Betriebliche Altersversorgung: Pflicht des Arbeitgebers zum Verlustausgleich bei Entgeltumwandlung

Von Dr. Johannes Fiala und Thomas Keppel
Bei der betrieblichen Altersversorgung mit Entgeltumwandlung werden in den ersten Beitragsjahren meist die Abschlusskosten (z.B. Vermittlungsprovisionen) durch den Versicherungsträger mit den einbezahlten Beiträgen verrechnet. Laut einem neueren Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) München sind entsprechende Vereinbarungen nichtig und müssen rückabgewickelt werden. Dies hat insbesondere für Arbeitgeber beträchtliche finanzielle Folgen – unabhängig davon, ob die Mitarbeiter zuvor über die Folgen der Abschlusskosten-Verrechnung aufgeklärt worden sind oder nicht. Die Autoren erläutern eingehend die Gründe für diesen „Paukenschlag“ in der betrieblichen Altersversorgung, der zur Nichtigkeit von Millionen von Entgeltumwandlungs- Vereinbarungen führen kann. Abschließend geben sie wichtige Praxishinweise, welche Konsequenzen dies für Unternehmen haben wird und wie sie hierauf reagieren können (u.a. hinsichtlich einer Begrenzung finanzieller Schäden).
Der Praxisfall: Der Entscheidung des LAG München vom 15. 3. 2007 (4 Sa 1152/06) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Arbeitnehmerin hatte 35 Monate auf einen Teil ihres Gehalts verzichtet. 178 € flossen pro Monat an eine überbetriebliche Versorgungskasse, die eine Rückdeckungsversicherung abschloss. Als die Mitarbeiterin nach knapp drei Jahren bei dem Arbeitgeber, einem Autohaus, ausschied, hatte sie so insgesamt 6.230 € an Gehalt in eine betriebliche Altersversorgung umgewandelt. Hiervon waren jedoch lediglich 639 € als Versicherungs( rückkauf)wert vorhanden. Fast 90% des umgewandelten Gehalts fehlten. Ein typischer Fall, wie er bei vielen Arbeitsverhältnissen denkbar ist und von der Versicherungsbranche als normal angesehen wird.
Die betriebliche Altersversorgung (bAV) kann in Deutschland nur über die folgenden Durchführungswege (vgl. ausführlich Plenker, BC 4/2002, S. 77 ff.) erfolgen: • Direkt- bzw. Pensionszusage (§ 1b Abs. 1 Betriebsrentengesetz – BetrAVG), • Direktversicherung (§ 1b Abs. 2 BetrAVG), • Pensionskasse (§ 1b Abs. 3 BetrAVG), • Pensionsfonds (§ 1b Abs. 3 BetrAVG), • Unterstützungskasse (§ 1b Abs. 4 BetrAVG). Entgeltumwandlung und Zillmerung Seit 2002 können Arbeitnehmer (gemäß § 1a BetrAVG) vomArbeitgeber in bestimmten Grenzen eine Entgeltum- Der Praxisfall: Der Entscheidung des LAG München vom 15. 3. 2007 (4 Sa 1152/06) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Arbeitnehmerin hatte 35 Monate auf einen Teil ihres Gehalts verzichtet. 178 € flossen pro Monat an eine überbetriebliche Versorgungskasse, die eine Rückdeckungsversicherung abschloss. Als die Mitarbeiterin nach knapp drei Jahren bei dem Arbeitgeber, einem Autohaus, ausschied, hatte sie so insgesamt 6.230 € an Gehalt in eine betriebliche Altersversorgung umgewandelt. Hiervon waren jedoch lediglich 639 € als Versicherungs( rückkauf)wert vorhanden. Fast 90% des umgewandelten Gehalts fehlten. Ein typischer Fall, wie er bei vielen Arbeitsverhältnissen denkbar ist und von der Versicherungsbranche als normal angesehen wird. wandlung zum Aufbau bzw. zur Ergänzung einer betrieblichen Altersversorgung verlangen. Bietet der Arbeitgeber hierfür eine Durchführung über einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse an, so erfolgt diese dort. Andernfalls haben die Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber eine Direktversicherung abschließt: • Versicherungsnehmer wird der Arbeitgeber, • Begünstigter ist der Mitarbeiter, der dafür Gehaltsbestandteile über seinen Arbeitgeber als Beiträge weiterleiten lässt. Bei rund 90% aller bAV-Verträge wurden bislang gezillmerte Tarife verwendet.
