Ausländische Versicherungen – Chancen und Risiken

Ausländische Versicherungsgesellschaften, insbesondere aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und aus der Europäischen Union (EU) treten verstärkt in den Wettbewerb mit inländischen Anbietern. Für Versicherungsvermittler und Versicherungskunden entstehen damit Risiken, aber auch Chancen.

 

EWR- und EU-Versicherer müssen bei ihrer heimatlichen Finanzaufsichtsbehörde eine Bescheinigung einholen, dass sie genügend Eigenmittel besitzen. Diese Bescheinigung geht dann beispielsweise an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), damit sodann ausländische Versicherer in Deutschland entweder über eine Niederlassung oder im freien Dienstleistungsverkehr tätig werden dürfen (Notifikation). Jeder Vermittler, Agent und Makler ist gut beraten, sich bei der BaFin zu vergewissern, damit er sich nicht dem Risiko aussetzt, wegen unbefugter Versicherungsvermittlung eines hier nicht zugelassenen Versicherers aus dem Ausland bestraft zu werden.

Allenfalls wenn der ausländische Versicherer gar nicht „über Makler im Inland tätig“ würde, sondern lediglich die ihm von nur im Versicherungsnehmerauftrag tätigen Maklern vorgelegten Anträge zeichnet, könnte auf eine Notifikation verzichtet werden. Es handelt sich dann um sogenannte im Inland aufsichtsfreie „Korrespondenzversicherung“, weil die Vermittlung nicht über für den Versicherer tätige „Mittelspersonen“ erfolgt.

Dies ist jedoch die praktische Ausnahme, denn wiederholt hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Beispiel von Lebensversicherern aus England und Liechtenstein festgestellt, daß mangels Niederlassung in Deutschland, die in Deutschland eingeschalteten Vermittler auch zum Teil mit Aufgaben des ausländischen Versicherers betraut waren. Dann liegt doch eine Tätigkeit des Versicherers selbst im Inland über Makler als Mittelsleute vor. Dazu zählen beispielsweise Direktwerbung, Bestandsbetreuung, laufende Beratungen, Vertragsverwaltung, Prämieninkasso und Unterstützung bei der Schadensregulierung. Auch der häufige Fall des „Schwerpunktmaklers“, der nur mit wenigen Versicherern zusammenarbeitet, führt zur Haftung des Versicherers für dessen Tätigkeit, im Grunde wegen zu großer Ähnlichkeit mit einem Agenten.

In einer Pressemeldung des BGH zu Urteilen vom 11.07.2012 heißt es etwa über die Verantwortung des Versicherers bei englischen Lebensversicherungen zur Kapitalanlage: „In diesem Rahmen muss die Beklagte sich nach § 278 BGB das Handeln und die Erklärungen der tätig gewordenen Untervermittler zurechnen lassen, da sie im Rahmen eines so genannten Strukturvertriebs die mit dem Vertrieb der Lebensversicherung in Deutschland verbundenen Aufgaben selbständigen Vermittlern überlassen hat.“

 

Aufsichtspflicht über ausländische Versicherungen durch Maklertätigkeit im Inland?

Im Inland für den Versicherer tätige Mittelspersonen im Sinne von §§ 105 II, 110a I Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) lösen die Aufsicht der BaFin über den Versicherer aus, wenn der Ort der Leistungserbringung und der Ort der Tätigkeit des Leistenden im Inland liegt. Der vom Versicherer völlig unabhängige Makler ist nach Auffassung in der wissenschaftlichen Literatur keine Mittelsperson, hingegen der in eine (Struktur-)Vertriebshierarchie eingebundene oder von Maklerbetreuern gelenkte bzw. „betreute“ Makler durchaus. Mittelsperson wird auch jener Makler, mit dem beispielsweise Vertriebsziele oder Zeichnungsrichtlinien abgestimmt oder dem Werbematerial, Vertriebshilfen wie Berechnungsmodelle und Antragsaufnahmetools zur Verfügung gestellt werden.

 

Für deutsche Makler besteht vielfach nicht nur das Recht, sondern eine Maklerpflicht gegenüber den eigenen Kunden, auch – solange sie keine Mittelsmann-Beziehung für den Versicherer haben – hier gar nicht zugelassene Drittstaatenversicherungen zu vermitteln, wobei es sich dann um eine sogenannte Korrespondenzversicherung handelt. So kann eine Drittstaaten-PKV auf dem Korrespondenzweg durchaus günstige Bisex-Tarife für Männer, zudem ohne Spartentrennung, Alterungsrückstellungen, gesetzlichen 10%-Zuschlag oder Pflicht zur Pflegepflichtversicherung und ohne Kontrahierungszwang, Kündigungsverbot, Basistarif, Portabilität der Alterungsrückstellung etc., und mit ausländischer oder was auch immer gewünscht – ggf. Rechtswahl wegen Korrespondenzversicherung – bei uns anbieten.

