Arbeitgeberhaftung bei Betriebsrenten: Ungleiche Tarife für Männer und Frauen

 

Neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)

 

Der EuGH verpflichtet auch Arbeitgeber in der betrieblichen Altersversorgung, ab 21. Dezember 2012 nur noch sogenannte „Unisex-Tarife” zu verwenden, etwa beim Einsatz von Direktversicherungen. Bisher bekommen Arbeitnehmerinnen bei gleich hohem Beitrag eine geringere Betriebsrente als Arbeitnehmer, denn Männer besitzen eine kürzere Lebenserwartung und bekommen deshalb bei gleichem Beitrag bisher höhere Renten im Alter.

Arbeitgeberhaftung durch Rentennachzahlung für Frauen?

 

Das Urteil des EuGH vom 01.03.2011 (Az. C-236/09) verpflichtet Arbeitgeber bzw. Versicherer ab 21.12.2012 zur Verwendung von Unisex-Tarifen bei Betriebsrenten, so in der Entgeltumwandlung. Seit dem 18.08.2006 gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das AGG basiert auf mehreren Richtlinien der Europäischen Union (2000/43/EG vom 29.06.2000, 2000/78/EG vom 27.11.2000, 2002/73/EG vom 23.09.2002 und 2004/113/EG vom 13.12.2004).

Der EuGH erklärte nun eine Option, bei statistisch nachgewiesenen Unterschieden zwischen Männern und Frauen keine Unisex-Tarife zu verwenden, in Art. 5 Abs.2 der Richtlinie 2004/113/EG, für ungültig-allerdings mit einer Übergangsfrist biszum21.12.2012.

Beitragsorientierte Direktversicherungen , Pensionskassen und rückgedeckte Unterstützungskassen

 

Soweit die Richtlinien hinreichend konkret die Pflicht zur Gleichbehandlung gebieten, können Arbeitnehmer sich nach Ablauf einer üblichen Umsetzungsfrist für den nationalen Gesetzgeber von etwa zwei Jahren auch für Zeiten vor dem 18.08.2008 darauf berufen. Die Entscheidung des EuGH könnte durchaus dazu führen, dass Betriebsrentnerinnen auf höhere Leistungen klagen.

Dies betrifft beitragsorientierte Versicherungstarife bei Direktversicherungen, Pensionskassen und rückgedeckten Unterstützungskassen, denn hier wurden bisher fast ausnahmslos keine Unisex-Tarife eingesetzt.

Arbeitgeberhaftung wegen zu hoher Zusagen gegenüber Männern?

 

Die Umsetzung des EuGH-Urteils bedeutet: wer heute als männlicher Arbeitnehmer eine Entgeltumwandlung hat oder bis 2012 neu abschließt, mit Prämienzahlungen bis zur Pensionierung, muss damit rechnen, dass er die im Versicherungsschein dafür bereits garantiert zugesagte Rente nicht erhält. Dies nämlich, wenn zumindest für die künftigen Prämien nur niedrigere geschlechtsunabhängige Renten berechnet werden dürfen.

Auch hier stellt sich das weit verbreitete Problem, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern für das Alter goldene Berge versprechen – die Versicherungsleistung jedoch dieses Versprechen nicht erfüllt, womit es dann zur Arbeitgeberhaftung für Fehlbeträge kommt.

Der Gesetzgeber kann auch in Garantien bestehender Verträge eingreifen l

 

Der Gesetzgeber kann die Umsetzung der Unisex-Tarife so regeln, dass auch bereits in früher abgeschlossenen Verträgen verbindlich und garantiert vom Versicherer zugesagte Renten für Männer herabgesetzt werden, um die künftig gleich hohen Renten für Frauen umzufinanzieren. Es kann aber auch sein, dass der Gesetzgeber schlicht gar nichts regelt, und sich auf den Standpunkt stellt, dass die EG-Richtlinien nach der Entscheidung des EuGH ausreichend klargestellt sind, und es mangels einer neuen EG-Richtlinie auch gar keines neuen Gesetzes bedarf. Am Ende könnte dies dann lediglich eine neue Aufgabe für Arbeitsgerichte werden.

Warum der Gesetzgeber auch die Renten für Altbestände nivellieren kann

 

Nach der Einführung der Unisex-Tarife werden viele Frauen ihre bisherigen Versorgungen beenden oder beitragsfrei stellen, und in die neuen für sie günstigeren Unisextarife gehen. Dann kommen dort neu versicherte Männer mit den neu versicherten Frauen zusammen, die diese auch schon häufiger als bisher nachfragen werden. Aber es kommt auch noch sofort eine Masse Frauen hinzu, die ihre bisherigen Versorgungen auf die neuen günstigen Konditionen umstellen.

Folge ist, dass einer sehr hohen Zahl Frauen erst einmal nur wenige neu versicherte Männer gegenüberstehen. Die neuen Tarife müssen dann fast auf dem Niveau der bisherigen Frauentarife kalkuliert werden, mit deren niedrigen Renten, und werden damit für Männer noch unattraktiver. Das Problem könnte der Gesetzgeber lösen, indem er die Umstellung auf gleiche Unisex-Renten für alle Versicherten verordnet, gleichgültig wann der Vertrag einmal geschlossen worden war.