Was bedeutet „Zillmerung“? Bei der sog. Zillmerung handelt es sich um ein von dem Mathematiker August Zillmer (1831 bis 1893) entwickeltes versicherungs- mathematisches Verfahren zur Verrechnung von Abschlusskosten bei Lebens- und Krankenversicherungen. Die Abschlusskosten werden hiernach im Barwert der Versicherungsleistungen berücksichtigt. In der Folge fällt das gezillmerte Deckungskapital bei Vertragsbeginn negativ aus. Weil sich der Rückkaufswert nach dem gebildeten Deckungskapital richtet, sind in der Anfangsphase (unter Umständen mehrere Jahre) kein Rückkaufwert und keine beitragsfreie Versicherungssumme vorhanden. Bei vorzeitiger Vertragsbeendigung droht somit im schlimmsten Fall sogar der Totalverlust der bis dahin geleisteten Beiträge.
Entgeltumwandlungs-Vereinbarungen, die gezillmerte Tarife vorsehen, sind unwirksam, wie das LAG München in seiner Entscheidung vom März 2007 feststellte. Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer deshalb die Differenz zwischen Rückkaufswert und Summe der einbezahlten Beiträge – unabhängig von einer Verletzung von Beratungs- und Informationspflichten. Treuhänderähnliche Stellung des Arbeitgebers bei Entgeltumwandlung strittig Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf erklärte in seinem Urteil vom 6. 3. 1992 (17 U 201/91) sogar, Arbeitgeber seien im Rahmen einer Entgeltumwandlung gegenüber ihren Mitarbeitern in einer treuhänderähnlichen Stellung. Begründung: Der Arbeitnehmer übertrage durch den Verzicht auf Barlohn einen entsprechenden Gegenwert in das Vermögen des Arbeitgebers, der diesen zum Vorteil des Mitarbeiters verwalten solle. Im Gegensatz hierzu entschied das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 18. 1. 2007 (12 U 185/06), die Entgeltumwandlung stelle kein treuhänderisches Rechtsgeschäft dar. Das Betriebsrentengesetz unterscheide zwischen • Entgeltumwandlung (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 und § 1b Abs. 5 BetrAVG) einerseits und • Eigenbeitragsleistung des Arbeitnehmers (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG) andererseits. Eine Berechtigung, über wirtschaftlich den Arbeitnehmern zuzuordnendes Vermögen zu verfügen, würde durch die Entgeltumwandlungsabrede nicht geschaffen. Diese ersetze lediglich den schuldrechtlichen Anspruch auf Entgeltzahlung an den Mitarbeiter durch einen anderen auf Leistung der Prämien an den Produktgeber (Versicherungsunternehmen). Wird bei der Entgeltumwandlung nicht von einem treuhänderischen Rechtsgeschäft ausgegangen, so schließt dies allenfalls eine in diesem Zusammenhang denkbare Strafbarkeit des Arbeitgebers bei „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“ (gemäß § 266a StGB) aus. Auch wenn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gezillmerte Tarife grundsätzlich nicht beanstandet hat, sind sie im Rahmen der Entgeltumwandlung unzulässig, wie die Entscheidung des LAG München zeigt. Das Gericht führt hierzu mehrere Gründe an. Nicht „wertgleich“ Die Unzulässigkeit entsprechender Vereinbarungen folgt aus dem bei der Entgeltumwandlung geltenden Gebot der Wertgleichheit (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG): Künftige Entgeltansprüche sind danach in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umzuwandeln. Der Begriff der „Wertgleichheit“ ist dabei im Sinne einer wirtschaftlich vergleichbaren Versorgungsanwartschaft zu verstehen. Arbeitnehmern muss somit stets so viel zustehen, wie insgesamt an Beiträgen einbezahlt wurde – und das zu jedem Zeitpunkt während der Beitragszahlungsphase. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Nichtigkeit von Entgeltumwandlungs-Vereinbarungen mit gezillmerten Tarifen. Selbst ein belegbarer Hinweis auf die differenzierte Wertgleichheit zwischen Umwandlungsbetrag und Versorgungsanspruch befreit den Arbeitgeber nicht von seiner Haftung, wie das LAG München nun mit seiner Entscheidung klarstellte. Auf den Beweis einer solchen Benachrichtigung durch den Arbeitgeber kommt es deshalb nicht an (so aber noch das Arbeitsgericht Stuttgart in einem viel beachteten Urteil vom 17. 1. 2005, 19 Ca 3152/04). Die Wertgleichheit ist als gesetzliches Gebot generell nicht einwilligungsfähig.
