UK der bAV kann Insolvenzmasse dauerhaft mindern

Vor dem Insolvenzverwalter sind Vermögen geschützt – bei einem Todesfall sieht die Sache anders aus: Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 08.12.2016, Az. IX ZR 257/15) entschied, dass der allgemeine und insolvenzunabhängige Verzicht auf Herausgabe des (Rest-)Vermögens einer Unterstützungskasse (UK) zur betrieblichen Altersversorgung (bAV) wirksam sein kann. Im entschiedenen Fall waren mehr als 860 TEUR als Dotierung an die UK bezahlt worden – nach gut drei Jahren der UK-Rentenzahlung verstarb der Geschäftsleiter. Ob ein Restvermögen vorhanden war, blieb indes fraglich, denn ein Anspruch der Arbeitgeberin darauf bestand jedenfalls nicht.

 

Versicherungen sind eine kollektive Veranstaltung

Der Geschäftsleiter hatte in drei Jahren bis zu seinem Tod nur rund 130 TEUR an Renten erhalten. Dem Insolvenzverwalter der Arbeitgeberin verweigerte der BGH den Zugriff auf das vermeintliche Restvermögen bei der UK zur Sanierung bzw. Gläubigerbefriedigung. Der Insolvenzverwalter hatte sich den Rat eines Aktuars erspart, denn dieser hätte ihm sofort erklärt, dass die Dotationsmittel vollständig verbraucht, weil für eine Rentenversicherung mit Hinterbliebenenleistungen verwendet worden waren.

Im Todesfall des Geschäftsleiters weist die Rentenversicherung keinen Rückkaufswert aus. Lediglich der Wert für die Hinterbliebenenrente ist beim Tod noch vorhanden, aber auch hier kein Rückkaufswert – dies mangels Kündigungsmöglichkeit. Die Argumentation des Insolvenzverwalters lief ins Leere und war bereits nach den Urteilsgründen erkennbar unberechtigt gewesen.

 

Satzung und Leistungsplan entscheiden bei der bAV über Unterstützungskasse

Die Witwe bekam nach dem Tode des Geschäftsleisters von der UK eine Versorgung in Höhe von rund 53 Prozent der ursprünglichen Rente des Geschäftsleiters. Der BGH stellte zunächst fest, dass mit Insolvenzeröffnung der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Arbeitgeberin und der UK gesetzlich beendet war; §§ 115, 116 InsO.

 

Korrekte Geldverwendung zur Auftragsausführung

Nur wenn die UK (oder ein Treuhänder) das „zur Auftragsausführung“ erhaltene Geld vollständig und auftragsgemäß verwendet hat, ist der Herausgabeanspruch erloschen, § 667 Fall 1 BGB: Hier hatte die UK zur Rückdeckung Lebensversicherungen eingekauft – damit kam auch keine Absonderung oder (Ersatz-)Aussonderung mehr in Frage, denn die Dotierung war bestimmungsgemäß verausgabt.

Sehen Satzung und Leistungsplan einer UK keinen Anspruch der Arbeitgeberin auf Auszahlung des Rückkaufswertes vor, so kann der Insolvenzverwalter auf die Rückdeckung der UK nicht zugreifen (BAG, Urteil vom 29.09.2010, Az. 3 AZR 107/08).

Liegt der Fall anders – etwa wegen häufig anzutreffender fehlerhafter Verwendung oder abweichender Satzung mit Versorgungsordnung – so genügt ein Titel gegenüber der Arbeitgeberin, um auch bei der UK das dort vorhandene Vermögen unmittelbar zu pfänden, eingeschlossen etwaige  Gestaltungsrechte. Soweit die UK empfangene Geldmittel nicht auftragsgemäß verwendete, hat sie diese „gemäß § 667 BGB nach Beendigung des Auftrags zurück zu gewähren“.

 

Verzicht auf Herausgabe erlangter Vermögenswerte

Die UK kann jedoch mit der Arbeitgeberin vereinbaren, dass auf alles was „aus der Auftragsdurchführung“ an Vermögenswerten erlangt wird, allgemein und von Anfang an verzichtet wird, § 667 Fall 2 BGB. Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist auf Gesellschafts- und Vereinsrecht nicht anwendbar, § 310 VI 1 BGB. Daher erfolgt nur eine beschränkte Inhaltskontrolle, §§ 242, 315 BGB.

Die UK-Satzung war nach Auffassung des BGH weder willkürlich noch unbillig, § 242 BGB:

 

„Die Klausel nimmt ausdrücklich Ansprüche auf Übertragung des gebildeten Kassenvermögens auf andere Versorgungseinrichtungen sowie die Rückforderung von Zuwendungen aus, die aufgrund eines Irrtums geleistet worden sind.“

Nachgerade dies eröffnet der Arbeitgeberin sowie dem Insolvenzverwalter mittelbar das Ziel zu erreichen, den „Schatz in der UK“ zu heben. Der Insolvenzverwalter zog es vor zu klagen – anstatt sinnvoll(er) gemäß Satzung und Leistungsplan die Verhältnisse für die Zukunft zu gestalten.

Das Gericht meint, dass die UK auch nach Insolvenzeröffnung ihren Auftrag (z.B. die Rentenzahlung) „vollständig durchzuführen“ habe, und dieser Auftrag nach §§ 115, 116 InsO nicht wegfällt, denn durch wirksamen Ausschluss der Herausgabepflicht nach § 667 BGB, besitzt der Geschäftsbesorgungsvertrag mit der UK keinen ausreichenden Bezug zur Insolvenzmasse (mehr).

