Direktversicherung und Risikolebensversicherung
Bei Insolvenz wird zwischen dem eigentlichen Insolvenzverfahren und der anschließenden mehrjährigen Wohlverhaltensphase unterschieden. Versicherungsleistungen aus der privaten und betrieblichen Altersversorgung (bAV), aber auch aus einer Risikolebensversicherung, können in beiden Phasen zur Auszahlung kommen. Dann wird der Insolvenzverwalter diese Versicherungsleistungen regelmäßig einziehen und ggf. nachträglich an die Gläubiger verteilen – und dies ganz entgegen der landläufigen Verkäuferwerbung mit der angeblichen Insolvenzfestigkeit solcher Verträge.
Direktversicherung meist nicht insolvenzfest
Der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 11.12.2014, Az. IX ZB 69/12) entschied, daß der Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Direktversicherung bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles pfändbar ist. Damit kann jeder Gläubiger bereits vor Insolvenzeröffnung eine gesicherte Rechtsposition an künftigen Versicherungsleistungen erlangen.
Dies ist die Ausnahme von der Regel, wonach das Pfandrecht erst mit der Begründung der voraus gepfändeten Forderung entsteht, und der Pfandgläubiger an der Forderung zu Lasten der Masse vorher kein Pfandrecht erwerben kann, § 91 Abs. 1 InsO. Der Schuldner kann eine Pfändung dann nur dadurch beseitigen, indem er binnen weniger Monate selbst einen Antrag auf Insolvenzeröffnung stellt.
Wird die Versicherungsleistung jedoch während des Insolvenzverfahrens fällig, gehört sie zur Masse – einschließlich der Option ein Kapitalwahlrecht auszuüben, denn § 91 I InsO verhindert insoweit zeitlich den Pfändungspfandrechtserwerb. Wird die Versicherungsleistung erst in der Wohlverhaltensphase fällig, kommt es zur Nachtragsverteilung, § 203 I Nr.3 InsO.
Maßgeblich für die Fälligkeit der Versicherungsleistung ist weder der Inhalt der bAV-Zusage des Arbeitgebers noch eine gar nicht mit dem Versicherer vereinbarte Leistung ab Beginn der gesetzlichen Rente, § 6 BetrAVG, sondern nur die Vereinbarungen mit dem Versicherer. Nachteilig für Arbeitnehmer ist die vorherrschende Praxis, wenn der Arbeitnehmer die kompletten – und allein entscheidenden – Versicherungsvertragsunterlagen nicht kennt und daher auch die Bedingungen seines Bezugsrechts gar nicht erst prüfen kann. Damit hat der Arbeitnehmer kein Sicherheit, wann – ggf. auch bei Frührente – seine bAV-Rente beginnt, und natürlich auch nicht, ob für das bAV-Versprechen des Arbeitgebers genug einbezahlt wurde.
Ein weiterer Irrtum von Arbeitnehmern beruht darauf, dass ihnen im Arbeitsvertrag oder in der bAV-Zusage eine Verpfändung oder ein Insolvenzschutz versprochen wird. Derlei Zusagen sind absolut wirkungslos, denn das arbeitsrechtliche Versorgungsverhältnis ersetzt keinerlei Regelung im Versicherungsverhältnis bezüglich des Versicherungsfalls und gesicherter Bezugsrechte.
Nachtragsverteilung bei Risikolebensversicherungen
Der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 18.12.2014, Az. IX ZB 50/13) entschied, daß bei einer Lebensversicherung oder Risikolebensversicherung „zur Nachtragsverteilung gelangt, was ohne weitere Beitragszahlungen, also im Falle einer gedachten Beitragsfreistellung der Versicherung im Zeitpunkt der (vorläufigen) Beendigung des Insolvenzbeschlags, gezahlt worden wäre.“. Entscheidend ist der versicherungsmathematische Wert zu Beginn der Wohnverhaltensphase. Gab es bereits damals einen vertraglichen Anspruch auf einen Rückkaufswert, so gehört dieser zur Insolvenzmasse – wenn er erst später fällig wird, kommt es ggf. zur Nachtragsverteilung.
Nur wenn zum Zeitpunkt des Beginns der Wohlverhaltensphase, bei angenommener Beitragsfreistellung keine versicherungsvertraglich erforderliche, mindestens verbleibende Versicherungssumme vorliegt, steht ein späterer Rechtsanspruch auf Auszahlung einer Risikolebensversicherung allein dem insolventen Schuldner nur. Davon steht dem Insolvenzverwalter jedoch ein etwaiger bedingungsgemäß bereits vertraglich geschuldeter Rückkaufswert zu.
Eine Unpfändbarkeit der Versicherungssumme ist nach § 850 b ZPO nur dann denkbar, soweit der Rückkaufswert 3.579 € nicht übersteigt, sofern Versicherungsnehmer und versicherte Person identisch sind. Wird vom Insolvenzschuldner jedoch ein anderes Leben, beispielsweise des Ehegatten über eine Risiko- oder Lebensversicherung versichert, greift nicht einmal dieser gesetzlich minimale Schutz ein.
Die Absicherung von Lebenspartnern, Ehegatten und anderen Hinterbliebenen über Risikolebensversicherung scheitert vielfach an einer geeigneten individuellen Anpassung der üblichen Vertragsmuster von der Stange. Das Nachsehen haben auch solche Kreditinstitute, die sich zur Kredittilgung – am Ende wertlose – Versicherungsleistungen haben sicherheitshalber abtreten lassen.
von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm
veröffentlicht auf www.neues-deutschland.de (veröffentlicht am 09.12.2015)
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Über den Autor

PhD, MBA, MM
Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilienwirtschaft, Finanzrecht sowie Steuer- und Versicherungsrecht. Die zahlreichen Stationen seines beruflichen Werdegangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganzheitlich beratend und im Streitfall juristisch tätig zu werden.
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