Praxishinweis: • Keine Rolle spielt es, welcher Durchführungsweg (Direktversicherung, Unterstützungskasse, Pensionskasse, Pensionsfonds) gewählt wurde: Der Arbeitgeber schuldet nach der Entgeltumwandlungs-Vereinbarung nicht nur die bloße Weiterleitung der umgewandelten Gehaltsbestandteile an den bAV-Produktgeber. Vielmehr hat er mit Blick auf seine Haftung auch bei Einschaltung Dritter (z.B. einer Unterstützungskasse) nach § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG dafür einzustehen, dass auch die Wertgleichheit von umgewan- delten Entgeltansprüchen und damit begründeter Versorgungsanwartschaft gewährleistet wird. Diese ist bei gezillmerten (Rückdeckungs-)Verträgen aber nicht gegeben, da hier keine Anwartschaft erreicht wird, die langfristig mit den vom Mitarbeiter eingebrachten Lohnbestandteilen wirtschaftlich vergleichbar wäre. • Gleiches gilt aufgrund der vergleichbaren Interessenlage wohl auch bei dem sog. „Caf�teria-Modell“, also der Einbringung von Geld in eine bAV unter Verzicht auf ein höheres Arbeitsentgelt. • Das Wertgleichheitsgebot lässt sich als höherrangiges Bundesrecht auch durch einen allgemein verbindlichen Tarifvertrag nicht umgehen.
Unangemessene Benachteiligung Wird durch Klauseln in Entgeltumwandlungs-Vereinbarungen eine Zillmerung zugelassen, bedeutet dies zudem für den Arbeitnehmer (nach Ansicht des LAG München) entgegen Treu und Glauben eine unangemessene Benachteiligung (im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Formularmäßige Vertragsbestimmungen sind unangemessen, wenn der sog. Verwender der Klausel hiermit missbräuchlich seine eigenen Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchsetzen will, ohne dabei auch dessen Belange ausreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Zu beachten sind hierbei (gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten, insbesondere die Bestimmungen des Betriebsrentengesetzes. Die Vertragsbestimmungen sind daher an dem Wertgleichheitsgebot und an der verschuldensunabhängigen Ausfallhaftung des Arbeitgebers (§ 1 Abs. 1 Satz 3, § 1a Abs. 4 Satz 2 BetrAVG) zu messen. Wird demnach das Deckungskapital, das mit umgewandelten Lohnanteilen angespart worden ist, durch eine Zillmerungsregelung beeinträchtigt, so liegt eine unangemessene Benachteiligung vor und die entsprechende Klausel ist unwirksam. Einschränkung der Portabilität Laut dem genannten Urteil des LAG München steht auch eine Verrechnung der Abschlusskosten in fünf Jahren, wie ihn der Entwurf zum neuen Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vorsieht und die keine Zillmerung im eigentlichen Sinne darstellt, der von dem Gesetzgeber geforderten Flexibilität und Portabilität (§ 4 BetrAVG) der bAV entgegen und ist daher unzulässig. Durch die übertragungsmöglichkeiten und -ansprüche (gemäß § 4 BetrAVG) sollen Arbeitnehmer die unverfallbaren Versorgungsansprüche, welche sie während ihrer gesamten Erwerbsbiographie (bei verschiedenen Arbeitgebern) erworben haben, auf einem einzigen Altersvorsorgekonto konzentrieren können. Da der bei einem Arbeitgeberwechsel zu übertragende Wert der Anwartschaft im Falle einer Zillmerung – je nach Dauer der bisherigen Beitragszahlung – oftmals gegen Null tendiert oder im Extremfall sogar noch gar kein Rückkaufwert gebildet werden konnte, würde das mit den übertragungsregelungen in § 4 BetrAVG verfolgte Ziel der Portabilität bei Zulässigkeit gezillmerter Tarife ins Leere laufen. Mindest-Rückkaufwert Gezillmerte Tarife im Rahmen der Entgeltumwandlung stellen des Weiteren (so das LAG München) einen Verstoß gegen die Grundsätze der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 12. 