bAV: über 330 Mrd. Euro Haftungspotential jährlich !!

Millionen Arbeitnehmer besitzen eine betriebliche Altersvorsorge. Jährlich fließen über 330 Mrd. Euro in die Versorgung als sogenannte Deckungsmittel.

 

Wie jetzt das Arbeitsgericht Stuttgart (Gz. 19 Ca 3152/04) festgestellt hat, haften Arbeitgeber für Versorgungslücken.

Der Fall:

Der Arbeitsvertrag mit Personalleiter P. wird beendet. Seine Firma wurde verkauft. Nun prüft er, wie die Versicherungsgesellschaft mit dem Geld aus der betrieblichen Altersvorsorge gewirtschaftet hat. Nicht mal 15% der Einzahlungen waren noch vorhanden! Für 22,5 Monate waren 364,32 Euro einbezahlt worden – zusammen 8.197,20 Euro.

Als Personalleiter P ausschied, waren als Deckungskapital nur 1.218,18 Euro vorhanden. Die Versicherungslösung: Nach Expertenmeinung sind über 95% aller betrieblichen Zusagen im Bundesgebiet fehlerhaft. Im vorliegenden Fall war das Geld in eine Versicherung mit “gezillmertem” Tarif eingeflossen – hier wird in den ersten Jahren kaum Geld für den Kunden angelegt, sondern vielmehr das Geld des Kunden dazu verwendet u.a. die Provisionen des Vermittlers (Vertriebskosten) und die Verwaltungskosten der Versicherung vorab zu finanzieren.

Die Versicherung beruft sich dann auf “Stornoabschläge”: Faktisch bedeutet dies, dass oft erst nach 7 bis 10 Jahren (ohne Verzinsung !) die Summe der eingezahlten Prämien als Deckungskapital zur Verfügung steht.

 

Das Urteil:

Die Haftung bei gezillmerten Tarifen entfällt normalerweise erst, wenn der Rückkaufswert mindestens die eingezahlten Versicherungsprämien erreicht. Bei den meisten voll gezillmerten Versicherungspolicen wird dieser Wert jedoch häufig in den ersten Jahren nicht erreicht.

Ist dann z.B. bei vorzeitigem Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus der Firma auch keine Beitragsgarantie in der Police vereinbart, ist eine Nachhaftung des Arbeitgebers für den Differenzbetrag gegeben. Eine Haftung bei gezillmerten Tarifen besteht nach diesem Urteil immer dann, wenn über die wirtschaftlichen Auswirkungen des gewählten Versicherungstarifes keine nachweisbare (z.B. schriftliche) Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorliegt.

 

Wichtig ist: Die Vereinbarung und Aufklärung muss vor (!) Abschluss der bAV vorliegen.

Die Betroffenen: Betroffen sind vor allem Arbeitnehmer, – gleichviel ob die monatlichen oder jährlichen Beiträge in eine Direktversicherung, eine Unterstützungskasse oder eine Pensionskasse fließen. Die Abschlusskosten für solche Verträge werden als Provisionen an den Vermittler ausbezahlt, zugleich werden hohe Verwaltungskosten zu Beginn der Versicherung gleich mit verrechnet und daher fehlt dann auch dieses Geld im Deckungskapital.

Auch Arbeitgeberhaftung: Das Urteil macht deutlich, dass die Mitarbeiter vor (!) Abschluss solcher Verträge nachweislich über die jeweiligen Nachteile aufzuklären sind. Dies entspricht der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Dies gilt insbesondere bei dem bisher beliebten Steuersparmodell der Gehaltsumwandlung.

Sowohl die Vereinbarung eines “Stornoabschlages” wie auch der Einsatz “gezillmerter Tarife” bringen finanzielle Nachteile mit sich. Für diese hat der Arbeitgeber einzustehen.

Und Vermittlerhaftung: Aufgrund der Sachwalterhaftung stehen in derartigen Fällen – neben Steuerberatern – insbesondere auch Versicherungsvermittler/Versicherungsmakler im Feuer. Der Arbeitgeber kann wegen Falschberatung hier regelmäßig Regress nehmen.

Typischer Anlass sind dafür auch Insolvenzen, denn spätestens dann fangen die Mitarbeiter an nachzurechnen.

Haftungsklage vorprogrammiert: Typisch ist die Aufdeckung derartiger Fehler durch den neuen Finanzdienstleister des Vertrauens. Er weist auf Deckungslücken und fehlerhafte Gestaltungen in der bAV hin.

Danach bekommen der frühere Finanzvermittler und der Steuerberater im Zweifel eine saftige Haftungsklage an den Hals: Wenn die Schadenshöhe noch nicht feststeht, dann geht diese Klage auf Feststellung der Verantwortung! Sonst könnten oftmals diese Rechtsansprüche verjähren. Der neue Finanzdienstleister hat in der Regel nicht die geringste Lust, am Ende die Fehler früherer Berater zu decken und dadurch zeitlich länger persönlich in der Haftung zu stehen.

Die Krux: Es kommt grundsätzlich nicht darauf an, ob die Beiträge am Ende arbeitgeber- oder arbeitnehmerfinanziert sind. Den Arbeitgeber trifft eine Nachschusspflicht – und zwar auch und gerade für Altverträge. Etwa 95% aller betrieblichen Altersvorsorgemodelle werden mit gezillmerten Tarifen gestaltet. Betroffen sind vor allem die Durchführungswege der Direktversicherung, Pensionskasse und der Unterstützungskasse.

