Dr. Johannes Fiala: Rüruprente kann gepfändet und gekündigt werden

 

Wenn der Lehrbeauftragte für Bürgerliches Recht und Versicherungsrecht an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala (53, Foto – Dr. Fiala) aus München, zu Seminaren einlädt, auf denen man lernt, wie man seine Altersvorsorge und sein Vermögen vor Pfändungen sichert, erwartet er normalerweise Fachanwalts-Kollegen, die Unternehmer beraten.

 

“Doch von denen kommt fast niemand”, beschreibt Dr. Fiala ein erstaunliches Phänomen gegenüber dem Finanznachrichtendienst GoMoPa.net. “Stattdessen sitzen mir in den Seminaren lauter gierige Insolvenzverwalter gegenüber, die wissen wollen, wie man an das Geld der Schuldner kommt.”

 

Und da hat Rechtsexperte Dr. Fiala tatsächlich brisante Informationen zu bieten. “Viele Versicherungen schicken Ihren Außendienst mit einer dicken Vertriebslüge über die Basisrente oder auch Rürup-Rente zu den Unternehmern. 

 

Die Versicherungen  behaupten, die steuerlich geförderte Rürup-Rente (im Augenblick kann man 14.800 Euro pro Person und Jahr von der Steuer als Sonderausgaben absetzen, wenn man 20.000 Euro einbezahlt – die absetzbare Summe steigt jährlich um 2 Prozent der Einzahlungen, bis zum Jahre 2025 auf 20.000 Euro an) sei in der Ansparphase bis zum Rentenbeginn vor Pfändungen geschützt und auch nicht kündbar. Beides ist falsch. Die Rürup-Rente ist pfändbar, sie kann auch gekündigt werden.”

 

In der Praxis wird die Rürup-Rente (Basisrente) dann auch noch mit einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung gekoppelt, die man für sich genommen so nicht von der Steuer absetzen könnte, aber als Bestandteil des Rürup-Rentenvertrages bis zu den genannten Höchstsummen dann schon. “Aber gerade dieses Versicherungsgestaltungsmodell macht die Rürup-Rente für Gläubiger, Insolvenzverwalter und Finanzämter besonders angreifbar und den angeblichen Pfändungsschutz weitgehend zunichte”, warnt Dr. Fiala die Unternehmer.

 

Gerade die gerne verkauften Rürupverträge mit maximal steuerlich zulässigem Einschluss einer Berufsunfähigkeitsrente sind nicht pfändungsgeschützt, weil die gegenüber der versicherten Altersrente dann weit höheren BU-Renten den Anforderungen an eine begrenzt pfändungsgeschützte Altersvorsorge nach Paragraph 851c Zivilprozessordnung (ZPO) widersprechen, weil diese keine wesentlich höhere BU-Rente als die spätere Altersrente erlauben.

 

GoMoPa.net: “Kennen Sie ein Versicherungsunternehmen, das seine Vertriebe  und Kunden über dieses Risiko wahrheitsgemäß aufklärt?”

 

Dr. Fiala: “Nein, kein einziges. Höchstens ein paar Makler, denen der Widerspruch zwischen den Aussagen aus den Innendiensten der Versicherer zur tatsächlichen Gesetzeslage und entsprechenden Gerichtsurteilen aufgefallen ist, nämlich, dass der Paragraph 851c ZPO nur so kleine Beiträge pfändungsgeschützt zulässt, dass diese gerade mal später eine Altersrente von maximal rund 1.000 Euro ergeben. Alles, was darüber hinaus angespart wird, kann grundsätzlich jederzeit gepfändet werden.”

 

Im Exklusivinterview mit GoMoPa.net erklärt Rechtsexperte Dr. Fiala, bis zu welchen Summen die Rürup-Rente im Jahr tatsächlich pfändungssicher ist, wann Fiskus und Insolvenzverwalter oder Hartz-IV-Amt zuschlagen können, und wie man als Unternehmer oder Freiberufler sein Geld vor Pfändungen wirklich in Sicherheit bringen kann.

 

Die Rürup-Überzahlungsfalle

 

Ein 29-jähriger darf zwar im Jahre 2012 bis 14.800 Euro von der Steuer absetzen, aber nur 2.000 Euro davon sind als Einzahlung vollständig pfändungsgeschützt und das auch nur, wenn die Rente vier Bedingungen erfüllt: 1. lebenslang ab 60 oder bei Berufsunfähigkeit, 2. ohne Abtretung oder Verpfändung an Dritte, 3. als Kapital nur im Todesfall an Ehepartner und Kinder und 4. ansonsten nur als Rente auszahlbar im Vertrag verankert ist. Außerdem darf insgesamt nur eine Summe von 238.000 Euro angespart sein. Die Einzelheiten folgen hier.