10. 2005, IV ZR 162/03) zu (Mindest-)Rückkaufwerten bei Lebensversicherungsverträgen dar, die vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. Hiernach ist bei der vorzeitigen Beendigung von Lebensversicherungsverträgen mit gezillmerten Tarifen Folgendes sicherzustellen: Die berechneten Abschlusskosten müssen hinsichtlich • der verkürzten Laufzeit und • dem vom Versicherungsnehmer verfolgten Ziel einer Vermögensbildung in einem angemessenen Verhältnis zu den von dem Versicherungsunternehmen erbrachten Leistungen stehen. Der Rückkaufwert darf demnach nicht unverhältnismäßig gering sein, weshalb der BGH eine Untergrenze festlegte (= 50% des ungezillmerten Deckungskapitals, was etwa 45% der einbezahlten Beiträge entspricht). Die diesen Entscheidungen des BGH zugrunde liegenden Gesichtspunkte müssen erst recht bei der (rein) arbeitnehmerfinanzierten bAV gelten, bei der die Wahl des Durchführungsweges und des Produktgebers (Versicherungsunternehmen) alleine durch den Arbeitgeber erfolgt. Einwände der Versicherungswirtschaft Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wendet gegen das genannte Urteil des LAG München u. a. ein: • Mit gezillmerten Tarifen erreiche man höhere Ablaufleistungen. • Bei hinreichender Aufklärung des Arbeitnehmers liege eine privatautonome freiwillige (Individual-)Abrede vor, weshalb eine unangemessene Benachteiligung ausscheide. • In der vom Gericht zitierten neueren BGH-Rechtsprechung habe dieser gerade die grundsätzliche Zulässigkeit der Zillmerung festgestellt. • Zudem sei nach dem Entwurf eines neuen Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) eine Abschlusskostenverrechnung zumindest binnen fünf Jahren zulässig. Diese von der Versicherungswirtschaft gegen die Entscheidung des LAG München vorgebrachten Argumente überzeugen indes nicht. Das gesetzliche Gebot der Wertgleichheit kann mit einer angeblich höheren Ablaufleistung bei gezillmerten Tarifen nicht umgangen werden. In Anbetracht der Tatsache, dass Arbeitnehmer durchschnittlich nicht einmal fünf Jahre für einen Arbeitgeber tätig sind, wird die geforderte Portabilität und Flexibilität der bAV jedenfalls nicht erreicht. Auch ein ausdrücklicher Hinweis auf die Zillmerung macht aus einer allgemeinen Geschäftsbedingung keine Individualabrede. Ein gesetzliches Gebot kann dadurch nicht außer Kraft gesetzt werden. Die den Entscheidungen des BGH-Urteils (vom 12. 10. 2005) zugrunde liegenden Gedanken der Verhältnismäßigkeit der Abschlusskosten und der Zielsetzung einer Vermögensbildung sprechen, wie vom LAG München festgestellt, gegen die Zulässigkeit der Zillmerung bei der arbeitnehmerfinanzierten bAV. Im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird eine Vermögensbildung durch gezillmerte Tarife gerade vereitelt. Die grundsätzliche Zulässigkeit zillmerähnlicher Abschlussverrechnungsmethoden nach dem VVG-Reformentwurf (eine Zillmerung im eigentlichen Sinne soll gerade nicht mehr erlaubt sein), z. B. über fünf Jahre, spielt insofern keine Rolle, weil bei der Entgeltumwandlung das Wertgleichheitsgebot als vorrangiges Spezialgesetz zu beachten ist.
