Versicherungspflicht in der der KV? Teil 1

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat sich am 15.07.2015 zur ausländischen privaten Krankenversicherung (PKV) geäußert; eingeschlossen beachtliche Rechtsirrtümer.

 

„Und sag ja nur nicht von einer Sache: “Ich werde dies morgen tun”, außer (du fügst hinzu): “Wenn Gott will.” Und gedenke deines Herrn, wenn du es vergißt, und sag: “Vielleicht leitet mich mein Herr zu etwas, was dem rechten Ausweg näher kommt als dies.” (Qur’an 18: 23-24)

 

Irrtümer über die Pflegeversicherung

Die BaFin behauptet:

„Nach Maßgabe des § 23 Absätze 1 und 2 des Elften Sozialgesetzbuchs müssen sich privat Krankenversicherte bei einem privaten Versicherungsunternehmen auch gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit versichern. Dies gilt jedoch grundsätzlich nur, wenn der abgeschlossene Krankenversicherungsvertrag der Versicherungspflicht nach § 193 Absatz 3 Satz 1 VVG auch tatsächlich genügt. Eine private Pflegeversicherung wird von EWR-Dienstleistern nach Kenntnis der BaFin nicht angeboten. Sie muss daher gesondert bei einem deutschen Krankenversicherer abgeschlossen werden. Diese sind verpflichtet, mit den Personen, die laut Gesetz eine Pflegeversicherung haben müssen, auf Antrag einen solchen Vertrag abzuschließen – aber eben nur mit diesen.

Wenn jemand einen Krankenversicherungsvertrag mit einem EWR-Dienstleister abgeschlossen hat, sind deutsche Krankenversicherer also nur dann gezwungen, mit ihm eine private Pflegepflichtversicherung abzuschließen, wenn der Vertrag mit dem EWR-Dienstleister den Vorschriften des § 193 Absatz 3 Satz 1 VVG entspricht. Ist das nicht der Fall, so kann der deutsche Versicherer, bei dem eine Aufnahme in die Pflegepflichtversicherung begehrt wird, den Antrag ablehnen.“

 

 

Diese Aussage ist erstens bereits nach § SGB XI unzutreffend, denn es reicht gem. § 110 SGB XI, dass die KV im Krankenhaus (KH) Regelleistungen anbietet, damit jedes die Pflegeversicherung (PV) anbietende Unternehmen mit dem Kunden auf dessen Antrag eine private Pflegepflichtversicherung (PPV) abschließen muss – die PKV muss nicht auch die strengeren Anforderungen des § 193 Abs. 3 VVG erfüllen. Denn in § 110 Abs. 3 SGB XI heißt es

übereinstimmend mit § 23 Abs. 1 SGB XI „Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen … oder die der Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes genügen“.

Und zweitens ist die Aussage falsch, weil der Kunde gemäß § 23 Abs. 1 SGB XI nur bei seinem eigenen Unternehmen zur PPV verpflichtet ist, also ihn keine Pflicht trifft, wenn seine PKV gar keine PPV anbietet. Er kann, muss aber nicht, woanders einen Antrag stellen, der dann dort anzunehmen ist, bereits wenn seine PKV nur Regelleistungen im KH anbietet und sonst nichts. Dies ergibt sich klar aus dem Wortlaut von § 23 Abs. 1 und 2 SGB XI:

  • „Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen oder im Rahmen von Versicherungsverträgen, die der Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes genügen, versichert sind, sind vorbehaltlich des Absatzes 2 verpflichtet, bei diesem Unternehmen zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abzuschließen und aufrechtzuerhalten.
  • Der Vertrag nach Absatz 1 kann auch bei einem anderen privaten Versicherungsunternehmen abgeschlossen werden. …“

 

Irrtum über die Versicherungspflicht

Die BaFin meint weiterhin:

„Verträge, die mit EWR-Dienstleistern zur Erfüllung der Versicherungspflicht geschlossen werden, unterliegen deutschem Recht.“