 

GoMoPa.net: Wie viel Kapital ist denn bei Rürup in der Ansparphase vor Pfändung geschützt? Wann beginnt also eine überzahlung, die dann gepfändet werden könnte?

 

Dr. Fiala (Foto – Dr. Fiala): “Als Faustregel kann man sagen, dass eine Basisrente bis zu einer späteren Rente in Höhe von rund 1.000 Euro vor Pfändungen geschützt ist. Alles, was man dafür in der Ansparphase einzahlt, ist nur in den engen Grenzen des Paragraphen 851c ZPO geschützt.

 

Um aber überhaupt erst einmal einen Cent vor Pfändung zu schützen, müssen vier Bedingungen, die der 1. Absatz des Paragraphen 851c ZPO festschreibt, auch wirklich im Vertrag stehen, was nicht die Norm ist.

 

Die erste Bedingung ist, dass die Rente lebenslang und erst ab dem 60. Geburtstag oder bei Berufsunfähigkeit gezahlt wird.

 

Die zweite Bedingung ist, dass sie vom Sparer nicht verpfändet oder abgetreten werden darf.

 

Die dritte Bedingung betrifft das Bezugsrecht im Todesfall. Es darf nur das biometrische Risiko versichert sein, also nur Ehepartner und Kinder begünstigt werden.

 

Viertens muss es eine Rente sein und keine Kapitalauszahlung, außer für den Todesfall an die Hinterbliebenen.

 

Erst jetzt macht es Sinn über pfändungsfreie Einzahlungssummen zu sprechen.

 

Die Rürup-Rente wird in erster Linie als Steuerverlagerungsmodell verkauft. Im Jahre 2005 durfte man in der Ansparphase 60 Prozent (12.000 Euro) vom Maximalförderbetrag 20.000 Euro pro Jahr und Person als Sonderausgaben von der Steuer absetzen. Jedes Jahr kommen zwei Prozent dazu, im Augenblick sind wir bei 74 Prozent (14.800 Euro) von 20.000 Euro, im nächsten Jahr bei 76 Prozent (15.200 Euro) und im Jahre 2025 dann bei 100 Prozent der 20.000 Euro.

 

Versteuert wird das Einkommen erst im Rentenalter, wenn die Rürup-Rente ausgezahlt wird. Da gibt es aber zeitliche Staffelungen, die den bestraft, der früher in Altersrente geht. Wenn ich zum Beispiel mit 53 Jahren zu sparen beginne und mit 61 Jahren in Rente gehe, muss ich 80 Prozent der Leistungen aus den Alterseinkünften versteuern.

 

Alle gesetzlichen Renten einschließlich Rürup-Renten wurden bei einem Auszahlungsbeginn in 2005 zu 50 Prozent besteuert. Der steuerpflichtige Rentenanteil steigt zunächst jährlich um 2 Prozent nach dem Alterseinkünftegesetz. Zunächst betrug der steuerpflichtige Rentenanteil also 50 Prozent im Jahre 2005, und steigert sich jährlich um 2 Prozent auf 80 Prozent im Jahr 2020. Danach steigert sich der steuerpflichtige Anteil um 1 Prozent jährlich ab dem Jahr 2021, bis dann 100 Prozent im Jahre 2040 erreicht sind.

 

Die steuerlich geförderten Summen haben aber nichts mit Pfändungsschutz zu tun. Die pfändungsfreien Sparsummen liegen weit unter den Steuerfördersummen.

 

Hier ist der Paragraph 851c ZPO zum Pfändungsschutz bei Altersrenten ausschlaggebend. Dieser Paragraph nennt im 2. Absatz konkrete Zahlen. Zunächst einmal geht es um die Summe, die jedermann überhaupt erst einmal in seinem Leben pfändungsfrei ansparen darf. Das ist ein Deckungskapital (Rückkaufswert) von maximal 238.000 Euro. Das ist die Summe, die man durchschnittlich bei Rentenbeginn mit 60 Jahren für eine lebenslange Rente von vielleicht bis zu rund 1.000 Euro braucht. Der Gesetzgeber hat diese Summe als pfändungsgeschützt zugelassen, damit der Selbständige im Alter nicht dem Staat als Sozialfall auf der Tasche liegt.”

