Risiken verursacht worden sind”, wie das BMF sagt. Offenbar reichen Risiken, d.h., wer unrealistisch kalkuliert hat in der Hoffnung, dies werde schon gut gehen und nicht anders eintreten. Z.B. das Niedrigzinsumfeld werde alsbald enden, die Lebenserwartung werde geringer steigen als realistisch anzunehmen oder könnte durch Überschüsse finanziert werden, oder die Aktien würde auf alle Ewigkeit jährlich um 7 % steigen. Wer sich auf diese Weise ggf. selbst etwas vorgemacht hat, dem mag man nicht nachweisen können, dass er mit Sicherheit gewusst hat, wie sehr er daneben liegt – und ohne Prüfung nur gehofft, dass es gut gehen werde, z.B. ein Wunder geschehen. Aber er hat die Risiken gesetzt, selbst dann, wenn sie ihm nicht bewusst waren. Warum soll auch ein Vorteil darin liegen dürfen, dass man an verantwortlicher Stelle ahnungslose Idioten setzt, damit man mit den attraktivsten Angeboten den Markt abräumt, solange es geht?

 

Fehlende Überprüfung der bAV durch Mitarbeiter und Betriebsräte führt zum Insolvenz-Risiko

Wer also als Arbeitgeber nicht prüft, wie die Versorgungseinrichtung kalkuliert hat, der setzt sich nicht nur dem Risiko von Nachzahlungen aus, sondern darf u.U. auch noch Lohnsteuer und evtl. Sozialabgaben darauf zahlen und setzt ggf. auch seine AN und Betriebsrentner erheblichen finanziellen Risiken von hohen Einmalzahlungen an Lohnsteuer und Sozialabgaben aus. Dem sollten sich alle bewusst sein, die mit der bAV als zuverlässige Versorgungsform rechnen wollen. Durch diese Risiken kann die bAV selbst zur Altersarmut, Überschuldung und Insolvenz führen.

 

Haftungsfallen für die Zukunft durch den Entwurf eines BMF-Schreibens

Zunächst gibt es eine „Entwarnung“: Keine Steuerpflicht für AN tritt ein, sofern Sonderzahlungen des Arbeitgebers neben den laufenden Beiträgen und Zuwendungen erbracht werden, wenn diese

– der Wiederherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung nach unvorhersehbaren Verlusten oder
– der Finanzierung der Verstärkung der Rechnungsgrundlagen aufgrund einer unvorhersehbaren und nicht nur vorübergehenden Änderung der Verhältnisse dienen.

Der Pferdefuß dabei ist, dass Verluste häufig doch vom Anbieter vorhersehbar waren, wie man sich als Arbeitgeber, Betriebsrat, Arbeitnehmer oder Gewerkschaft mit den Details sachverständig hätte überzeugen können.

Auch die Änderung der Verhältnisse, etwa der Niedrigzins auf dem Kapitalmarkt war seit den 90er-Jahren absehbar. Wobei oft gar keine Änderung eingetreten ist, sondern die Verhältnisse sind geblieben wie sie waren, nur haben sie sich nicht wie erhofft verbessert. Damit eröffnet das BMF die Option, noch nach vielen Jahren seine Meinung zu variieren, um am Ende für fast alle Konstellationen der Nachfinanzierung noch Steuern nachzufordern.

 

Unklare Regelungen eröffnen die spätere Entscheidung für oder gegen Steuerpflicht

Der BMF bildete zwei Fallgruppen, welche in der Realität jedoch gleichzeitig zutreffend sein könnten:

„Die vorstehenden Voraussetzungen sind insbesondere beim Vorliegen folgender
Sachverhalte dem Grunde nach erfüllt:
– Einbruch am Kapitalmarkt,
– Anstieg der Invaliditätsfälle,
– gestiegene Lebenserwartung,
– Niedrigzinsumfeld.

 

Um steuerpflichtigen Arbeitslohn handelt es sich hingegen bei Sonderzahlungen, die der
Arbeitgeber an eine externe Versorgungseinrichtung der betrieblichen Altersversorgung
erbringt
– wegen Verlusten aus Einzelgeschäften oder
– bei Fehlbeträgen, die durch früher gesetzte Risiken verursacht worden sind (z.B.
Kalkulationsfehler, Insolvenzrisiken).“

 

Alternative der Enthaftung für Arbeitgeber, Betriebsrat und Mitarbeiter

Als Arbeitgeber wird man sich überlegen, ob der eigene steuerliche Berater hier in den letzten Jahrzehnten seinen Job korrekt erledigte, eingeschlossen den Hinweis auf die Unterfinanzierung, also eine finanztechnische Haftung, eingeschlossen das Insolvenzrisiko?

