Tafelpapiere garantieren bis Ende 2016 die Steuerfreiheit – oder Steuerhinterziehung-Deluxe

– Welche Schlupflöcher der Gesetzgeber dem Anleger weiterhin steuerfrei ermöglicht –

Seit Jahrzehnten ist es Brauch, dass zahlreiche Kapitalanleger ihre Wertpapiere in effektiven Stücken in einem Bankschließfach lagern. Grund ist für die ältere Generation eine Kriegserfahrung, damit man notfalls etwa Rentenpapiere und Aktien jederzeit abholen kann und dann im Koffer mit sich führt – beispielsweise für ein Auswandern im Zug nach Theresienstadt oder mit dem Schiff in Richtung Kanada. In Deutschland verlieren solche Tafelpapiere zum Ende des Jahres 2016 die Handelbarkeit, indem diese Effekten gesetzliche für kraftlos erklärt werden. Der Gesetzgeber zwingt Anleger über § 358 Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) zur Einlieferung in ein Wertpapierdepot mit Sammelverwahrung. Auch Luxembourg hat eine ähnliche Regelung geschaffen. Indes gibt es Ausweichmöglichkeiten – insbesondere über das Ausland.

 

Lösungen aus Liechtenstein oder Delaware

Man kann solche Wertpapiere aber auch in einen oder zum besseren Handeln mehrere Liechtensteiner Lebensversicherungs-Mäntel einbringen, dann gehören sie dem Versicherer (VR) und man besitzt sie nur noch über den Versicherungsvertrag. Anschließend kann man die Versicherungen wie ein Tafelpapier im Zweitmarkt an andere private Investoren verkaufen, ohne dass der VR davon erfahren muss. Die Erträge kann jeder dann sogar über Policendarlehen völlig steuerfrei herausziehen, was steuerlich absolut legal gestaltbar ist.

Vermittler oder Kreditinstitute können auch gleich Fondsanteile über LV-Mäntel kaufen und die LV-Mäntel dann quasi als Tafelpapier veräußern. Gerne auch an eine Briefkastenfirma in Delaware, wo die ausländischen Erträge steuerfrei sind.

 

Vorbild für solche Konstruktionen sind erprobte Konstruktionen zur ganz legalen Steuervermeidung, indem etwa spanische Immobilien auf Briefkastenfirmen übertragen werden, um Abgaben beim Verkauf von Immobilien zu vermeiden – es wird ja dann nur eine Briefkastenfirma angeboten und übertragen. Dies hat auch in der EU im Aus- und Inland eine Jahrzehnte lange Tradition, indem bis heute Oligarchen und Mafia-Angehörige über Briefkastenfirmen ihre Immobilien halten, bisweilen steuerlich völlig legal. Steuermann solche Gestaltungen sind meist Bankberater, heute etwa arabischer oder russischer Kundschaft – denn seit einigen Jahren sind Amerikaner ein Tabu, so dass deren steuerneutrales Geld in dortig heimische Steueroasen abwanderte.

 

Finanz- und Anlageberater als Vermittler ohne notwendige Zulassung?

Den Lebensversicherungs-Mantel nennt der Fachmann „Insurance-Wrapper“. Während die Vermittlung eines neuen LV-Wrappers etwa aus Liechtenstein oder von den Bermudas reguliert ist, mit Meldungen ans deutsche Finanzamt, entweder durch den Vermittler, oder den VR – gibt es keine Meldepflicht und auch kein Zulassungspflicht für den Handel mit solchen „gebrauchten“ Policen. Im besten Fall ist diese Police gerade mal einen Tag alt und nach Maß für den sofortigen Weiterverkauf nach Wunsch abgeschlossen. Beim Handel mit gebrauchten Lebensversicherungen handelt sich weder um Versicherungsvermittlung noch ist eine gebrauchte Lebensversicherung ein Kapitalanlageprodukt gemäß Kreditwesengesetz (KWG).

 

Wenn aber ein Dritter (z.B. eine Briefkastenfirma des Vermittlers) einen LV-Wrapper abschließt, mit Einzahlung von 1 EUR und z.B. beliebigen späteren Zuzahlungen des Käufers der Police, oder z.B. mit 10.000 EUR bereits fondsgebunden einzahlt, dann kann er diesen Wrapper unreguliert verkaufen, als gebraucht, genauso als würde er seine gebrauchte Hilti – hergestellt in Liechtenstein – verkaufen, er braucht daher auch keinerlei Zulassung als Versicherungsvermittler oder Finanzvermittler.

