Schwarzbuch VW: Pflicht zum Risikomanagement

Wie FIFA, Microsoft, WPs, BP und die Mafia nach dem gleichen Gesetz verklagt und durch die amerikanische Brille an den Pranger gestellt werden, erklären Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm in einem mehrteiligen Beitrag.

 

Im ersten Teil ging es um den „Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act“, ein US-Bundesgesetz, das diese Art der Rechtsprechung ermöglicht. Im zweiten Teil wird die Directors-and-Officers-Versicherung unter die Lupe genommen. Der dritte Teil fokussierte das Thema Vorsatzlosigkeit – und zwar trotz Geständnis. Im Vierten wird Risikomanagement groß geschrieben:

Seit dem 01.05.1998 verpflichtet das „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ (KonTraG) bereits die Geschäftsführer von zumindest mittelgroßen GmbH´s zum Risikomanagement. Neuralgisches Fehlentwicklungspotential zur Anregung lieferte beispielsweise das Werk „Schwarzbuch VW“, sofern man persönliche (Innen-)Haftung nach deutschem Recht auch als Vorstand wirklich vermeiden wollte.

Die Erklärung als Geschäftsleiter von nichts etwas gewusst zu haben führt daher nicht zum Ziel der Enthaftung – eine Tageszeitung kommentierte die Verurteilung (LG München I, Urteil vom 10.12.2013, Az. 5HK O 1387/10) eines Finanzvorstandes zu u.a. 15 Mio. Euro Schadensersatz mit dem Titel „Organisierte Unverantwortlichkeit“: Zutreffender wäre es jedoch von unorganisierter Verantwortlichkeit zu sprechen, die mit einem Suizid des Vorstandes endete.

Verhängnisvoll könnte sich auswirken, daß ein Zulieferer von Software zur Abgasregulierung bereits 2007 vor der illegalen Verwendung gewarnt haben soll („nur zu Testzwecken“) – und die Revision erst dieses Jahr eine seit 2011 bekannte Warnung aus dem eigenen Hause vor „illegalen Praktiken im Zusammenhang mit Abgaswerten“ dem Aufsichtsrat zur Kenntnis gebracht haben sollen. Dies wären Hinweise auf existenzgefährdendes Organisationsverschulden in der Kommunikation.

Es gibt in großen Unternehmen jede Menge an Wichtigtuern und Bedenkenträgern. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass Sie sich ihrer Sache selbst nicht sicher sind, sie auch nicht weiter verfolgen, und es bei einer einmaligen Meldung belassen. Es ist ein absolut sinnvoller Test, die Ernsthaftigkeit ihrer Bedenken dadurch festzustellen, dass man ihnen zeigt, dass man sie nicht ernst nimmt. Wer ernsthaft bemüht ist, wird sich dadurch nicht abschrecken lassen, und die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Jedenfalls wäre es unsinnig, jeder solchen Meldung mit Intensität nachzugehen.

 

Marketing statt Rechtsberatung?

Gewiss ist es vertrauenserweckender für VW, wenn jemand vorsätzlich dafür verantwortlich ist, der nun beseitigt ist, als wenn herauskäme, dass VW überall exportiert, obwohl VW vielleicht nur ahnungslos war, welche rechtlichen Risiken dort damit eingegangen werden. Mancher Konzern musste seinen Mitarbeitern nachträglich ein Reiseverbot auferlegen, weil im Ausland mit Verhaftung oder Auslieferung zu rechnen gewesen wäre.

Soll man den Aktionären sagen, dass man ganz ahnungslos dort hineingeraten ist und dies überall immer wieder passieren kann – eventuell auch schlimmer? Da ist es doch besser, man präsentiert den Schuldigen – lässt ihn zurücktreten, und verfährt mit weiteren „Verantwortlichen“ ebenso. Zurück bleibt ein gesäubertes Unternehmen, dem man trauen kann.

 

Nachbesserung beim Diesel-Komplott?

Die Ankündigung der Industrie, bei den Diesel-Schadstoffen „nachzubessern“ kommentierte ein Kanadischer Chemie-Professor (ohne VW-Aktien-Eigenbesitz) mit den Worten „kannste vergessen“ – und begründet dies damit, dass es Jahre an Entwicklungsarbeit bedeuten dürfte und die angepriesenen Vorteile des Dieselmotors dann auf der Strecke bleiben würden. Der Energie-Experte Franz Alt verweist auf die WHO und allein in Europa hunderttausende Todesfälle durch Feinstaub, eingeschlossen solche mit vorheriger Gehirnschrumpfung und Herzerkrankung beim Menschen.

 

Erlaubte Abgasmanipulation in der EU – Nichterlaubtes in den USA?

Ein Vorstand der Kfz-Industrie meinte jüngst: „Wir halten uns grundsätzlich an die gesetzlichen Vorgaben und haben keinerlei Manipulationen an unseren Fahrzeugen vorgenommen“ – und weiter: „Ein Defeat Device, sprich eine Funktion, die die Wirksamkeit der Abgasnachbehandlung unzulässig einschränkt, kommt bei [Marke] nicht zum Einsatz.“

Kein Defeat Defice ist mithin ein Aggregat und Software, welches die Abgasreinigung lediglich so wie zulässig einschränkt.

Die Abgrenzung ist aber nach der Stellungnahme der Bundesregierung kaum in den Griff zu bekommen. Es handelt sich letztlich um eine Rechtsfrage, wann eine solche Technik erlaubt ist. Vermutlich unterlag man als deutscher Autobauer in USA einem Rechtsirrtum – vielleicht ist es aber auch ein Irrtum, zu glauben, dass man etwas Verbotenes getan hätte. Die Behauptung, nur zulässig die Abgasreinigung eingeschränkt zu haben ist nicht lediglich eine technische Aussage, sondern eine Rechtsansicht oder eine Absichtserklärung, dass man die Gesetze so einhalten will, wie man sie versteht.

 

Existenzvernichtung durch Rechtsirrtümer der Geschäftsleitung?

Die Existenz ganzer Branchen baut auf dem Glauben, dass irgendeine wacklige rechtliche Einschätzung, von der man abhängig ist, halten würde. Früher hatte der Bundesgerichtshof (BGH) dann einen „existenzvernichtenden Eingriff“ untersucht – heute heißt der zutreffende Terminus dann „vorsätzliche sittenwidrige Schädigung“. Dabei hat der BGH zu Lasten der Geschäftsleitung wiederholt und auch in Strafverfahren entschieden, dass an rechtsirrige Gutachten von Juristen allerhöchste kaum erfüllbare Anforderungen zu stellen sind, wenn sie am Ende als Entschuldigung herhalten sollen.

Und zudem hat die Geschäftsleitung auch alle finanziellen Risiken jederzeit zu kennen, nach gerade solche die man aus der Bilanz nicht ablesen kann (BGH, Versäumnisurteil vom 1906.2012, Az. II ZR 243/11). Dies schließt natürlich unversicherte sowie nicht versicherbare Risiken, wie Vorsatz und den RICO Act mit ein. Nur soweit man die Risiken aufgrund eigener Kapitalausstattung selbst tragen kann, braucht es mithin auch keine Versicherungsdeckung.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.experten.de (veröffentlicht am 30.06.2017)

 

 

 

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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