Steuerhinterziehung durch Nettopolicen-Vermittlung

Existenzvernichtung durch Haftung für Versicherungs- und Umsatzsteuer?

 

Seit einem Urteil des VG Frankfurt am Main wurden Verstöße von Vermittlern gegen das Provisionsabgabe-verbot durch die BaFin nicht mehr verfolgt, doch aufsichtsrechtlich sind Versicherer daran noch immer gebunden. Provisionen können beim Sachversicherungsgeschäft bis zu mehr als 38 Prozent der Erstprämie betragen.

 

So liegt es für Vermittler und Honorarberater nahe, die Versicherungsdeckung „netto“ ohne einkalkulierte Provision dem Versicherungsnehmer zu verschaffen, und sich dafür selbst und weitgehend frei von Stornohaftung eine Vergütung vom Kunden versprechen zu lassen. Dies eröffnet der Steuerhinterziehung in der Praxis vielfach Tür und Tor.

 

Beratung durch Steuerberater schützt vor Strafe nicht

Die Hinterziehung von Steuern und Abgaben gehört zum Alltag, auch im Versicherungsvertrieb. Ein Dauerbrenner, beispielsweise bei der Umsatzsteuer, ist der über Overhead bezahlte Maklerbetreuer. Zur Umsatzsteuerpflicht kommt es, weil regelmäßig keine Vermittlung mit Endkundenkontakt erfolgt, und damit dann vielfach die Umsatzsteuerfreiheit nicht nachgewiesen werden kann.

Der geländegängige Steuerberater wird dann typischerweise unter den Jahresabschluss für die Steuererklärung schreiben, dass „die materielle Prüfung der Ansätze“ nicht Gegenstand seines Auftrages gewesen war. Für den Vertriebsmitarbeiter geht es am Ende um eine Steuerhaftung für bis zu mehr als 10 Jahre, zuzüglich Zinsen und Strafen. Die saubere Dokumentation in den eigenen Akten und rechtssichere Deklaration gegenüber dem Finanzamt hätte am Ende vielleicht weniger als die Hälfte gekostet. Zudem wird das Gewerbeamt später noch eine Unzuverlässigkeit feststellen, und die Zulassung beispielsweise als Versicherungsvermittler entziehen.

Nicht minder gefährlich sind Drückerkolonnen in Großraumbüros, mit der Aufgabe bestimmte PKV-Kundenlisten abzutelefonieren, ohne dass für diese Scheinselbständigen eine Anmeldung bei der Sozialversicherung erfolgt ist. Mancher Vertriebsvorstand beim Versicherer hat derartige Büros mit Millionen bevorschusst, um dann in der Insolvenz des Vertriebs mit dem Ofenrohr ins Gebirge blicken zu können.

 

Versicherungssteuer bei Honorarvermittlung von Nettotarifen

Bei der Versicherungssteuer kommt es nicht auf den versicherungsrechtlichen Begriff der Versicherung an. So fallen auch Modelle anderweitiger gegenseitiger Deckung in gemeinsamen “Töpfen”, wie sie zur Prämieneinsparung eingesetzt werden, darunter. Berechnet der Versicherer das Honorar selbst und zieht es neben der Prämie – mit einer separaten Honorarvereinbarung – ein, so ist es völlig unstrittig, dass dies auch der Versicherungssteuer unterfällt.

 

Regelmäßig fällt Versicherungssteuer oder Umsatzsteuer an

Wenn auf ein nur vom Vermittler berechnetes Erfolgshonorar für die Vermittlung weder Umsatzsteuer noch Versicherungssteuer berechnet wird, ist fraglich ob dies legitim ist? Es könnte sich um eine sogenannte “Umgehung” handeln – steuerrechtlich sind dies Gestaltungen, die rein nach dem Wortlaut des Gesetzes zur gewünschten Wirkung – hier der Versicherungssteuerfreiheit – führen würden, dies aber letztlich nicht bewirken, weil sie im wesentlichen keinen anderen wirtschaftlichen Hintergrund haben als den, Steuern einzusparen.