Daneben werden Arbeitgeber zunehmend versuchen sich durch Abfindung zu enthaften – hoffentlich ohne dass dies in eine Regresshaftung von bis zu 30 Jahren nach §§ 18 ff. BetrAVG führt, bzw. zur Haftungsfalle einer Doppelzahlung bei der bAV: Denn später ausgeschiedene Arbeitnehmer sind erfahrungsgemäß bisweilen hemmungsloser, frühere Betriebsräte und Arbeitgeber zu verklagen.

 

Wie konnte es so weit kommen, dass Arbeitgeber für die bAV als soziale Wohltat auch noch haften?

Die erste Ursache ist die Bequemlichkeit von Arbeitgeber, Arbeitnehmern und Betriebsräten. Oder der Glaube daran, dass Vermittler in der bAV wüssten was sie tun. Im Zweifel kennen diese durch Schulungen nur die (potentiellen) Vorteile einer bAV – aber bezüglich der (Haftungs-)Risiken wurden sie nicht ausgebildet. Der kritische Jurist vermutet einen Betrug in mittelbarer Täterschaft, also durch einen Vermittler der ahnungslos die besten Abschlüsse erfolgreich umsetzt, schmerzbefreit. Man hätte von Anfang an unabhängige Sachverständige einschalten müssen – damals beim Abschluß von solchen Modellen, und heute damit Sanierung und Enthaftung gelingen können.

Die zweite Ursache liegt beim Gesetzgeber: Das Betriebsrentenrecht führte den Arbeitgeber in die Haftung gemäß seiner Fürsorgepflicht und entsprechend seiner Einstandspflicht, etwa wenn ein Träger der bAV seine Leistungen herabsetzen muss – und der Arbeitgeber „nachschießen“ darf. Nun eröffnet der BMF noch „zur Strafe“ obendrein die Abgabenpflicht wenn der Arbeitgeber dies durch seine Nachfinanzierung zu sanieren versucht. Die Abfindung der Mitarbeiter – besser noch die komplette Rückabwicklung – wäre hingegen häufig ein Modell zur Ersparnis von Sozialversicherung und Einkommensteuer, sofern man dieses beherrscht. Der normale Vermittler wittert eine Provision und bietet daher die Nachfinanzierung an.

 

BAG: Haftung ist verfassungsgemäß

Das Bundesarbeitsgericht führt im Urteil vom 12.062007 – Az.: 3 ZR 14/06 aus:

„Verfassungsrecht steht der Verpflichtung der Beklagten auf Abschluss einer Vereinbarung über die Entgeltumwandlung und der daran gebundenen Durchführungspflicht nicht entgegen. …

Hinzu kommt, dass es grundsätzlich das Recht des Arbeitgebers ist, den Versicherungsträger auszuwählen … Er hat es deshalb in der Hand, weitere Maßnahmen zur Risikoverringerung zu treffen. Entscheidet sich der Arbeitgeber dafür, die Entgeltumwandlung über eine Direktversicherung abzuwickeln, gibt es nunmehr eine Absicherung über den Sicherungsfonds für die Lebensversicherer

… Eine weitere Möglichkeit für den Arbeitgeber, sein Risiko zu begrenzen, besteht darin, bei der Entgeltumwandlung nicht alle Risiken – Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung -, sondern nur das Altersrisiko der Arbeitnehmer abzudecken.“

Wer also als Arbeitgeber – zu einem vermeintlichen Mehrnutzen der Arbeitnehmer – erhöhte Risiken eingeht, macht also mehr als er riskieren müsste.

Wer ganz sicher gehen will, sagt als Arbeitgeber selbst gar nichts zu, sondern überlässt dies einer Konzernstiftung, die in eigenem Namen Betriebsrentenzusagen ganz erhalb des Betriebsrentengesetzes und damit ohne dessen Einschränkungen erteilt, für die der Arbeitgeber allenfalls freiwillig Nachzahlungen leisten darf.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung vom

Verlag C.H.BECK oHG

Redaktion “BC – Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling”

veröffentlicht in BC 1/2018

Link: http://rsw.beck.de/cms/main?docid=400321

und

www.pt-magazin.de (veröffentlicht am 27.02.2018)

Link: https://www.pt-magazin.de/de/wirtschaft/finanzen/lohnsteuerpflichtige-nachfinanzierung-betriebliche_jdxfe8wv.html

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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