Vermittler- und Vertriebsrecht: Kostenlose Muster und Formulare sind keine haftungsfreien Gefälligkeiten

– Pools, Vertriebe, Verbände, Versicherer in der Regress-Haftungsfalle ? –
*von Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt (München), MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Lehrbeauftragter für Bürgerliches und Versicherungsrecht (BA Heidenheim, Univ. of Cooperative Education), (www.fiala.de) und Hermann Siebenhaar, Versicherungsmakler sowie Unternehmensberater für Risiko- und Pensionsmanagement (Neutraubling), gerichtlich bestellter Gutachter, Lehrbeauftragter (Univ. of Cooperative Education), Einzelhandelskaufmann (www.hermannsiebenhaar. de)
Alles nur Gefälligkeiten?
Studenten lernen, was Gefälligkeiten sind – diese besitzen den Charme, dass „für nichts“ gehaftet wird, § 675 II BGB. Voraussetzungen sind insbesondere: a) Es liegt kein Geschäftsbesorgungsvertrag vor, § 675 BGB. b) Es gibt keinen Rechtsbindungswillen – daher reine Gefälligkeit. Aber es kommt nicht auf den „inneren“ Willen an „nicht haften zu wollen“, sondern auf den „objektiv erkennbaren Willen“, also den Empfängerhorizont, §§ 133, 157 BGB. Beispiele, die manchen Finanzvermittler vor Schadensersatz und Haftung bewahrt haben, sind Anlageberater, die innerhalb von Familie bzw. engem Freundeskreis (falsch !) beraten hatten.
Doch keinesfalls haftungsfreie Gefälligkeiten !
Beim objektiv erkennbaren Willen kommt es auf Indizien an. Typische Indizien sind: Wert der Sache wirtschaftliche Bedeutung Interessen des Begünstigten Ausmaß der Risiken bei fehlerhafter Leistung eigenes wirtschaftliches oder rechtliches Interesse des Handelnden Gefälligkeit des täglichen Lebens (Ratschläge, Hilfeleistung). Ergo: Hat der Auskunftsgeber (Pool, usw.) ein eigenes wirtschaftliches Interesse, oder ist er (nur angeblich?) besonders sachkundig (Vertriebsleiter?), so kommt ein Auskunftsvertrag (auch stillschweigend !) zustande: Die Haftung ist dem Auskunftsgeber damit sicher – keinesfalls handelt es sich um einen haftungsfreien „Alltagsrat“ !
Die Rechtsprechung fasst hier drei Fallgruppen zusammen, bei welchen gehaftet wird:
Die Auskunft ist für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung, weil er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will. Sachkunde des Informierenden. Eigenes wirtschaftliches Interesse des Informierenden. Fallbezogen: Hat der Rat große Bedeutung für den Auftraggeber; der Wert der anvertrauten Sache war hoch; oder es liegt eigenes wirtschaftliches Interesse des Vertragspartners vor, so kommt eben keine Gefälligkeit in Frage: Sonnenklar ist, dass Vertriebe, Versicherer, Pools und Verbände eigene Interessen besitzen – Verbände und Pools u.a. wegen freundlicher „Spenden“ vom Versicherer (Sponsoring). Zwischenergebnis: Die „geheimen Mächte“, welche die „kostenlosen Formulare steuern“ haben eigene wirtschaftliche Interessen – die Haftung ist ihnen daher wohl auch sicher ! übrigens kommt es nicht darauf an, dass der „Rat“ bzw. das „Musterformular“ kostenlos bereitgestellt wurden. Die (vorgespiegelte) Sachkunde bzw. das wirtschaftliche Interesse der Person, die solche Formulare bereit stellt, genügt vollauf für die komplette Haftung. Denn es handelt sich nicht um eine „gesellschaftliche Veranstaltung“ (BGH, Urteil vom 16-10-1990 – XI ZR 165/88) sondern klare (auch eigene) wirtschaftliche Interessen.
Beispiel einer Versicherungshaftung:
Auch Versicherungen haften für unzureichende Information von Anlageberatern, die beispielsweise die Finanzierung einer Kapitallebensversicherung durch Kredit propagierten: Zinsspekulation – BGH, Urteil vom 9.7.98 in: BB 1998, 1763: Ein Anlagevermittler hatte zusammen mit einer Versicherung ein Renditeprojekt dem Kläger vermittelt, wonach mit einem Kredit einer Schweizer Bank eine Lebensversicherung über 1,5 Mio DM finanziert werden sollte. Im Ergebnis hatte der Kläger am Ende 277.000 DM Verlust gemacht, die er von der Versicherung verlangt. Sie hatte ihn nicht darüber aufgeklärt, dass der Plan nur rentabel sein würde, wenn der Kreditzins maximal 5,75 % betragen würde. Tatsächlich betrug er 6,5 %. Er sank auch in der Folgezeit nicht. Dazu der BGH: Auch wenn die Versicherung nicht das gesamte Projekt allein gesteuert hat, so haftet sie zusammen mit dem Anlageberater wegen fehlerhafter Aufklärung über die Risiken des Geschäfts.
Auch die Marketinghaftung kann eingreifen:
Genauso ergeht es jenen Vermittlern (und Arbeitgebern) gemeinsam mit ihrem Träger der betrieblichen Altersversorgung, wenn sie ihr Angebot sinngemäß als „das beste auf dem Markt“ offerieren. Wie will ein Pool, Versicherer, Vertrieb oder Vermittler nachweisen, welcher Tarif renditemäßig und passend zum Einkommen und Vermögen des Arbeitnehmers „das Beste“ ist ? Im Zweifel geraten nicht nur Versicherer (vgl. u.a. Urteil des OLG Celle vom 13.09.2007) auch in eine Erfüllungshaftung.