Er übergibt den Versicherungsschein und tritt alle Rechte ab, ohne dass es der VR erfährt. Dem sagt er nur z.B., dass es ein Treuhänder verwaltet, ggf. von Beginn an. Der Versicherungsschein (VS) ist auch in Deutschland gesetzlich als reines Inhaberpapier gestaltbar, also geht dies sogar auch direkt als Tafelgeschäft. Dies ist vielleicht ein Beweis dafür, dass entweder vom Gesetzgeber bewusst offene Scheunentore gelassen wurden – oder aber mancher Autor von Gesetzen mit der Materie überfordert war?

 

Versicherungsschein als Inhaberpapier oder als Legitimationspapier?

Sparbücher gelten als „qualifiziertes Legitimationspapier“ – eine Auszahlung des Kreditinstituts an den Inhaber kann – soweit vertraglich geschuldet – schuldbefreiend für die Bank erfolgen, § 808 I 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dies gilt entsprechend für den Versicherungsschein nach § 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) – auch hier darf der VR an den Inhaber vertraglich geschuldete Leistungen schuldbefreiend auszahlen. Auch für Kündigungen legitimieren solche Dokumente.

 

Haben Bank oder Versicherer einen Kontoinhaber oder VN in den Akten, könnten sie jedoch auch die Auszahlung verweigern, bis ihnen nachgewiesen ist, dass die Forderung auf Auszahlung ordnungsgemäß durch Abtretung auf jene Person übergegangen ist, welche Sparbuch oder Versicherungsschein (sogenanntes Rektapapier) nun vorlegt. Den § 808 BGB könnten zur eigenen Sicherheit die Kunden der Finanzhäuser abbedingen – was jedoch regelmäßig versäumt wird. Es kann aber auch das Gegenteil vertraglich vereinbart werden – und damit wird das Sparbuch und die Lebensversicherungspolice „fungibel“, also verkehrsfähig und handelbar – ganz ohne Meldung an die Bank und das Versicherungsunternehmen. Niemand anderes weis dann wem das Vermögen gerade gehört, und niemand kann wissen, ob eine Steuerpflicht im Inland besteht.

 

Briefkastenfirma – auch aus der EU – ab 300 US-Dollar für Jedermann?

Die funktioniert analog so wie bei einer Briefkastenfirma – nur mit Inhaberaktien – aus Zypern oder Panama. Die Aktien können theoretisch jederzeit den Besitzer wechseln, mit oder ohne Eigentumsübertragung – dies auch rückwirkend, je nach Darstellung durch den kreativen Hinterziehungsberater. Eine Briefkastenfirma, und der vielleicht preiswertere Lebensversicherungs-Mantel im eigenen Tresor im Keller oder bei der Bank gemietet kann somit in Zukunft jederzeit ein Ersatz für Tafelgeschäfte für jegliche Finanzanlagen in Fonds u.a. darstellen.

 

Die „Steueroptimierung“ kostet am Ende eben ein „Schutzgeld“, zahlbar an eine der dafür weltweit bekannten bis zu mehr als 1.000 Kanzleien im In- oder Ausland, schätzungsweise ab etwas mehr als 300 US-Dollar p.a. – aber ansonsten hat sich faktisch fast nichts geändert. Der § 358 KAGB hat allenfalls die Wirkung, dass Schließfächer geräumt werden, damit andere dort künftig Goldbarren lagern – oder man selbst seine (vorläufig eigenen) Inhaberaktien zur Briefkastenfirma bringt, anstatt diese hinter dem Wohnzimmerschrank später suchen zu müssen.

 

Das eigentliche Problem ist, wie man dann noch das Ziel erreicht sein Vermögen vor dem Zugriff von Gläubigern zu schützen – was man Vermögensschutz oder „Asset-Protection“ nennt. Dies erfordert – wie im Bank- und Versicherungsrecht – komplexe Gestaltungen, welche der Versicherungsvermittler oder Bankberater glaubt zu beherrschen. Dies erweist sich regelmäßig – wie bei Steuerthemen – als pure Hochstapelei. Internationales Steuer- und Versicherungsrecht ist in 300 USD nicht enthalten.

 

Rasterfahndung durch die Finanzaufsicht

Zudem unterfallen Banken und Versicherungen der Finanzaufsicht – somit kann sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in diesem Rahmen ausnahmslos alle Unterlagen z.B. zu Briefkastenfirmen geben lassen, nur um etwa offiziell zu prüfen, ob denn die Institute ihren Verpflichtungen zur Geldwäscheprävention nachgegangen sind. Die BaFin wird die gewonnenen Daten zwar nicht direkt ans Finanzamt weitergeben, die Institute aber in jedem von ihr erkannten konkreten Einzelfall auffordern, ihren Pflichten zur Verdachtsmeldung nachzukommen, ansonsten die Entlassung der Vorstände fordern. Auf diese Weise bleibt die Vermittlung einer Briefkastenfirma durch beaufsichtigte Institute nicht verborgen.