In § 42 Abgabenordnung (AO) heißt es dazu u.a. „Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. … Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt.“ Gestaltungen zur Umgehung der Versicherungssteuer werden absehbar nicht anerkannt und es wird nicht nur eine Steuernachzahlung fällig, sondern es handelt sich auch um Steuerhinterziehung.

Besonders kritisch als mögliche Umgehung sind Modelle zu sehen, bei denen es eine Tarifprämie mit voller Provisionszahlung gibt, aber wahlweise auch der sonst gleiche Tarif mit niedrigerer oder ohne eingerechnete Provision gewählt werden kann, wobei dann der Vermittler diese oder ein entsprechendes ggf. auch geringeres Honorar vermeintlich versicherungssteuerfrei direkt mit dem Versicherungsnehmer vereinbart. Den Versicherer, der derart gestaltbare Produkte bereitstellt, mag dann noch der Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung treffen.

Mehrwertsteuer bei Provisionsverrechnung für „Beratung auf Abruf“?

Eine weitere Fußangel ist die Frage, ob es sich bei der vom Versicherungsnehmer bezahlten Vergütung um eine solche für Honorarerfolgsvermittlung oder für Honorarversicherungsberatung handelt. Bei schlichter Steuer- oder Versicherungsberatung fällt regelmäßig Umsatzsteuer an. Kreative Vermittler vereinbarten mit ihren Kunden, dass die vom Versicherer bezahlte Provision oder Courtage auf Zeitbasis oder als Pauschalen für künftige Kundenberatungen später abgegolten wird.

Die kreative Gestaltung kann zum zusätzlichen Anfall von Mehrwertsteuer führen – bzw. zu deren Hinterziehung mit der Folge, dass morgens die Steuerfahndung Aktenordner und Festplatten beschlagnahmt.

Später kann die BaFin eine Abwicklung derartiger Geschäftsmodelle verfügen, wenn das Kundenguthaben länger als ein Jahr ordentlich verbucht wurde, denn dies käme einem bankmäßigen Einlagengeschäft gleich. Zudem könnten Privatkunden versuchen das komplette Guthaben heraus zu verlangen, denn Honorarberatung ist den Versicherungsmaklern bisher nur gegenüber Nichtverbrauchern gestattet, § 34d GewO.

 

Steuerschuldnerschaft und Steuerhaftung

Der Versicherungsnehmer schuldet dem Finanzamt die unrechtmäßig nicht erhobene Versicherungssteuer, Vermittler und Versicherer haften daneben. Versicherungsnehmern (VN) ist zu empfehlen, bei solchen Vereinbarungen zur Vermittlung von Nettopolicen darauf zu achten, dass entweder eine Versicherungssteuer (VersSt) auf das Honorar eingerechnet ist, oder aber der Vermittler sich verpflichtet, diese ggf. später zu übernehmen und den VN davon freizustellen.

Dies vor einem Vertragsabschluss, oder auch bei laufenden Verträgen außer Lebens- und Krankenversicherungen.

Erfahrene Kaufleute unter den VN werden zur Freistellung auch eine Kreditsicherheit wünschen. Ferner empfiehlt es sich, eine Beratung ausdrücklich gemäß § 6 VVG direkt beim Versicherer (VR) einzuholen wegen der Frage, ob eine VersSt-Pflicht für die gezahlten Honorare besteht, und wie sich der VN verhalten soll.

Da eine Antwort auf eine einfache Frage nur eine unverbindliche Wissenserklärung wäre, kommt es darauf an, ausdrücklich eine Beratung nach § 6 VVG für die eigene Entscheidung zu verlangen, denn dafür haftet der Versicherer. Dazu wäre auch anzufragen, ob ggf. der Versicherer darauf verzichtet, die VersSt. beim VN nach zu erheben, sollte er sie selbst zahlen müssen.