Denn der Vertrag muss ja nicht (und ist ggf. dafür auch gar nicht geeignet) die Versicherungspflicht erfüllen. Ein Vertrag, der lediglich abgeschlossen wird in der Meinung, damit die Versicherungspflicht zu erfüllen, dies aber nicht leistet, unterliegt eben nicht zwangsläufig deutschem Recht. Dennoch muss dieser Kunde mit einem solchen Vertrag keine Versicherung abschließen, die die Versicherungspflicht erfüllt. Denn gem. § 193 Abs. 3 VVG gilt:

Die Pflicht nach Satz 1 besteht nicht für Personen, die:

  1. in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert oder versicherungspflichtig sind oder
  2. Anspruch auf freie Heilfürsorge haben, beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche
  3. haben im Umfang der jeweiligen Berechtigung …“ “

Es reicht also ein vergleichbarer Anspruch, damit eine Versicherungspflicht gar nicht erst entsteht. Damit ist die gesamte Ausgangsbasis der BaFin dann letztlich ohne Fundament und damit hinfällig.

 

Irrtum über die Anwendbarkeit des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG)

Die BaFin glaubt zudem:

„Am 1. Januar 2016 tritt das neue VAG in Kraft. Dann gilt die Einschränkung nicht mehr, dass das VAG nur dann Anwendung findet, wenn EWR-Dienstleister in Deutschland über Mittelspersonen tätig werden. Künftig wird die Geschäftstätigkeit der EWR-Dienstleister unabhängig vom Vertriebsweg – also davon, ob sie Mittelspersonen einbeziehen oder nicht – in den Anwendungsbereich des neuen VAG und damit in die Zuständigkeit der BaFin fallen.“

 

Dies gilt jedoch für Versicherer aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) nicht, wenn der Vertrag auf dem Korrespondenzweg zustande gekommen ist, ohne dass das EWR-Unternehmen überhaupt grenzüberschreitend in Deutschland seine Dienstleistungen anbietet, dazu auch gar nicht hier angemeldet ist. Denn dann wird es sich ja gar nicht formal um einen EWR-Dienstleister handeln, sondern schlicht um einen ausländischen Versicherer im Ausland und ohne Bezug zu Deutschland. Außerdem greift diese neue Regelung jedenfalls auch dann nicht, wenn der Vertrag mit einer PKV außerhalb des EWR – dann stets nur auf dem Korrespondenzweg – zustande kommt, zum Beispiel aus der Schweiz oder aus Dubai.

Bereits nach dem internationalen Privatrecht in der EU, Art. 3 ROM-I-Verordnung (VO) besitzen EU-Bürger grundsätzlich eine freie Rechtswahl, etwa das Recht des Vatikan in der PKV zu wählen. Allerdings ist diese Wahlfreiheit zum Schutze des Versicherungsnehmers (VN) unter bestimmten Umständen eingeschränkt, so dass nach Art. 7 ROM-I-VO das (Versicherungsvertrags-)Recht am Risiko-Belegenheitsort zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses automatisch gilt, beispielsweise jenes, wo sich der gewöhnliche Aufenthalt des VN befindet. Bei mehreren Wohnsitzen entscheidet – wie im internationalen Steuerrecht mit regelmäßiger Pflicht das Welteinkommen zu versteuern – der Lebensmittelpunkt, mit vorrangig persönlichen Anknüpfungspunkten (z.B. wo lebt die Ehefrau) und nachrangig wirtschaftlichen Indizien (z.B. Ort der Einkommensquellen).

Allerdings kann auch eine Statutenspaltung vorzunehmen sein, wenn sich mehrere Risiken an verschiedenen Orten befinden, so dass jedes Risiko kollisionsrechtlich wie ein eigener Vertrag behandelt wird, sofern keine nach Art. 7 III ROM-I-VO mögliche und wirksame Rechtswahl getroffen wurde (VersR 2008, 443 ff.). Und bei Pflichtversicherungsverträgen gilt die einleuchtende Regel, dass bei diesen das Recht des Staates gilt, der die Versicherungspflicht vorschreibt, allerdings nur dann wenn der jeweilige Staat dies ausdrücklich vorgeschrieben hat, Art. 7 IVa, IVb ROM-I-VO. In der hiesigen PPV muss der VN dennoch aufgenommen werden, wenn er will.

