Nur wer gut berät, ist gut geschützt

Kunden haben die Möglichkeit, auf eine Beratung und Dokumentation zu verzichten. In Musterprotokollen ist diese Option vermerkt. Doch dieser Hinweis ist umstritten und sollte nur in Ausnahmefällen umgesetzt werden.
Bei Musterprotokoll-Verfassern wird gerne die Klausel „Der Kunde verzichtet ausdrücklich auf eine Beratung und Dokumentation“ angeboten. Zu diesen Anbietern zählen beispielsweise Softwarehersteller (auch mit Werbung über angebliche Haftungssicherheit), Verbände, Fachautoren mit Spezialgebiet „Versicherungsmaklerrecht” – bisweilen im Anstellungsverhältnis bei einem Versicherer, Pool oder Vertrieb, Arbeitskreise mit selbstgeschaffenen Zertifizierungen (als Lizenzeinnahme-Quelle) oder Unternehmensberatungen für Versicherungsvermittler. Weit verbreitete Formular-Haftungsfalle: Wie weit verbreitet diese Formular-Haftungsfalle ist, zeigt auch die Internet- Suche unter www.google.de, wenn man Stichworte wie „Beratungsverzicht oder „Dokumentationsverzicht” eingibt. Viele Versicherungsvermittler sind dankbar für derartige Hilfestellung, allerdings nur solange sie die rechtlichen Hintergründe und ihre mögliche Haftung noch nicht kennen. Erstaunlich ist, dass renommierte Versicherer offenbar solche nichtigen Formularmuster als „zertifiziert und haftungssicher“ bewerben. Und pikant ist daran, dass teilweise sogar Juristen an derartigen Mustern oder ihrer Verbreitung mitgewirkt haben sollen. Dadurch, dass bei den meisten Musterformularen kein Hinweis auf die möglichen Risiken existiert, ist dem Versicherungsmakler die Haftung sicher und dem Juristen ein für ihn oft aussichtsloser Regress. Die gesetzliche Vorgabe für den Verzicht auf Dokumentation und Beratung: Im Gesetz heißt es wörtlich: „Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung oder die Dokumentation nach Absatz 1 nur durch gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, sofern er vom Versicherungsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadenersatzanspruch nach § 42e geltend zu machen.“ Das Problem der Vermittler lässt sich mit den folgenden Worten eines Verbandsvorstandes beschreiben: „In ein paar Jahren werden wir durch die Rechtsprechung wissen, was die Regierung mit ihren Gesetzen gemeint haben könnte.“ Seit Jahrzehnten versuchen Unternehmer, ihre Leistungspflichten und ihre Verantwortung gerne „gegen null zu schrauben“. Die Gerichte reagierten darauf mit dem § 242 BGB (Treu und Glauben). Der Gesetzgeber schuf später das AGBG (Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen). Vermittler-„Formulare und Muster“ sind solche allgemeinen Geschäftsbedingungen. Zentrale Rechtsnorm wurde damals der § 9 AGBG mit folgendem Wortlaut: § 9 Generalklausel (AGBG) (1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. (2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung n mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, oder n wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Das Schöne an dieser Rechtsnorm ist, dass sie auch gegenüber Vollkaufleuten und Unternehmern anwendbar ist. Dies bedeutet auf den Versicherungsmakler übertragen, dass er niemals „pauschal“ und erst recht nicht „durch Formulare“ die Beratung ausschließen kann. Denn der Grundgedanke des Versicherungsmaklervertrags sind die Sachwalterpflichten, als Kardinal- und Hauptpflichten. übrigens lässt sich auch die Haftung derart nicht „pauschal“ auf beispielsweise eine Million Euro begrenzen: Auch derartige Musterklauseln werden gerne verbreitet, aber auch diese sind nicht zu gebrauchen. Kein Beratungsausschluss durch Versicherungsmakler-Formulare Der Bundesgerichtshof (BGH) hat durch sein Urteil vom 20. Januar 2005 (Az. III ZR 251/04) klargestellt, dass der formularmäßige Ausschluss von Beratungspflichten unwirksam ist. Der BGH bezog sich ausdrücklich sogar im Leitsatz auf den oben genannten § 9 AGBG. Für die Versicherungsmakler-Praxis heißt das, dass alle Beratungsverzichts-Formulare ungültig sind. Und Versicherungsunternehmen, die derartige Formulare gutheißen, scheinen von den rechtlichen Grundlagen wenig Ahnung zu haben. Risiko: Ausschluss der Dokumentation Der Versicherungsmakler hat im Haftungsprozess oft nur seine Handakte zur Verfügung, die auch die Dokumentation einschließt. Auch dem noch so rechtsunkundigen Versicherungsmakler sollte der Leitsatz des Sachwalterurteils (Urteil des BGH vom 22. Mai 1985, Az.: IVa ZR 190/83) bekannt sein. Dieser lautet: „Der Versicherungsmakler ist für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten VN dessen Sachwalter; deshalb trifft ihn die Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei vertragsgerechter Erfüllung seiner Aufklärungs- und Beratungspflichten eingetreten wäre.