Gleichzeitig könnte der künftige VN dem Vermittler, wie auch dem Versicherer ankündigen, dass er beim Bundeszentralamt (BZA) für Steuern eine verbindliche Auskunft einholen wird, sollte das Ergebnis der Stellungnahme nicht zufriedenstellend sein.

Eher findet man allerdings das Gegenteil: der Versicherer verlangt bei Nettotarifen eine Erklärung des VN, dass dieser später die VersSt alleine trägt. Der Staatsanwalt wird solche Erklärungen dann als Beweis verwerten, dass der VN die gesetzwidrige mögliche Steuerhinterziehung bewusst in Kauf genommen und damit (bedingt) vorsätzlich gehandelt hat – und beim Versicherer und Vermittler als Beweis der Beihilfe dazu.

Zumal wenn allseits auf die naheliegende klärende Anfrage beim Bundeszentralamt für Steuern verzichtet wurde, wird nach gängiger Strafrechtsprechung keiner der Beteiligten damit noch eine Chance haben, einen unvermeidbaren Rechtsirrtum auch nur ansatzweise glaubhaft zu machen.

 

Fragliche Qualität der Modellanbieter?

Vermittler, die sich der Honorarberatung widmen wollen, und von entsprechenden Konzeptanbietern und Vertrieben mit Nettopolicen angesprochen werden, sollten vom Vertrieb eine entsprechende Freistellung für eine etwaige Versicherungssteuer- und Umsatzsteuernachforderung verlangen, oder nachweisbar vom Versicherer, ferner für die Kosten rechtlicher Vertretung in Steuersachen inkl. z. B. in Steuerstrafverfahren wegen hinterzogener Versicherungssteuer, sowie für Strafen und Bußgelder deswegen.

Die üblichen Bedingungen in der Rechtsschutz- und Vermögenschadenhaftpflichtversicherung des Vermittlers werden hier keine Deckung bieten.

Die Einholung einer verbindlichen Auskunft beim BZA Steuern ist hilfreich – daher sollte man als Vermittler den Vertrieb fragen, zu welchem Ergebnis denn eine solche naheliegende Anfrage beim BZA Steuern geführt hat. Wurde nicht mal angefragt, hilft dies schon mal, die Qualität solcher Modellanbieter besser zu beurteilen.

 

Risiken und Nebenwirkungen

Bei bis zu mehr als 10 Jahren steuerlicher Haftung können sich erhebliche Summen auftürmen. Handelt es sich um mehr als 50 TEUR, und bis zu 100 TEUR an Hinterziehung, kommt neben einer Geldstrafe auch eine Freiheitsstrafe zur Bewährung in Frage. Je nach Landschaft genügen sechsstellige Hinterziehungsbeträge, damit eine Freiheitsstrafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wird – mit einem Provisionsvolumen ab 500 TEUR innerhalb von 10 Jahren ist man also als Kandidat für Unterbringung auf Staatskosten dabei.

Die kostenpflichtige verbindliche Auskunft durch Finanzbehörden ist der einzig empfehlenswerte Weg, wenn eine Gestaltung bereits einen grenzwertigen Anschein haben könnte. Wer sich auf irgendein sogenanntes „Steuergutachten“ verlassen möchte, muss zwingend überprüfen (lassen), ob die Begutachtung fachlich und inhaltlich rund ein Dutzend rechtlicher Voraussetzungen erfüllt, damit man sich später gegenüber Steuerbehörden und Strafjustiz darauf mit Erfolg wegen „unvermeidbarem Rechtsirrtum“ berufen könnte. Anderenfalls wird jeder Fachmann sagen, dass dieser Irrtum nicht strafbefreiend zählt, weil er vermeidbar war.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.experten.de (veröffentlicht am 03.12.2014)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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