 

GoMoPa.net: Geht bei einer Überzahlung im Pfändungsfall nur der überzahlte Teil verloren oder das gesamte Kapital?

 

Dr. Fiala: “Nur der überzahlte Teil, und zwar gestaffelt. Bis zu einem Rückkaufswert beziehungsweise Deckungskapital von 238.000 Euro zum Zeitpunkt der Insolvenz darf der Insolvenzverwalter möglicherweise nichts pfänden. Der Versicherungskunde darf zwar die geschützten Staffelbeträge des § 815c ZPO nachbezahlen (zum Beispiel vom 18. bis zum 29. Lebensjahr jährlich 2.000 Euro), aber eben nicht überzahlen – somit sind bei einer Insolvenz in der Regel weit weniger als 238.000 Euro pfändungsgeschützt.

 

Wenn beispielsweise ein 65-jähriger mehr als 238.000 Euro angesammelt hat, dürfen Gläubiger durch Pfändung und entsprechend auch ein Insolvenzverwalter gestaffelt zuschlagen. Bis zum Dreifachen des Pfändungsfreibetrages gehen 70 Prozent der Überzahlung in die Insolvenzmasse oder im Wege der Pfändung an den Gläubiger, danach 100 Prozent des zu viel Gezahlten. Bei einem Rückkaufswert von 714.000 Euro dürfen von den zu viel gezahlten 476.000 Euro 70 Prozent, das wären 333.200 Euro, gepfändet werden. Bei einem Rückkaufswert ab 714.000 Euro ist alles über diese Summe hinaus Angesparte zu 100 Prozent weg.

 

Bei voller Ausschöpfung der Steuerförderung von im Augenblick 14.800 Euro pro Jahr (also einem jährlichen Zahlbeitrag von 20.000 Euro in die Rürup-Rente), hätte man schon in 12 Jahren seines Arbeitslebens den Pfändungsfreibetrag von bis zu 238.000 Euro Deckungskapital voraussichtlich überschritten.

 

Der zweite Begrenzungs-Riegel: Jüngere dürfen pro Jahr nur 2.000 Euro, ältere nur 9.000 Euro pfändungsfrei einzahlen

 

Dr. Fiala weiter: “Doch dieses pfändungsgeschützte Deckungskapital von 238.000 Euro gilt nicht als einziger Maßstab im Falle der Insolvenz. Es gibt noch einen zweiten Riegel, der die pfändungsfreien Beträge noch einmal begrenzt. Je nachdem, wie alt ich bin, darf ich pro Jahr nur eine bestimmte Summe pfändungsfrei ansparen.

 

Der Paragraph 851c ZPO regelt, dass ein 18- bis 29-jähriger 2.000 Euro pro Jahr pfändungsfrei ansammeln dar. Ein 30- bis 39-jähriger darf jährlich 4.000 Euro, ein 40- bis 47-jähriger 4.500 Euro, ein 48- bis 53-jähriger 6.000 Euro, ein 54- bis 59-jähriger 8.000 Euro und ein 60- bis 65-jähriger 9.000 Euro pfändungsfrei einzahlen. So kann man halt beispielsweise als 60-jähriger nicht mal eben auf einen Schlag 200.000 Euro in die Rürup-Rente stecken, um sie später vor den Gläubigern zu schützen, auch wenn die 200.000 Euro die absolute Pfändungsfreisumme von 238.000 Euro unterschreiten würden.

 

Es müssen also für die Pfändungsfreiheit zwei Bedingungen erfüllt sein, erstens, dass man mit dem Rückkaufswert nicht über 238.000 Euro kommt, und zweitens, dass man je nach Lebensalter innerhalb der jährlichen Sparsummen bleibt, die bei 2.000 Euro beginnen und bei 9.000 Euro enden. Dabei sind Nachzahlungen für die Vergangenheit erlaubt ? Vorauszahlungen jedoch nicht.”