 

Hingegen ist eine solche „Rasterfahndung“ bei Anwälten ausgeschlossen, ebenso bei der erlaubten Vermittlung von Gebrauchtpolicen ohne Vermittlerzulassung. Jegliche Aufsicht stellt hier ein fragwürdiges Qualitätskriterium dar. Es sollte reichen, dass der Versicherer der Tafelpapierpolice beaufsichtigt ist, denn wenn er den Inhaber der Police nicht weis, schadet die Aufsicht nichts.

 

Steuerhinterziehung mit Tafelpapieren seit Jahrzehnten folgenlos

Ein Juwelier hat in einer Großstadt sein Geschäftskonto bei einer Privatbank. Gleichwohl löst er ausgewählte Schecks von Kunden bar an der Kasse der Bank ein – ein Service, so wie wenn ein kirchlicher Würdenträger mit Tafelpapieren vorbei schaut. Gebucht wird dies auf einem Sammelkonto, dem Conto-pro-Diverse (CpD). Dieses übersehen Betriebsprüfer gerne, denn dies zu untersuchen wäre ebenso arbeitsaufwendig, wie das Fremdgeldkonto der Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater zu durchforsten – es fehlt schlicht die Zeit, oder das Personal. Auch die Karriere des Prüfers könnte ins Stadium „EDEKA“ (Ende der Karriere) geraten, wenn man auf illegale Parteispenden oder unversteuerte Beraterhonorare von Politkern treffen würde.

 

Der Juwelier verschwindet aus der Schalterhalle, nach der Scheckeinlösung mit dem Bargeld am Vormittag – am Nachmittag möchte er zu seinem Safe, um dort die Police einzulagern, welche er sich beim Versicherer um die Ecke gerade eingekauft hat, in der (heute trügerischen) Hoffnung auf Verjährung ab Beträgen von 50 TEUR und mehr an hinterzogenen Steuern. Gesetzliche Regelungen gibt es – der Vollzug scheitert, nicht nur wenn zu eifrige Fahnder aus dem Verkehr gezogen werden.

 

Früher gab es Séparées im Ausland – heute die Schwarzgeldkasse im Inland

Vermögende reisten früher ins Ausland für den exquisiten Service. Heute reisen die Bankberater zu den Kunden – natürlich nicht mehr mit verschlüsselten Computern im „Schwarzgeld-Express“ von Zürich nach München per Bahn. Kein BKA hat jemals das diskrete „Darknet“ des Internet wirklich geknackt, wo man Drogen, Waffen, Menschenhandel und Schwarzgeld abhandelt. Der Profi-Banker hat seine Zugangsdaten im Kopf und findet beim Weinbauern vor Ort einen x-beliebigen Computer zur Einwahl in die Bank- oder Versicherungszentrale – im Ausland. Massenhaft unterhalten ausländische Banken im Inland, so heißt es – als Service, Auszahlungsstellen mit Bargeld, für die Abwicklung von Ein- und Auszahlungen. Service bedeutet dann auch kurze Wege zum Kunden. Niemand der noch bei Sinnen ist würde Schwarzgeld über die Grenze transportieren – dafür gibt es diskretere Wege. Gewiss ist, dass es keinen Ort gibt der so sicher ist für die Aufbewahrung von Schwarzgeld wie inländische Finanzhäuser, also Banken und Versicherungen. Denn die BaFin, als Aufsichtsbehörde hat so verschwiegen zu sein wie jeder Demente – und der Finanzverwaltung fehlt das Personal.

 

Daher empfehlen nachgerade ausländische Finanzberater inländische Finanzhäuser heute zunehmend als prädestiniert als Geldversteck. Deutschland ein Steuerparadies? Wer sich darauf nicht verlassen möchte wählt die geopolitische Vermögenstreuung, also auch das Ausland.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.kapitalschutz-vertraulich.de (veröffentlicht in Kapitalschutz-vertraulich, Strategiepapier 20/16 am 29.07.2016)

und

www.experten.de (veröffentlicht am 27.07.2016 unter der Überschrift: Tafelpapiere: Schlupflöcher für Anleger)

Link: http://www.experten.de/2016/07/27/tafelpapiere-schlupfloecher-fuer-anleger/

und

www.kapitalschutz-vertraulich.de

(veröffentlicht in Kapitalschutz-vertraulich, Ausgabe 09/2016, Seite 2-3 unter der Überschrift: Achtung! Effektive Stücke und Tafelpapiere werden zum 31.12.2016 für kraftlos erklärt)

 

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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