Musterbeispiel: Unisexproblembelastete Branche sucht Hilfe beim Gesetzgeber

 

Das gleiche Problem stellt sich auch in der privaten Krankenversicherung: Frauen könnten sofort in die für sie günstigeren Unisex- Tarife wechseln und sich dort gegenüber den Männern gleich so anreichern, dass die Beiträge für Neuzugänge noch mehr bis fast auf das Frauen-Niveau kalkuliert werden müssten, in die Höhe schnellen. Um das zu vermeiden, haben sich die PKV-Lobbyisten an den Staat gewendet, damit dieser die Unisex-Tarife gleich auch für alle schon versicherten Kunden gesetzlich verordnen möge. Der EuGH verlangt eine so weitgehende Angleichung gar nicht, denn er würde die Ende 2012 schon bestehenden Verträge unberührt lassen.

Wie das Problem gelöst werden kann: Gesetzgeber hilft auf Kosten der Versicherten

 

Der deutsche Gesetzgeber aber kann die Unisex-Gleichschaltung auch für alle Bestandskunden national über die EuGH-Anforderungen hinaus verordnen, um der Branche aus der signalisierten Notlage zu helfen. Die Aufsichtsbehörde hat dazu bereits grünes Licht gegeben, auch wenn alleine durch diese Unisex-Umstellung für bestehende Verträge für Männer zum 01.01.2013 zusätzliche Erhöhungen von je bis zu 10 % umzusetzen sind, damit auch alle Ende 2012 bereits versicherten Frauen über die EuGH Anforderung hinaus auf günstigere Unisex- Beiträge herabgesetzt werden können. Was mit Hilfe des Gesetzgebers in der Krankenversicherung möglich erscheint, ist ebenso leicht auch in der Lebensversicherung umsetzbar.

Gesetzgeber als Haftungsrisiko für Arbeitgeber , Berater und Vermittler

 

Während ähnliches in der bAV als Lösung ernsthaft diskutiert wird, blieben bei einer entsprechenden Privatrente statt einer bAV die Verträge mit den geschlechtsspezifischen höheren Männer-Renten erhalten – voraussichtlich: denn auch dies könnte der Gesetzgeber anders regeln, sogar rückwirkend. Denn nichts ist sicher, es wäre sozusagen ein „Lastenausgleichsgesetz” zur Gleichbehandlung, in dem die Versicherungsnehmer die Lasten gegenseitig tragen, nicht die Versicherer oder Arbeitgeber. Die PKV-Branche macht es vor, wie man mit staatlicher Hilfe in bestehende Verträge, Zusagen und „Garantien” eingreifen kann, wenn man nur will.

Männlichen Arbeitnehmern drohen Nachteile bei der Betriebsrente

 

Männer, die in der Vergangenheit oder heute und bis 2012 noch eine Entgeltumwandlung abgeschlossen haben, müssen mit Nachteilen rechnen, oder mit Verlusten durch Zillmerung bei vorzeitigem Ausstieg. Die Altersvorsorge wird womöglich für sie geringer ausfallen, als man ihnen derzeit noch in Aussicht gestellt hat, auch geringer, als man ihnen heute noch geschlechtsspezifisch im Versicherungsschein „garantiert”. Dies, weil der Gesetzgeber diese Garantien zur Gleichbehandlung herabsetzen kann, bezogen auf die künftigen Prämienanteile oder komplett. Daraus kann sich wiederum eine Haftung des Vermittlers und Beraters ergeben, sowie auch des Arbeitgebers, die darauf nicht in geeigneter Form aufklären. Für diese kann es also teuer werden, wenn sie etwa mangels Aufklärung für die Erfüllung der ursprünglich höher garantierten Männerrenten haften oder Schadenersatz zahlen müssen.

Dies gilt nicht nur für neue Entgeltumwandlungen, sondern auch für schon laufende, weil z. B. eine Beendigung noch heute oft zu geringeren Verlusten führt als bei weiterer Prämienzahlung und Beendigung erst wenige Jahre später. Denn bei vielen Verträgen werden die Abschlusskosten erst über 5 Jahre verteilt in voller Höhe verrechnet, so dass frühzeitigere Beendigung die Verluste minimiert, wohingegen eine unterbleibende Aufklärung durch den Arbeitgeber den Schaden weiter erhöht.

Betriebliche Altersversorgung: Späterer Streit um die Höhe oft vorprogrammiert?

 

Der Gesetzgeber hat durch das Betriebsrentengesetz den Arbeitgebern eine Zusatzaufgabe „als uneigennützige Kapitalanlage-Manager” ihrer Mitarbeiter aufgebürdet, zusammen mit der Haftung dafür. Anders ist es beispielsweise bei den Vermögenswirksamen Leistungen, bei denen es Sache jedes Arbeitsnehmers ist, sich um seine Geldanlage selbst zu kümmern – der Arbeitgeber fungiert dann lediglich als Zahlstelle. Arbeitgeber sollten wissen, was auf sie zukommen kann – fraglich aber, ob sie von auf Verkauf ausgerichtete Vermittler darüber aufgeklärt werden. Mitarbeiterbindung durch bAV funktioniert nicht, wenn sich am Ende die Arbeitnehmer getäuscht fühlen.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.innovationundtechnik.de (veröffentlicht in Innovation und Technik 03/2012, Seiten 41-43)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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