“ Verzichtet der Versicherungsmakler also auf die Dokumentation, gefährdet er sich nur selbst, indem er auf das wichtigste Beweismittel im Haftungsprozess verzichtet. In der Praxis ist es kaum denkbar, „dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadenersatzanspruch nach § 42e geltend zu machen“. Das Gegenteil wird der Fall sein, denn ein Haftungsprozess gegen den Versicherungsmakler ohne Dokumentation wird wegen der Beweislastumkehr im Zweifel erfolgreich sein. Tipps von Versicherungsmaklern für Versicherungsmakler Auch beim Beratungsverzicht, wie auch sonst beim Versicherungsmaklervertrag, bedarf es individueller Gestaltungen und einer fundierten juristischen Schulung, um mit diesem Thema korrekt umgehen zu können. Versicherungsmakler Ralf W. Barth hierzu: „Ich frage mich, ob den Anbietern eines Dokumentationsverzichtes eigentlich klar ist, dass die Vermögensschaden- Haftpflichtversicherer nach den heute üblichen VSH-Bedingungen beim Dokumentationsverzicht im Schadensfall die Möglichkeit haben könnten, die Deckung zu verweigern.” Würde der VSH-Versicherer mangels Dokumentationen und getreu seinen VSH-Bedingungen zu Recht die Deckung im Schadensfall verweigern, so stellt sich die Frage, ob der diesen falschen Rat gebende oder entsprechende Verzichtserklärung abgebende Anbieter dafür aufkommt. Hoffentlich ist dann wenigstens er ausreichend VSH-versichert. Die Position von Versicherungsmakler Eberhard Ressel (Motivationscenter) lautet: „Der Beratungsverzicht sollte immer die absolute Ausnahme bleiben. In einer intakten Kundenbeziehung gibt es für den Makler nur eine Komplettberatung. Erst wenn er den Kunden richtig gut kennt, kann er den EU-Vermittlerrichtlinien gerecht werden. Dort heißt es, dass der Makler dem Kunden geeignete Verträge anbieten muss, die seinen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Diesem Anspruch wird der Makler nur mit einer ausgefeilten Arbeitsweise gerecht. Sollte dennoch einmal ein Beratungsverzicht vereinbart werden, sollte der Makler immer die Argumente des Kunden genauso aufschreiben, wie dieser sie formuliert hat. Wichtig sind offene Felder im Formular, in die man freie Texte schreiben kann. Diese fehlen in fast allen Formularen, sind aber aus Haftungssicht sehr wichtig! Zum Beispiel in den Formularen des Arbeitskreises Vermittlerrichtlinie fehlen diese offenen Felder komplett.” Und Versicherungsmakler Andreas Bosl vertritt folgende Ansicht: „Vor dem Dokumentations- und Beratungsverzicht sollte der Versicherungsmakler seine ,letzten Dinge’ regeln und eine vorweggenommene Erbfolge oder eine gemeinnützige Treuhandstiftung in Betracht ziehen. Denn im Schadensfall wird ihm bei nachfolgender Insolvenz kaum ein Vermögen zur freien Verfügung verbleiben.“ Versicherungsmakler Hermann Siebenhaar meint zu dem Problem: „Der Ruf nach einheitlichen Maklerverträgen führt für den Versicherungsmakler zu einer desolaten Situation – sprich Haftung. Der Ruf nach einheitlichen Protokollmustern zieht die gleichen Konsequenzen nach sich. Der Ausschluss einer Beratung, mit welchem Text auch immer, verstößt gegen die Hauptpflichten eines Versicherungsmaklers – ausgenommen hiervon sind selbstverständlich Einfirmenvertreter und Mehrfachagenten.“ Und Unternehmensberater Dr. Wolfgang Drols gibt zu bedenken: „Der Beratungsverzicht ist meines Erachtens vom Gesetzgeber nur für absolute Ausnahmefälle vorgesehen. Der bessere Schutz vor Schadensersatz ist eine gute Beratung.“
Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt (München), Mediator, geprüfter Finanz- und Anlagberater (A.F.A.), www.fiala.de
(versicherungsmagazin 9/2007, 64)
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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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