 

Die Berufsunfähigkeitsversicherungsfalle

 

GoMoPa.net: Was ist mit der Berufsunfähigkeitsversicherungsfalle? Wenn ich monatlich 200 Euro bei Rürup einzahle und den Vertrag an eine BU-Versicherung koppele und hier noch einmal 100 Euro monatlich bezahle, um somit auch die BU-Versicherung in die Sonderausgaben (bis 20.000 Euro im Jahr) zur Steuerabschreibung hereinzuholen, werde ich bei diesem Modell auf der anderen Seite damit bestraft, dass nun das gesamte Kapital (monatlich 300 Euro) nicht mehr vor Pfändung geschützt ist, weil nämlich die BU-Rente in der Regel höher liegt als die zu erwartende Altersrente aus Rürup? Ist also unter dem Pfändungsgesichtspunkt in jedem Fall von einer Koppelung von Rürup mit BU abzuraten?

 

Dr. Fiala: “Das ist eine kluge Frage. Bei der Koppelung sehe ich zunächst einmal folgende Gefahr. Die Basis-Renten-Versicherung (Rürup) kann man in der Regel jederzeit beitragsfrei stellen lassen. Zum Beispiel, wenn man sich arbeitslos meldet, kann man der Versicherung sagen, ich kann dieses Jahr nicht die ausgemachten 20.000 Euro liefern.

 

Die Beitragsfreistellung reduziert bei einem Normalvertrag auch die Leistung aus der BU-Versicherung. Das heißt, wenn es mir finanziell schlecht geht, verliere ich auch noch den nötigen Schutz für den aller schlechtesten Fall, dass ich meinen Beruf gar nicht mehr ausüben kann. Die normale Koppelung von Rürup und BU ist ein typischer Gestaltungsfehler. Hier hätte eine Trennung der Verträge den Vorteil, den BU-Schutz nicht möglicherweise teilweise oder komplett zu verlieren.

 

Und ob für den Schutz vor einer Pfändung die Koppelung von Rürup mit einer BU Sinn macht, ist eher eine Frage, was ist weniger schlimm: Pest oder Cholera? Die Mehrbeiträge für die BU-Versicherung treiben die Rürupbeiträge schneller über die jährlichen Pfändungsfreigrenzen. Und wird man erst einmal gepfändet, kann man die Rürupbeiträge meist nicht mehr weiter zahlen. Es folgt Beitragsfreistellung und eine drastische Reduzierung des Versicherungsschutzes, auch für die BU.”

 

GoMoPa.net: Sie sprachen von einem Gestaltungsfehler in einem Normalvertrag. Gibt es eine Gestaltungsmöglichkeit, den Steuervorteil der Rürup für die BU mitzunehmen und dennoch die Höhe der einmal ausgemachten BU-Rente nicht aufs Spiel zu setzen?

 

Dr. Fiala: “Eine hohe EU-Rente ist oft nur bei Trennung von Rürup und BU und damit ohne den besonderen Rürup-Steuervorteil realistisch. Bei Beitragsfreistellung oder Pfändung des Rürupvertrages, wenn die zulässigen Jahresbeiträge überschritten wurden, reduziert sich der angekoppelte BU-Schutz.

 

Man könnte den Gestaltungsfehler reparieren, indem man eine Gestaltungsübertragung auf einen anderen als den Betroffenen vornimmt, zum Beispiel auf die Ehefrau oder Tochter oder den Sohn. Sie oder er könnte dann die Beiträge weiterzahlen.

 

Auch kann man den BU-Tarif ändern. Und zwar in einen Tarif, bei dem ich den Beitrag für die Risikoversicherung gleich im Voraus bezahle. Dies ist Verhandlungssache. Wenn ich selbst der Versicherungsnehmer bin, könnte jedoch der Insolvenzverwalter kündigen beziehungsweise ein Gläubiger pfänden.

 

Wenn Sie 40 Jahre alt sind und 1.500 Euro BU-Rente haben wollen, müssen Sie dafür einen Jahresbeitrag von etwa 900 bis 1.000 Euro rechnen. Machbar wäre, die Frau als Versicherungsnehmerin einzusetzen. Sie wettet nun gegen die Versicherung über Ihren Kopf um die BU. Das Geld ist wie bei jeder Risikoversicherung normalerweise weg, ob sie die BU-Rente bekommen oder nicht. Aber im Fall der Berufsunfähigkeit hätten Sie die Auszahlung von 1.500 Euro BU-Rente abgesichert, solange nur sie und nicht die Ehefrau insolvent werden.