 

Korrespondenzversicherung bleibt legal möglich

In § 61 (1) VAG n.F. (bisher 110a VAG) ist schlicht bei Dienstleistungsverkehr der Zusatz „über Mittelsleute“ entfallen, das ist alles, und gilt nur für EWR-Versicherer. Unternehmen außerhalb des EWR dürfen in Deutschland ohnehin nur über Niederlassungen tätig werden, sonst gar nicht – doch versichern dort darf sich auf dem Korrespondenzweg jeder. Auch ein EWR-VR kann weiterhin Verträge mit VN in Deutschland über den Korrespondenzweg abschließen. Dazu heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 61 VAG:

„Die Korrespondenzversicherung, bei der die im Inland ansässige Person auf eigene Initiative Versicherungsschutz bei einem gebietsfremden Versicherungsunternehmen sucht, bleibt (im Einklang mit der Position Deutschlands im Rahmen des Code of Liberalisation of Current Invisible Operations 2013 der OECD) nicht erlaubnispflichtig.“

Auf jeden Fall aber gilt gem. § 57 VAG n.F., dass es für die Risikobelegenheit in der KV darauf ankommt, wo der VN seinen Sitz oder Aufenthalt hat. Verträge jedes ausländischen Versicherers (VR) mit einem VN im eigenen Land (einem Verein z.B.), wonach sich Personen in Deutschland (D) dann als Versicherte Person (VP) „anmelden“ können (denn versichert werden sie vom VN), fallen nicht unter Tätigkeit des VR in D, also nicht unter das VAG. Auch stellt die Anwerbung der VP für den VN keine Versicherungsvermittlung dar, weil ja mit der VP kein Versicherungsvertrag zustande kommt, ist also auch nicht reguliert. Unisex ist auch hinfällig, Provisionsbegrenzungen ebenfalls – der Verein darf Provisionen für neue Mitglieder zahlen, denn die Mitgliedswerbung ist keine Versicherungsvermittlung. Auch ein eventuelles Provisionsabgabe-und Begünstigungsverbot gilt nicht, weder für einen Verein, der schon kein Versicherer ist, noch für den ausländischen Versicherer.

Das gilt auch für einen deutschen „Verein“, der sich auf dem Korrespondenzweg die Versicherungen im Ausland beschafft, und dann seine deutschen Mitglieder (wenn diese das wollen) dort anmeldet. Konsequenterweise sollten diese keinen Versicherungsschein erhalten, sondern nur eine Versicherungsbestätigung, wie sie heute in solchen Fällen üblich ist. Der Leistungsanspruch kann der VP direkt zugestanden werden, vom VN, und die Beitragszahlung alleine der VP obliegen, ohne Haftung des VN – das ist alles unschädlich.

Die Versicherungspflicht in der KV wird zwar damit nicht erfüllt, aber es besteht eine anderweitige Absicherung dadurch der VP, die dann eine Versicherungspflicht gar nicht erst entstehen lässt. Direkte Versicherungs-Vermittlung von nicht EWR-Versicherern an deutsche VN, die sich nicht selbst im Korrespondenzweg an den VR wenden, ist hingegen keine gute Idee, weil Strafbarkeit droht, §§ 140, 144 VAG a.F.

 

Wissenslücke bei der BaFin?

Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, welche die BaFin vielleicht noch nicht kennt: Nicht die erwachsene versicherte Person (VP), sondern ein anderer schließt eine PKV für diese ab. Dann wird (dazu gibt es Urteile) damit die Versicherungspflicht nicht erfüllt (denn die kann man nur für sich selbst erfüllen, außer man ist geschäftsunfähig). Es ist auch keine substitutive KV, denn der Vertrag ersetzt keinen solchen der VP in der GKV. Dann ist die Kalkulation selbst bei einer Versicherung in einer deutschen PKV frei, also nicht nach Art der Lebensversicherung (LV) zwingend. Dennoch kann die VP dort ausreichende „vergleichbare“ Leistungsansprüche haben, die eine Versicherungspflicht gem. § 193 Abs. 3 VVG nicht entstehen lassen.