Eine Empfehlung:

Die Arbeitgeber sollten vor Abschluss einer betrieblichen Altersversorgung vor allem, neben dem aktuell vorteilhaftesten Durchführungsweg der Versorgungssysteme, vor allem auch auf den angebotenen Tarif in der Versicherungspolice achten. Selbst so genannte Gruppentarife der Versicherer, z. B. für mittelständische Unternehmen in bestimmten Manteltarifverträgen (Metall, Baugewerbe, Bäckergewerbe etc.)  oder spezielle Firmengruppen oder Freiberufliche (Ärzte, Apotheker, Architekten) bieten nur einen relativ geringen Rabattabschlag in Höhe von 3% bis 5% auf die Jahresprämie.

Trotzdem ist in den ersten Jahren nur ein sehr geringer Rückkaufwert vorhanden. Die ungezillmerten Tarife der Versicherungsgesellschaften bieten bereits im 1. Jahr und in den Folgejahren hohe Rückkaufwerte 70% bis 95 % der eingezahlten Prämien, je nach Eintrittsalter und Laufzeit der Versicherungspolice.

Der Versicherungsmittler/Makler erhält für seine Finanzdienstleistung jedoch die Provision/Courtage auf die gesamte Laufzeit verteilt, sodass am Anfang keine hohen Abschlusskosten zu Buche schlagen. Mit dieser Lösung haben alle Parteien (Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Vermittler/Versicherungsmakler) in der betrieblichen Versorgung eine “win-win-Situation” geschaffen, die im Ernstfall (Ausscheiden eines Mitarbeiters aus der Firma) die Haftungsfrage ad acta legt.

Bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern von GmbH`s erübrigt sich die Frage nach der Haftung bei gezillmerten oder ungezillmerten Tarifen in der betrieblichen Altersversorgung , da diese Klientel grundsätzlich für sich selbst entscheidet, im Namen der GmbH und zugleich als Arbeitnehmer.

Ein GGF kann schließlich nur sich selbst für jedwede Entscheidung haftbar machen. Hier könnte sich nur für den Steuerberater des GGF ein haftungsrelevanter Tatbestand ergeben, falls der GGF die Beratung und den Abschluss der betrieblichen Police von der Meinung seines Steuerberaters abhängig gemacht hat.

Sichere Steuerberaterhaftung: Bei Pensionszusagen ist der Steuerberater praktisch immer in der Haftung, da diese Zusagen hauptsächlich im Bereich Arbeitsrecht anzusiedeln sind und lediglich durch steuerrechtliche Urteile und BMF-Schreiben laufend über Jahre hinweg ergänzt wurden. Eine Rechtsberatung im Bereich Arbeitsrecht (Textbausteine der Pensionszusage) ist jedoch dem Steuerberater nicht erlaubt und somit bedeutet dies “unerlaubte Rechtsberatung”.

Da viele Pensionszusagen vor Jahren eingerichtet wurden und aktuell textlich völlig überholt sind, kann man sich das entsprechende Haftungspotential kaum vorstellen.

Steuerberater deckungslos: Bitte beachten Sie, dass der Steuerberater hier in aller Regel ohne (!) Versicherungsschutz haftet. Beim ?”alten” Finanzdienstleister kam noch der selbstverständliche Hinweis darauf, dass die Ehefrau des Steuerberaters doch eine Unternehmensberatung angemeldet habe – für die Tipp-Provision des Steuerraters.

Jetzt wird der alte Steuerberater möglicherweise seinen Mandanten verlieren, und seine Existenz rückblickend vor langer Zeit im Ansatz fahrlässig vernichtet haben. Die VSH des StB bezahlt bestimmt keinen Cent (Rechtsberatung ist nicht versichert) – eine offene Tür für den neuen Finanzberater den Fall zu sanieren und zum Neuabschluss zu kommen.

 

Merke: Hier steht regelmäßig die Existenz des Unternehmers auf dem Spiel (“Sind Sie ausreichend versichert”?) und die des Steuerberaters. Der besonders geschäftstüchtige StB wird Ihnen – richtig angesprochen – “aus der Hand fressen”, darauf können Sie wetten!

Kompetenz gefragt: Bei diesem doch meistens sehr aufgeklärten Kundenkreis kommt es vor allen Dingen auf den richtigen Durchführungsweg an (z.B. Pensionszusage und/oder Unterstützungskasse), da diese beiden Versorgungskonzepte derzeit noch bei Neuverträgen als einzige eine Kapitaloption im Rentenalter besitzen und damit ein flexibles Wahlrecht bei der Auszahlung vorsehen, welches zugleich eine bessere Verrentung und Vererbbarkeit der angesparten Kapitalbeträge ermöglicht.

Durch hohe Steuereffekte wird, bei richtiger Gestaltung, zusätzlich noch die Liquidität und Bonität des Unternehmens verbessert, was vor allem beim Ratingverfahren nach Basel II in der Kreditvergabe der Banken sich positiv niederschlägt. Dem Thema bAV nehmen sich viele Vermittler an – die Haftung ist enorm. Der Finanzvermittler steht “ohne Sachverstand im Rücken” zumeist direkt im Feuer.

 

von Dr. Johannes Fiala

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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