 

Bleiben Sie der Versicherungsnehmer der BU und koppeln Sie die BU mit der Rürup, um Steuern zu sparen, macht Ihnen die BU-Rente in Höhe von 1.500 Euro den Pfändungsschutz nach Paragraph 851c ZPO kaputt. Sie müssen es zwangsläufig letztendlich so machen, was in den meisten BU-Tarifen nicht üblich ist, dass Sie die BU-Rente in etwa gleich hoch mit der Altersrente absichern. Das bedeutet eine lebenslang abgesicherte BU-Rente in Höhe von vielleicht bis zu 800 Euro, die in dieser Höhe nahtlos (ohne Unterbrechung) zur Altersrente wird. Die BU darf nicht mit 60 Jahren enden und die Altersrente erst mit 62 Jahren beginnen.

 

Es gibt 3 bis 4 Anbieter auf dem Markt , die eine lebenslange BU als Basisrente anbieten können. Bei Beratung durch Kreditinstitute ist es leider offenbar die Regel, dass ohne die Einkommensteuer gerechnet wird, und die BU-Rente sowieso geringer als der Bedarf eingeplant wurde.

 

Wer eine hohe und wahrscheinlich angemessene BU-Rente absichern will, um die Einkommenslücke bis zur Rente zu schließen, für den ist die Koppelung mit Rürup nicht zu empfehlen. Aber selbst, wenn ihm eine Rente von 800 Euro reichen würde, riskiert er in schlechten Zeiten der Beitragsfreistellung selbst diesen BU-Schutz. Es sei denn Versicherungsnehmer der BU-Versicherung ist die Ehefrau oder Tochter.”

 

GoMoPa.net: Bekomme ich solche Lösungen beim Versicherungsvermittler von der Stange?

 

Dr. Fiala: “In der Regel muss man bei solchen Gestaltungen mehrere Rechtsgebiete berücksichtigen, beispielsweise das Steuerrecht, das Versicherungsrecht und das Insolvenzrecht. Zudem wird eine Art von Vermögensschutz in der Versorgung fürs Alter und bei Berufsunfähigkeit eine Gesamtbetrachtung erfordern, denn beispielsweise muss ja die Ehefrau beziehungsweise ein Kind in der Lage sein, die Beiträge etwa für die BU-Versicherung auch bis zum Schluss aufzubringen.

 

Im Einzelfall kann man dies auch als legales Steuersparmodell installieren, welches am Ende vielleicht sogar nach Steuern mehr bringt als jeder Rürupvertrag. So etwas sind dann bildlich gesprochen Maßanzüge. Ich kennen keinen Versicherer, der für solche Fälle eine eigene qualifizierte Kreativabteilung besitzt.”

 

GoMoPa.net: Wie sieht denn ein typischer Fall in der Praxis aus?

 

Dr. Fiala: “Der BGH hatte (Urteil vom 15. Juli 2010, Aktenzeichen IX ZR 132/09) einen Fall zu entscheiden, bei dem eine private Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht eingezogen werden sollte. Die verklagte Versicherungsgesellschaft musste zunächst mal das vom Kunden angesparte Vermögen zur Altersversorgung komplett an den Insolvenzverwalter abliefern. Ein Teil der Prämien war für eine Berufsunfähigkeitsversicherung geleistet worden. Hier stellte der BGH klar, dass auch die bereits laufende Berufsunfähigkeitsrente bedingt pfändbar ist.

 

Fällt die BU-Rente hoch aus, können Gläubiger und Insolvenzverwalter nach Billigkeitsgesichtspunkten im Einzelfall einen Teil oder die gesamte BU-Rente einziehen. Ob und wie viel BU-Rente dem ehemaligen Selbstständigen verbleibt, entscheidet dann das zuständige Gericht. Wird die BU-Rente zu hoch abgeschlossen, kann es durchaus vorkommen, dass für spätere Verluste der Vermittler und/oder der Versicherer haften, denn es kann insoweit eine rechtliche Hinweis- beziehungsweise Beratungspflicht bestehen, wie jüngst vom OLG Karlsruhe (Urteil vom 15. September 2011, Aktenzeichen 12 U 56/11) in einem ähnlichen Fall entschieden.”

 

GoMoPa.net: Kann die Rürup-Rente auch in der Auszahlphase gepfändet werden?

 

Dr. Fiala: “Der Paragraph 851c ZPO schützt die im Verhältnis zur Steuerabschreibung eher geringen Beiträge allerdings nur in der Einzahlphase, bis etwas rauskommt. In der übrigen Auszahlphase gilt die Pfändungstabelle. Sie ist erst einmal bis Mitte 2013 festgezurrt. Demnach hat ein Lediger 1.029,99 Euro im Monat frei. Ein Verheirateter bei Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau 1.419,99 Euro.