 

Keine Schenkungsanfechtung wegen Verzicht auf Herausgabe

Der BGH vermag auch keine Schenkung an die UK zu erkennen, denn die UK hatte sich verpflichtet „als Dritter gemäß § 267 BGB“ die von der Arbeitgeberin zugesagte Altersversorgung zu erbringen, § 134 InsO. Ob eine teilweise Unentgeltlichkeit vorliegt, wurde nach den Urteilsgründen nicht geprüft, weil der klagende Insolvenzverwalter „zu den Wertverhältnissen nichts vorgetragen“ hatte. „Zu anderen Anfechtungstatbeständen hat der Kläger nichts vorgetragen“, stellt der BGH in der Begründung klar.

Vorhanden sein bei der UK könnte auch etwas aus der Geschäftsbesorgung Erlangtes, was bis in die Gegenwart dann auch Teil des Kassenvermögens geworden sein mag. Ob derartiges vorhanden ist, wurde aber auch nicht geprüft, weil der Verzicht auf diese Herausgabe wirksam sei. Ohnehin fehlte auch der weitere versicherungsfachliche Vortrag des Insolvenzverwalters: dies könnten z.B. an die UK ausgezahlte dort einbehaltene Überschüsse oder Kostenerstattungen des VR sein. Hinzu kommen denkbare Kickbacks und der UK nicht zustehende Provisionen, welche sich nach Satzung und Leistungsplan am Ende als potentielle Vermögensdelikte erweisen könnten.

Hingegen liegt die Vorstellung, dass von der ursprünglichen Dotation nach Rentenzahlungen die Differenz (zwischen Dotierung einerseits und weitaus geringeren Rentenzahlungen andererseits) übrig sei, neben der Sache. Diese Mittel „erben“ die anderen Rentner – so sind Rentenversicherungen kalkuliert, weil sie eine kollektive Veranstaltung sind.

 

Gefahr fehlender Kreditsicherheit bezüglich Witwen und Waisen

Nicht immer denken die Geschäftsleiter daran, sich ein Pfandrecht an den Vermögenswerten in „ihrer UK“ einräumen zu lassen, und dessen Wirksamkeit nach Prüfung zu dokumentieren. Gelegentlich gehen beispielsweise Witwen – trotz Versorgungszusage – nach dem Tode des Geschäftsleiters allein deshalb leer aus, weil eine einzige Verpfändung nicht ausreicht, wenn die Witwe die Erbschaft wegen Überschuldung ausschlagen muss oder etwa ein anderes Familienmitglied Erbe wird. Fallen Forderung (auf Rente) und Pfandrecht (im Erbgang) auseinander, so erlischt das Pfandrecht unmittelbar. Werden Kinder, also künftige (potentielle) Waisen begünstigt, kann die Wirksamkeit von der Mitwirkung eines Pflegers abhängen, §§ 1909 ff. BGB.

Die regelmäßige Prüfung der Kapitalanlagen der UK bietet sich auch deshalb an, weil manche UK bereits konkursreif wurde – oder die Post plötzlich als „unbekannt verzogen“ zurückkam.

 

Trennung von der bAV-Unterstützungskasse?

Die rund 40 Milliarden Euro Deckungsmittel in Unterstützungskassen belasten den Arbeitgeber regelmäßig mit „doppelten“ Verwaltungskosten – einmal bei der UK selbst, und zudem bei den Kapitalanlagen – etwa in Lebensversicherungen. Wird das bei der UK gebildete Vermögen auf einen anderen Träger der bAV übertragen, und dem Mitarbeiter keine Abfindungsoption eingeräumt, so löst dies keine Lohnsteuer aus (BFH, Urteil vom 18.08.2016, Az. VI R 18/13). Jener Verstorbene, dessen Firma als Arbeitgeberin mehr als 860 TEUR Dotierung erbrachte, wird sich vielleicht im Grabe umdrehen, wenn nachträglich die Einsicht folgt, dass ohne Not die bAV als Steuerverlagerungsmodell gewählt wurde, jedoch damit das Vermögen für die Erben im Todesfall unnötig vermindert wurde.

Der Geschäftsleiter hätte die Ersparnisse zur Versorgung in eine familiennahe Stiftung einbringen können. Alternativ hätte die bAV auch als vererbliche Vermögensmasse gestaltet werden können.

Man sollte sich schon Gedanken machen, ob irgendjemand im Todesfall von aufgewendeten Beträgen etwas bekommen soll. Auch dafür gibt es Lösungen, denn die GmbH hätte als Arbeitgeberin dazu auch eine fallende Risikolebensversicherung abschließen können – für einen Bruchteil des Kostenaufwandes. Meist zeigen sich dann im Leistungsfall die Beratungsfehler des Vermittlers und gegebenenfalls die Beratungsdefizite des Versicherers. Dies baden dann die Erben aus, wenn es bei der Gestaltung keine eigenen qualifizierten (Honorar-)Berater gegeben hatte.

Am Ende war die Beratung dann wegen Provisionen nicht umsonst – aber zunächst wegen eines Unverständnis beim Vermittler und seinem Kunden schlicht vergebens gewesen. Das Vermögen für die Dotierung ist nicht weg, es hat nur jemand anderes bekommen – eine selten als gewünscht dokumentierte Tatsache, und damit auch ein guter Einstieg in die Frage nach Schadensersatz von der UK, dem VR sowie Vermittler.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A: Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.experten.de (veröffentlicht am 13.02.2017)

 

Link: https://www.experten.de/2017/02/13/uk-der-bav-kann-insolvenzmasse-dauerhaft-mindern/

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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