Praxishinweis: Auch wenn der GDV eine gegenteilige Auffassung vertritt: Das Bundesarbeitsgericht dürfte das Urteil des LAG München – der beklagte Arbeitgeber ist gegen dieses Urteil in Revision gegangen (Az. 3 AZR 376/07) – aller Voraussicht nach nicht abändern. Diese Einschätzung untermauert auch der Gesichtspunkt, wonach sich die Entscheidung des LAG München in wesentlichen Punkten auf die Ansichten des für bAV-Fragen zuständigen Vorsitzenden Richters am BAG Dr. Gerhard Reinecke stützt.
Konsequenzen für den Arbeitgeber Es droht die Rückabwicklung der Entgeltumwandlungs- Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer und der Verträge mit den Versicherern bzw. Produktgebern. Hinzu kommen Schäden aus Mehrbelastungen bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Hinsichtlich nachzuzahlender Abgaben drohen Verspätungszuschläge (0,5% oder 1,0% je Monat). Unter Umständen ist eine Selbstanzeige vorzunehmen, um so Straffreiheit zu erreichen. Neben Mehrkosten für Steuerberater oder Lohnbüros kommen noch Abgaben auf den Arbeitgeber zu, weil er den Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung nach Ablauf von drei Monaten nicht mehr vom Lohn abziehen kann.
Auswirkungen auf den Ausgangsfall (S. 206): • Zunächst wurde (unwirksam) ein Betrag (100%) umgewandelt in eine bAV. Die Abgabenersparnis lag (bis einschließlich 2008) bei rund 20% für den Arbeitgeber. Da nach knapp drei Jahren nun lediglich 10% der einbezahlten Beiträge als Rückkaufwert vorhanden sind, muss er die Differenz von fast 90% nachzahlen und dem Arbeitnehmer als Lohn abrechnen. • Darüber hinaus muss der Arbeitgeber etwa 40% an Sozialabgaben (Sozialversicherung auf 90%) nachzahlen. Somit trifft ihn eine Belastung von rund 125% der Beiträge, die der Arbeitnehmer eingebracht hat.
Wo sind die Beitragszahlungen geblieben? Aus dem vom Arbeitnehmer eingebrachten und vom Arbeitgeber weitergeleiteten Versicherungsbeiträgen er- rechnet der Produktgeber die gezillmerten Abschlusskosten bis zum gesetzlichen Höchstsatz von 4% der Summe der über die gesamte Vertragslaufzeit zu zahlenden Prämien (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Deckungsrückstellungsverordnung).