 

Diese Freibeträge lassen sich auf Antrag erhöhen, wenn man zum Beispiel besonderen Mehraufwand durch einen Krankheit hat. Auch Unterhaltspflichten gegenüber Kindern erhöhen den Pfändungsschutz. Grundsätzlich kann man den Pfändungsschutz durch gerichtliche Entscheidung erhöhen lassen, soweit damit aktuelle Leistungen der Sozialhilfe vermieden werden.

 

Es werden alle Einkommensquellen zusammengerechnet. Wenn man zum Beispiel eine Erwerbsminderungsrente bei der Deutschen Rentenversicherung Bund oder eine Rürup-Rente oder eine BU-Rente bekommt oder wenn man Kindern eine Immobilie übertragen hat und die Kinder einem eine Leibrente von 1.000 Euro zahlen. Und natürlich Zinsen und Dividenden.”

 

GoMoPa.net: Kommen wir zur Ansparphase zurück. Wie kann eine überzahlung der Rürup-Rente überhaupt gepfändet werden, wenn doch die Rürup laut Versicherern gar nicht gekündigt werden darf? Die Versicherer behaupten, der vertragliche Verwertungsausschluss verbiete es auch dem Gläubiger, das angesparte Kapital durch Kündigung zu verwerten. Daher sei das Kapital der Rüruprente vor Rentenbeginn insolvenzsicher.

 

Dr. Fiala: “Der Gesetzgeber hat eine Kündigung ausdrücklich nicht ausgeschlossen, sonst wäre ja auch der ganze Paragraph 851c ZPO sinnlos, der den Pfändungsschutz in der Ansparphase auf ein Minimum begrenzt. Die Annahme der Nichtkündbarkeit geht völlig fehl, wie der Bundesgerichtshof (BGH) am 1. Dezember 2011 (Aktenzeichen: IX ZR 79/11) feststellte. Das wollte der Gesetzgeber nicht und darf es verfassungsrechtlich wegen des Eigentumsschutzes des Gläubigers auch nicht einführen.

 

übrigens ist der § 851c ZPO erst am 31. März 2007 in Kraft getreten. Vorher konnte der Insolvenzverwalter beinahe jedwede private Lebensversicherung von Selbstständigen kündigen und zur Masse ziehen. Es kam nicht darauf an, ob eine Kapitalauszahlung  der eine Rente vorgesehen war.”

 

Der Rürup-Vertrag kann aus verschiedensten Gründen gekündigt werden.

 

Der Klassiker dürfte hier das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 4. April 1951 (Aktenzeichen II ZR 32/50 in NJW 1951, 714 ff.) sein. Der BGH hat hier schon allein aus der Unzumutbarkeit der Weiterführung eines Versicherungsvertrages oder der Notlage des Versicherungsnehmers eine außerordentliche fristlose Kündigung aus besonderem Grund bejaht.

 

Ein Beispiel: Wenn es dem Finanzhaus, bei dem man eine Altersrente (Rürup) abgeschlossen hat, schlecht geht, kann es dem Kunden einer Bank oder Versicherung nicht zugemutet werden, dass er bei dem Finanzhaus bleibt. Er kann dann außerordentlich kündigen.

 

Ein anderes Beispiel wäre eine Notlage. Die wäre gegeben, wenn man Prozesskostenhilfe beantragen müsste. Hier sind die Gerichte bisweilen gnadenlos und verlangen die Verwertung des nach Paragraph 851c ZPO überzahlten Beitrages zur Rürup-Rente, ansonsten versagen sie eine Prozesskostenhilfe.

 

Auch die Hartz-IV-Ämter haben keine gesetzliche Grundlage, den Rürup-Vertrag in Ruhe zu lassen. Derzeit gibt es eine interne Richtlinie in der Bundesagentur für Arbeit, dass man ALG II (Hartz IV) zahlen solle, ohne sich für Rürup zu interessieren. Das kann sich jederzeit in der Praxis ändern.

 

Es bräuchte doch nur ein Abgeordneter eine Anfrage an die Bundesregierung zu  nichten, ob es stimmt, dass der Chef der Bundesagentur für Arbeit so eine Anweisung ohne gesetzliche Grundlage herausgegeben hat.