 

Irrtum über den Begriff der Mittelsperson

Die BaFin schreibt auch:

„Künftig wird die Geschäftstätigkeit der EWR-Dienstleister unabhängig vom Vertriebsweg – also davon, ob sie Mittelspersonen einbeziehen oder nicht – in den Anwendungsbereich des neuen VAG und damit in die Zuständigkeit der BaFin fallen.“.

 

Die Gesetzesbegründung ist hier wesentlich klarer: 

Soweit § 110a Absatz 1 VAG a.F. im Fall der Tätigkeit im Dienstleistungsverkehr dieses sog. Notifikationsverfahren nur unter der qualifizierten Vorgabe verlangte, dass der Dienstleistungsverkehr „durch Mittelspersonen“ erfolgte, wird die Rechtslage durch Streichung dieses Tatbestandsmerkmals an die Rechtslage nach der Richtlinie angepasst. Es erscheint im Sinne des Schutzes des inländischen Marktes nicht mehr zeitgemäß nur eine Tätigkeit im Dienstleistungsverkehr „durch Mittelspersonen“ in den Ordnungsrahmen des VAG aufzunehmen, und dagegen eine Tätigkeit unmittelbar aus dem Ausland, etwa über das Internet, unreguliert zu belassen.“.

Damit werden Tätigkeiten vom Ausland aus grenzüberschreitend in Deutschland, nicht nur über Mittelsleute, sondern auch durch zeitweilige Einreise zur Vermittlung beim Hausbesuch, sowie ausdrücklich an deutsches Publikum gerichtete Internetauftritte dem VAG unterstellt. Im Zweifel gilt nur dann auch deutsches VVG, sowie § 134 BGB. So wie etwa die Hausbesuche bei Deutschen durch Bank(st)er aus Liechtenstein und der Schweiz, aber auch die Übergabe von Kontoeröffnungsunterlagen dortiger Kreditinstitute durch Mitarbeiter einer inländischen Tochtergesellschaft mit BaFin-Zulassung, dazu führt dass die Verträge im Zweifel null und nichtig sind. Eine feine Option etwaige Anlageverluste des deutschen Inländers durch Rückabwicklung in einen Anlagegewinn über Kapitalnutzungsentschädigung durch die ausländische Bank zu verwandeln.

Vertrieb des ausländischen VR über das Internet in Deutschland ist nur dann gegeben, wenn der Internet-Auftritt ausdrücklich auf die Interessenten in Deutschland zielt, nicht etwa wenn ein Deutscher auf die Seite eines ausländischen Anbieters stößt (gerne auf Deutsch), die eigentlich auf die dortigen Kunden zielt, z.B. auf Schweizer oder die deutsche Bevölkerung in Namibia, Argentinien oder an der Wolga. Man muss unterscheiden, ob der Versicherer die Initiative ergreift und aktiv Kunden in Deutschland über seine Seite sucht, oder ob diese die Initiative ergreifen und selbst auf die ausländische Seite stoßen, obwohl sie sich gar nicht speziell an diese richtete. Dass sich solche Gelegenheiten im Internet ohne Zutun des ausländischen Versicherers herumsprechen ist unschädlich. Dann aber handelt es sich also weiter um Korrespondenzversicherung, so wie für den Fall, dass ein Deutscher bei einer Bank-eG in der Schweiz ein Konto besitzt und über das dortige Internetportal der Bank-eG eine ausländische Police einkauft, weil sie für Männer höhere Leistungen bietet, als in Deutschland nach der Unisex-Kalkulation.

Lesen Sie über weitere Konsequenzen am 15.04.2016 im Teil 2.

 

 

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math, Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von www.experten.de (veröffentlicht am 12.04.2016)

Link: http://www.experten.de/2016/04/12/versicherungspflicht-in-der-kv-teil-1/

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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