Reaktionsmöglichkeiten für Arbeitgeber Das auf breites Interesse gestoßene Urteil des LAG München wirft nun bei vielen Arbeitgebern die Frage auf: Wie sollen sie auf diese Entscheidung reagieren? Wer abwartet, riskiert einen noch höheren Schaden: Die Hoffnung auf eine anderslautende Entscheidung durch das Bundesarbeitsgericht (Revisionsverfahren, Az. 3 AZR 376/07) scheint angesichts der oben angeführten Gründe wenig berechtigt. Auch das Hoffen, die betroffenen Arbeitnehmer würden nicht klagen, bringt für Arbeitgeber nicht die gewünschte und nötige Sicherheit. Geboten ist auf jeden Fall, die bestehende bAV von Juristen und Versicherungsmathematikern überprüfen zu lassen und bis dahin keine neuen Verträge mit weiteren Mitarbeitern abzuschließen. Problematisch ist insofern jedoch: Der Arbeitnehmer kann aufgrund seines Anspruches gemäß § 1a BetrAVG auf einen Abschluss bestehen. Hinsichtlich möglicher Schadensersatzforderungen von Mitarbeitern sollten entsprechende Rückstellungen in den Bilanzen gebildet werden. Beim Kauf von Unternehmen sollten die Interessenten sich die bestehende bAV genau ansehen und nach damit verbundenen Risiken in den Bilanzen fragen. Abzuraten ist jedoch von dem übereilten Abschluss neuer Produkte. Zumindest sollte man diese zuvor rechtlich und versicherungsmathematisch überprüfen lassen. Arbeitgeber sollten zudem daran denken: In diesem Zusammenhang könnten ihnen eventuell Regressansprüche gegen Vermittler oder Versicherer bzw. andere Produktgeber wegen fehlerhafter Auskunft bzw. Falschberatung zustehen. In vielen Fällen wurden die Arbeitgeber beim Abschluss der bAV von den Vermittlern sogar überhaupt nicht aufgeklärt. Diese wandten sich vielmehr nur an die Mitarbeiter und leiteten die Verträge dann lediglich einfach an die Personalabteilungen der Unternehmen weiter, wo sie mangels Aufklärung über die damit unter Umständen verbundenen Risiken und Nachteile dann abgeschlossen wurden. Insbesondere eine unterlassene Aufklärung über den unbestimmten Rechtsbegriff der „Wertgleichheit“ stellt eine Verletzung der rechtlichen Pflichten des Vermittlers dar. Ein Anspruch gegen den jeweiligen Versicherer bzw. Produktgeber könnte bereits daraus folgen, dass auch der (Versicherungs-) Vertrag mit diesem unwirksam ist. Die Nichtigkeit der Entgeltumwandlungs-Vereinbarung schlägt auf diesen durch, weil es sich um ein Vertragsbündel mit wechselseitiger Bezugnahme handelt. Zur gerichtlichen Geltendmachung solcher Ansprüche haben Arbeitgeber zumindest drei Jahre Zeit. Dabei sollte nicht erst abgewartet werden, bis die Arbeitgeber ihrerseits durch ihre Mitarbeiter in Regress genommen werden. Im übrigen bieten viele Produktgeber (Versicherer) aufgrund des LAG-Urteils mittlerweile an, den Arbeitgeber im Falle der Nichtigkeit der Entgeltumwandlungs-Vereinbarung von Ansprüchen seiner Mitarbeiter freizustellen. Gegebenenfalls sollte auch bezüglich bereits bestehender Verträge auf eine solche Regelung hingewirkt werden.
Hinzu kommen oft noch sog. überrechnungsmäßige Abschlusskosten, laufende Kosten und Risikobeiträge. Unter Umständen werden bei vorzeitiger Vertragsbeendigung darüber hinaus sogar Stornoabzüge fällig. Eine Aufklärung über dieses mit gezillmerten Tarifen bei der arbeitnehmerfinanzierten bAV verbundene Risiko unterbleibt bei der Vermittlung in der Regel. ❒
Die Autoren Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt, MBA Finanzdienstleistungen, Master of Business Administration (Univ. of Wales), Master of Mediation (Univ.), Bankkaufmann (IHK), Lehrbeauftragter für Bürgerliches Recht und Versicherungsrecht (Univ. of Cooperative Education), und Dipl.-Jur. Univ. Thomas Keppel, Rechtsanwalt, München (E-Mail: info@fiala.de, Internet: www.fiala.de).
Veröffentlicht in ‚Bilanzbuchhalter und Controller’ (BC), Heft 7/2007, Betriebliche Altersversorgung: Pflicht des Arbeitgebers zum Verlustausgleich bei Entgeltumwandlung, Seite 206 bis 209, mit freundlicher Genehmigung der BC-Redaktion, Verlag C. H. Beck oHG, Münchenhttp://www.bc-online.de/>www.bc-online.de.

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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