 

Wenn der Staat Hartz IV oder andere Sozialleistungen, gegebenenfalls Prozesskostenhilfe, zahlen müsste, kann er den vorherigen Verbrauch des pfändbaren Rürupkapitals durch außerordentliche Kündigung verlangen, wie in der Gesetzesbegründung zur pfändungsgeschützten Altersvorsorge ausdrücklich festgestellt wurde. Wie dort ausgeführt, kann ein außerordentliches Kündigungsrecht unter besonderen Umständen wie der Verweigerung von Hartz-IV-Leistungen wegen des Rürupkapitals auch bei einem vertraglich ordentlichen Kündigungsverbot nicht ausgeschlossen werden.

 

Dasselbe gilt übrigens auch für Riesterverträge, hier ist hinsichtlich Überzahlungen, also wer mehr als die steuerlich geförderten 2.100 Euro pro Jahr einzahlt, gar nichts geschützt.

 

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat am 31. März 2010 per E-Mail für alle Finanzbehörden im Schreiben zur Steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge und betrieblichen Altersversorgung klargestellt (Geschäftszeichen IV C 3 – S 2222/09/10041 , Dokument 2010/0256374): “Der Pfändung des … Altersvorsorgevermögens steht ein vertragliches Abtretungs- und übertragungsverbot nicht entgegen.”

 

Entsprechend hatte auch bereits der BGH am 25. August 2004 entschieden (Aktenzeichen IX a ZB 271/03), dass selbst eine Regelung in der Satzung eines Altersversorgungswerkes über die Nichtübertragbarkeit der Pfändbarkeit nicht entgegen steht.

 

Die Rürup-Lüge der Versicherer wird damit begründet, dass vertraglich ein Verwertungsausschluss vereinbart wäre und die übertragbarkeit ausgeschlossen sei. Aber solche vertraglichen Ausschlüsse retten nicht vor der Pfändung, weil verfassungsrechtlicher Gläubigerschutz (der Staat darf verfassungskonform nur das soziale Minimum vor dem Gläubiger schützen) vorrangig ist, wie das BMF nun nochmals hervorgehoben hat. Der BGH hat wiederholt entschieden, dass auch Forderungen für die ein vertragliches Abtretungsverbot vereinbart worden ist, pfändbar sind.

 

Das Finanzamt schaut wohl ebenfalls ungern dabei zu, wie der Selbständige (Freiberufler und Gewerbetreibende) sich eine großzügige Altersversorgung beiseite schafft und etwa seine Steuern schuldig bleibt.”

 

GoMoPa.net: Aber was nützt eine außerdordentliche fristlose Kündung eines Rürupvertrages wegen einer Notlage, wenn es doch gar keinen Rückkaufswert gibt, wie die Versicherer weiter behaupten?

 

Dr. Fiala: “Es trifft auch nicht zu, dass es bei der Rürup-Rente gar keinen Rückkaufswert gäbe, was die Versicherer hilfsweise behaupten. Vielmehr ermittelt sich dieser stets aus dem angesammelten Deckungskapital. Es ist lediglich bei einer ordentlichen Kündigung nicht auszuzahlen. Tatsächlich auszuzahlen ist der Rückkaufswert dann aber schon bei Rücktritt oder Anfechtung, ebenso bei außerordentlicher Kündigung gemäß § 314 BGB (beispielsweise, weil die Arbeitsagentur wegen der Anrechnung des angesparten Vermögens keine Leistungen nach ALG II oder Harz IV erbringt) und eben auch gemäß § 851c ZPO bei Pfändung eines zu hohen und damit (teilweise) nicht pfändungsgeschützten Rürup-Kapitals.”

 

GoMoPa.net: Was kann ich unternehmen, wenn ich eine normale Lebensversicherung habe?

 

Dr. Fiala: “Sie können gegenüber Ihrem Versicherer einen Verfügungsverzicht erklären, und diesen dann mit dem Versicherer vereinbaren. Dies dient dann zur Erlangung eines Pfändungs- und Insolvenzschutzes nach §§ 851c ZPO, 36 Abs. 1 InsO, 168 Abs. 3  VVG.

 

Natürlich können Sie auch überlegen, ob dieser Vertrag für den Fall einer Schieflage richtig gestaltet ist, also beispielsweise ob Sie den Vertrag nicht besser auf den Ehepartner übertragen sollten?

 

Wichtig ist auch, dass die allermeisten Rürup- beziehungsweise Basisrentenverträge nach den Versicherungsbedingungen gar nicht alle Voraussetzungen des § 851c ZPO vollauf erfüllen werden – der so genannte Verfügungsverzicht ist eine notwendige, eben keine hinreichende Bedingung für den Pfändungsschutz.”