 

Honorarberatung für Makler – oder Courtage vom Versicherungsnehmer?

Für innovative Makler – bei Honorarberatung bzw. Courtage vom Versicherungsnehmer, eventuell sogar vom Drittstaaten-Versicherer – wäre es ein neues Geschäftsmodell. Für Männer lohnt es sich zum Beispiel , die Kapitalabfindung zu  nehmen und lieber in der Schweiz eine Rente einzukaufen als in einem Unisextarif in Deutschland zu bleiben. Ausländische PKV-Anbieter freuen sich bisweilen über die Anregung, etwas der hiesigen PKV vergleichbares anzubieten, aber ohne die teuren Regulierungs-Nachteile deutscher PKV – auch deutsches Recht wäre ja bei Korrespondenzversicherung sogar wählbar. Deutsche PKV-Unternehmen sollte die Konkurrenz, die durch die Honorarberatung noch gefördert würde, nicht fürchten, sondern besser selbst eine Alternative im Ausland anbieten, vielleicht auch als purer Maklerversicherer.

 

Weniger bekannt ist, dass selbst wenn eine ausländische PKV die wenigen Voraussetzungen einer Pflichtversicherung nach § 193 VVG nicht erfüllen sollte, sie danach noch immer eine sogenannten “vergleichbaren Anspruch” darstellen kann, der eine Versicherungspflicht im Inland gar nicht erst entstehen lässt.

Für den Makler – und natürlich auch Versicherer – liegt der Vorteil unter anderem darin, daß er nicht unter die Provisionsgrenzen und Stornohaftung für deutsche PKV fällt, wenn er sich dem Ausland zuwendet. Unterläßt der Makler es umfassend zu beraten, könnte der Kunde ihm später sogar beispielsweise eine entgangene Prämienersparnis oder schlechtere Bedingungswerke vorhalten.

 

PKV-Verband warnt vor insgesamt nichtigen Verträgen mit ausländischen Versicherern 

Bei grenzüberschreitenden Verträgen gestattet der Art. 7 der ROM-I-Verordnung häufig die Wahl zwischen unterschiedlichen Rechtsordnungen. Die ROM-I-VO ist zunächst vorrangig anzuwenden, Art. 3 EGBGB. Allerdings schränkt Art. 46 c II EGBGB im internationalen Privatrecht die Rechtswahl dann ein, wenn man die eine GKV ersetzenden – sogenannten substitutiven – Krankenversicherungen als Pflichtversicherungen einordnet, womit dann zwangsläufig deutsches Versicherungsvertragsrecht (VVG) gelten muß. Dieser Ansicht ist zumindest der Deutsche Bundestag (Drucksache 16/12104 vom 04.03.2009).

Darauf kommt es jedoch ausnahmsweise dann nicht an, soweit bereits Art. 7 III ROM-I-VO eine Wahl jener Rechtsordnungen gestattet, wo das Risiko belegen ist, der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder bei Lebensversicherungen gemäß der Staatsangehörigkeit.

Mit Schreiben vom 31.07.2014 warnt die Geschäftsleitung des Verband der privaten Krankenversicherer (PKV) vor Verträgen, in denen ausländisches Recht vereinbart wurde: „Die von Art. 46c EGBGB geforderte Anwendung des deutschen Rechts auf die Verträge führt zu deren Unwirksamkeit. Alle dem deutschem Recht widersprechenden Regelungen des Vertrages sind nach § 208 VVG unwirksam. Da nicht anzunehmen ist, dass der Versicherungsnehmer und der ausländische Versicherer den Versicherungsvertrag auch ohne die unwirksamen Regelungen abgeschlossen hätten, ist der gesamte Versicherungsvertrag nach § 139 BGB nichtig.“

Ob dies rechtsirrig ist, werden dereinst die Gerichte klären können, denn aus § 306 I BGB ergibt sich das Gegenteil: „Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam.“

 

Vergleichbarer Anspruch vermeidet Versicherungspflicht

Unbedeutet wird das, wenn die Verträge aus dem Ausland gar nicht die Versicherungspflicht erfüllen sollen, sondern lediglich einen sogenannten „Vergleichbaren Anspruch” gern. § 193 Abs. 3 Nr. 2 WG bieten. In diesem Fall entsteht nämlich erst gar keine Versicherungspflicht gern. § 193 WG, so dass die Versicherung auch nicht als Pflichtversicherung zur Erfüllung dieser Pflicht zählen kann – und mithin keinerlei weitergehenden großenteils verteuernden und hinderlichen Anforderungen einer solchen Pflichtversicherung erfüllen muss. So haben es auch Gerichte bereits gesehen, und lediglich das Vorliegen eines vergleichbaren Anspruchs geprüft.