Und wie haftet der Rechtsanwalt?
Der Anwalt, der sich vollmundig von „Pool, Vertrieb, Verband, Versicherer“ als Urheber/ Autor des Vertragsmusters benennen lässt (Wissen bzw. Duldung genügt !), haftet gegenüber allen Verwendern, ähnlich einem Gutachter – selbst wenn auch er „kostenlos“ tätig war. In der Regel ist er unterversichert, denn dessen gesetzliche Mindestversicherung (250 TEUR) reicht kaum aus, etwa 1000 Pool-Mitglieder, oder 5000 Software-Nutzer „angemessen“ abzusichern. Ergo sei der Verdacht erlaubt, dass solche „Experten“ entweder unserös erscheinen und/oder ihre Verantwortung nicht kennen. Der „einfache“ Vermittler wiegt sich indes in Sicherheit: Eine vorprogrammierte „Pleite“?
Hinzu kommt die Experten-Haftung:
Sie trifft Anwälte, Wirtschaftsprüfer und Jura-Professoren, welche als Sachkenner angesehen werden – deren „Werbung“ für Produkte und/oder Produktgeber gewerblicher Art ist in der Regel nicht versichert, ja zumeist nicht versicherbar. Entdeckt also jemand derlei „Vertrauenswerbung“ genügt eine „Bonitätsauskunft“ um zu erkennen, dass eine Haftung/Verantwortung kein Geld bringt – allenfalls zur Existenzvernichtung der „fahrlässi-gen Auskunftsperson“ führen könnte. Typisch sind Testate „diese Software ist EU-VRL konform“ oder „unser VSH-Konzept ist hafungsssicher“ etc. : Nahezu jedweder Vorbehalt beim Pool, insbesondere dass es sich „nur“ um ein Vertragsmuster handelt, werden von Richtern nur selten Gehör finden. Faktisch sind dies also „wenig seriöse Marketing-Gags“ bzw. die Dokumentvorlagen für kundige Experten echte „Muster ohne wirtschaftlichen Wert“.
Jeder kann Experte werden – und damit persönlich mit dem Privatvermögen haften:
Neben den beruflichen „Experten“ gibt es auch die Situation, dass man „persönliches Vertrauen“ in Anspruch nimmt, indem man sich beispielsweise als „Spezialist bzw. grosser Zampano“ hinstellt; in der bAV-Vermittlung wohl die Regel: Haftung analog § 177 BGB. Noch dreister sind manche Schulungs- und Vertriebsleiter: Gewissenlos werden Halbwahrheiten vermittelt, wichtige Knackpunkte vergessen – man will ja den Verkäufer nicht beunruhigen. Derartige falsche Anleitungen gelten regelmäßig als „vorsätzliche sittenwidrige Schädigung“: Haftung nach § 826 BGB – und für diese gibt es üblicherweise keinerlei Deckung in irgend einer Vermögenschadenhaftpflicht-Police, spätestens wenn eine Straftat festgestellt wird.
Folgerung: Pools, Vertriebe, Verbände und Versicherer in der Haftung !
Folglich haften diese „Marktteilnehmer“, denn von eine „Gefälligkeit“ kann rechtlich keine Rede sein, auch wenn alle „Muster ohne Wert“ kostenlos verbreitet werden. Der Anwalt des Vermittlers wird raten „dann erheben wir mal Feststellungsklage für die künftigen Schäden, bevor etwas verjähren kann …“.
Praxis-Beispiel: JURA-Professoren haften für „Unsinn“?
Ein Jura-Professor lässt sich in einem Produkt-Flyer zitieren mit u.a. den Worten „Ich bin der festen überzeugung, dass die XXX ein Konzept entwickelt hat, das nicht nur zukunftsweisend ist, das nicht nur Qualität enthält, sondern das auch weitgehende und intensive Kontrollen enthält. Das sind die Gründe, warum ich mich persönlich in diesem Bereich engagiere ….“. Nunmehr ist XXX pleite, die Initiatoren im „Knast“, der Professor mehrfach verklagt (zumindest hat der noch eine pfändbare Pension) – mal sehen, ob und wie er mit dem pfändungsfreien Existenzminimum zurecht kommen würde. Er ist nicht mal „Prospektverantwortlicher“ sondern „nur“ Garant als beruflicher Experte, und in diese Liga gehören laut BGH neben Anwälten und Wirtschaftsprüfern, auch Versicherungsmakler !
Praxis-Ratschläge:
a) Pools, Vertriebe, Verbände und Versicherer sollten sich nicht von Pseudo-Maklern (auch bei der eigenen VSH-Absicherung) bedienen lassen – die Pleite könnte vorprogrammiert sein, und die Durchgriffs- bzw. Managerhaftung das Privatvermögen „vernichten“. Risikomanagement ist erforderlich – auch dieses bei den Geschäftspartnern abzuprüfen.
b) Unseriöse und vor allem unversicherte Marktteilnehmer gilt es als „Hochstapler“ zu erkennen, und „abzusondern“ – allein der Imageschaden wäre viel zu teuer für eine Toleranz gegenüber intransparenten Ratgebern, insbesondere ohne zureichende Absicherung.
(experten.de (03.12.2007))
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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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