 

GoMoPa.net: Was empfehlen Sie jedem Selbständigen, der in der Einzahlungsphase seine Kapitaldecke zu 100 Prozent vor Pfändungen schützen möchte?

 

Dr. Fiala: “Es steht nahezu jedem Selbständigen frei, das sind immerhin etwa 10 Prozent der Erwerbstätigen, in die gesetzliche Deutsche Rentenversicherung freiwillig einzuzahlen. Alles, was dort in der Einzahlungsphase eingezahlt wird, ist in der Einzahlungsphase pfändungsgeschützt. Zur Zeit sind dies Beiträge in Höhe von monatlich 1.097 Euro (Höchstbeitrag) oder jährlich 13.164 Euro. 

 

Ein besonderer Charme dabei kann sein, dass man damit in bestimmten Fällen auch einen gesetzlichen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente erwirbt, und es die Option gibt für gewisse Zeiten zurückliegender Jahre freiwillig nachzubezahlen. Aus der Sicht eines Kapitalanlegers würde man von einer sinnvollen Risikostreuung sprechen, wenn man zumindest auch eine gesetzliche Rente aufbaut.

 

Das Kapital geht nicht verloren, und entgegen aller Kritik bekommt man bei durchschnittlicher Lebenserwartung absehbar nach über 20 Jahren eine positive Rendite. Wegen des Generationenvertrages spricht man hier auch vom Umlageverfahren. Demgegenüber steht das Verfahren der Kapitaldeckung, welches beispielsweise bei zahlreichen Versorgungswerken beziehungsweise Versorgungskammern die Aussicht auf eine negative Rendite bieten. So haben mehrere Versorgungswerke bereits Anwartschaften und Leistungen gekürzt, oder stehen kurz davor. In der Presse wurde über Kürzungen von 30 Prozent oder auch über 50 Prozent bereits in den letzten Jahren berichtet. Solche Einrichtungen informieren ihre Mitglieder üblicherweise erst im Nachhinein darüber, dass man beispielsweise in Griechenlandanleihen mit Kapitalschnitt investiert hat.

 

Die freiwillige gesetzliche Rentenversicherung gibt es schon seit langem. Der Paragraph 851c ZPO für eine private Basisrente (Rürup) ist ja erst vor ein paar Jahren hereingekommen. Dieser Paragraph schützt übrigens nicht die betriebliche Altersversorgung der Selbstständigen ? auch in diesem Bereich ist der Totalverlust bei Insolvenz des Unternehmens in der Praxis eher die Regel.

 

Meine Empfehlung lautet: Schließen Sie eine kleine Basis- sprich Rüruprente nicht oberhalb der Grenzen des Paragraphen 851c ZPO ab und zahlen Sie freiwillig in die Deutsche Rentenversicherung ein, und als Freiberufler in ein Versorgungswerk nach Möglichkeit nur, wenn die Satzung neben dem übertragungsverbot auch ausdrücklich einen Pfändungsschutz in der Einzahlphase vorschreibt.

 

Bei Versorgungswerken beziehungsweise Versorgungskammern kann man regelmäßig freiwillige Mehrbeiträge leisten. Oft ist es ein kluger Plan, nicht alles auf ein Pferd zu setzen. Handelt es sich um Versorgungen auf Basis einer Kapitaldeckung ist entscheidend, dass das Anlagemanagement kompetent und seriös genug ist. Dies dürfte bei ganz wenigen Finanzhäusern der Fall sein, und kann sich jederzeit ändern.

 

Haben Sie darüber hinaus Vermögen, das nicht gepfändet werden soll oder nicht als Pflichtteil ausgezahlt werden soll, bieten sich Versicherungen und Stiftungen im In- und Ausland an. Man sollte aber nicht 10 Millionen Euro bei einer Bank und in einem Land anlegen, sondern ebenfalls streuen.

 

Egal, was man als Selbständiger unternimmt, das Entscheidende ist, alle Dinge in guten Zeiten zu tun. Alles andere könnte strafbar sein. Vereitelung der Zwangsvollstreckung ist solch ein Straftatbestand.”

 

GoMoPa.net: “Herr Dr. Fiala, wir danken für die Ausführungen.”

 

Dr. Johannes Fiala

mit freundlicher Genehmigung von

www.gomopa.net (veröffentlicht am 28.05.2012)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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