 

Wettbewerbsvorsprung im Ausland

Bereits die Möglichkeit, höhere als deutschen Versicherern erlaubte Courtagen bei geringeren Prämien zu zahlen, dürfte für einen Wettbewerbsvorsprung sorgen. Aufgrund der damit gewonnen regulatorischen Freiheiten können diese Versicherungen nicht nur preiswerter angeboten werden, sondern auch weit einfacher verwaltet werden, ohne dass man auf die Fähigkeiten eines in Deutschland die substitutive Krankenversicherung anbietenden Versicherers mit aufgezwungener komplexer Versicherungstechnik angewiesen ist. Dass der konzerngebundene deutsche Krankenversicherer bei der Umsetzung auf Konzernweisung hilft, werden die Mitbewerber und der PKV-Verband sicher akzeptieren.

 

Risiko unwirksamer Klauseln in den Versicherungsbedingungen

Wenn Versicherer sich von Verträgen lösen können, wie der PKV-Verband meint, wenn eine Klausel unwirksam ist, und sie die Verträge ohne die (unwirksame) Klausel nicht mehr wollen, dann tragen Makler und Kunden ein erhebliches Risiko. Dies gilt auch dann, wenn die Verbraucherschützer mal wieder eine Klausel als unwirksam beseitigen. Auch wenn dies nicht als legitim erscheint, sollten Versicherungsnehmer sehen, daß wenn der PKV-Verband so etwas schreibt, doch Versicherer dann vielleicht auch so denken könnten, und der Kunde dann erst viele Jahre nach der vom Versicherer vorgenommenen Beendigung der Versicherung vor dem BGH gesagt bekommt, dass der Versicherungsvertrag denn doch nicht nichtig war.

Es wäre dem PKV-Verband zu raten, vor solchen zielgerichteten Äußerungen dran zu denken, welche Weiterungen daraus gefolgert werden können und zu welchen Verunsicherungen dies auch hinsichtlich Verträgen mit deutschen Versicherern führen kann, wenn deren Wirksamkeit oder Nichtigkeit an einem Gerichtsurteil zu AVB-Klauseln hängen kann. Bedachte Verbandsarbeit sieht anders aus. Schließlich gibt es in der PKV, aber auch in Lebensversicherungen wohl noch einige unwirksame Klauseln, wie sich von Zeit zu Zeit herausstellt.

 

PKV zum Schnäppchenpreis aus dem Ausland?

Der Geschäftsleitung ausländischer PKV-Versicherer ist selten bewusst, dass durch die Wahl deutschen Rechts einiges mehr aus ihren Versicherungsbedingungen unwirksam ist. Beispielsweise kann der Versicherer nicht wegen Beitragsverzug kündigen, und er kann die Beiträge nicht altersbedingt erhöhen und nicht anpassen, wenn er nicht die Regeln nach Art der Lebensversicherung im Treuhänderverfahren anwendet, und entsprechend kalkuliert hat. Hier sind Rechtsstreitigkeiten gleichsam vorprogrammiert, es sei denn man benutzt derartige Angebote um den bisherigen deutschen PKV-Versicherer abzuschütteln, ihm also nur nachzuweisen, dass man jetzt erst mal woanders seine Versicherungspflicht erfüllt, § 193 III VVG. Vielleicht will man später die Kündigung des ausländischen PKV-Anbieters akzeptieren, um sodann woanders oder erst mal gar nicht mehr versichert zu sein?

Eine Pflegepflichtversicherung (PPV) kann man sich auch „ersparen“, denn wenn der in- oder ausländische PKV-Versicherer keine Pflegepflichtversicherung anbietet, dann muss dieser seine Versicherungsnehmer in einer solchen Versicherung auch nicht aufnehmen. Wenn der in- oder ausländische PKV-Versicherer keine PPV anbietet, so gibt es für den Versicherungsnehmer keine Pflicht zur PPV woanders und es muss ihn auch niemand darin aufnehmen – auch nicht im Inland.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.experten.de (veröffentlicht am 16.10.2015)

 

Link: https://www.experten.de/2015/10/16/auslaendische-versicherungen-im-inland-chancen-und-risiken/

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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