Haftungsfalle Zeitwertkonto

DSWR (Ausgabe 4, 2006, S. 98-100)
*von Johannes Fiala, Rechtsanwalt (München), M.B.A. (Univ.Wales), M.M. (Univ.), geprüf-ter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), EG-Experte (C.I.F.E.), Bankkaufmann (https://www.fiala.de/>www.fiala.de)
Zu den Risiken für Finanz , Steuerberater und Arbeitgeber Zeitwertkonten und die Modelle der Altersteilzeit werden vom Finanzvertrieb verstärkt beworben. Den Finanzvermittlern geht es hierbei zumeist um Provisionen: Die wenigs-ten Vermittler wissen um die zivil- und strafrechtlichen Haftungsgefahren für steuerli-che Berater und die Geschäftsleitung der Arbeitgeber.
Keine betriebliche Altersversorgung Um einen Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung handelt es sich hierbei nicht. Vielmehr geht es um ein ?Brutto-Sparen? des Mitarbeiters, wobei jederzeit ein ?Störfall? ein-treten kann, der dann eine Auszahlung als Lohn auslöst. Besonders wichtig ist auch die Erkenntnis, dass es sich während der Ansparphase um betagte Ansprüche des Mitarbeiters handelt ? nur die Fälligkeit ist hinausgeschoben: Sozialversiche-rungsrechtlich entsteht regelmäßig nur bei vollständiger Umsetzung der gesetzlichen Vorga-ben des Zeitwertkontenmodells ausnahmsweise kein ?Phantom-Lohn? mit sofortiger Bei-tragspflicht.
Notwendiger Insolvenzschutz Gesetzlich zwingend vorgegeben ist der Insolvenzschutz in §§ 23 b, 7 d SGB IV beim Zeit-wertkonto sowie in § 8 a ATG bei der Altersteilzeit. Hiervon umfasst sind auch die Arbeitge-beranteile zur Sozialversicherung. Daraus leiten Fachautoren richtigerweise ab, dass (auch teilweise) nicht geschützte Wertguthaben zu einer Strafbarkeit nach § 266 a StGB führen ? ganz abgesehen von der persönlichen Haftung der Geschäftsleitung des Arbeitgebers für die Abgaben. Beim steuerlichen Berater sind dann Anstiftung, Beihilfe und/oder Mittäterschaft berührt ? nicht zuletzt befindet er sich oft in einer Garantenstellung i.S.v. § 13 StGB.
Haftungsträchtige Insolvenz-Modelle In der Praxis werden die unterschiedlichsten Gestaltungen von Finanzvermittlern angeboten. Besonders haftungsträchtig sind die Verpfändung, sowie verschiedene Treuhandmodelle zum Schutz der Wertguthaben für den Fall der Insolvenz. So kommentieren denn auch Betriebs-prüfer, dass sich über 90% der Modelle auf dem Markt als lückenhaft darstellen. Für den steu-erlichen Berater und den Arbeitgeber eine Katastrophe, denn je nach Verantwortlichkeit der Beteiligten droht eine rückwirkende Verzinsung (mit monatlichen 0,5% bzw. 1%), berechnet aus den zu Unrecht nicht abgeführten Beiträgen zur Sozialversicherung.
Lückenhaftes Verpfändungsmodell Selbst renommierte Versicherungsgesellschaften halten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine ?Standard-Verpfändungsvereinbarung? bereit. Diese Vereinbarung soll das Wertgutha-ben sichern ? gesetzlich ist ja vorgegeben, dass hiervon der Betrag des Brutto-Gehaltsverzichtes zuzüglich dem Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung erfasst sein muss. Indes erfasst die Verpfändung stets lediglich den Netto-Auszahlungsanspruch des Arbeitneh-mers im Störfall: Lohnsteuer und Sozialversicherung werden davon nicht erfasst. Zum Ver-ständnis wichtig ist, dass das Pfandrecht akzessorisch ist, also eine Hauptforderng voraussetzt ? und diese besteht beim Mitarbeiter nur in Höhe des Nettobetrages.
Davon mal ganz abgesehen, sehen die wenigsten Modelle vor, dass der Mitarbeiter laufend über die Höhe seiner Ansprüche informiert wird ? im Insolvenzfall kann er daher faktisch das Pfandgut nicht mal anteilig verwerten, wenn er den Umfang seines Auszahlungsanspruchs nicht konkret darstellen und untermauern kann.
Bereits dieser untaugliche Versuch einer Insolvenzsicherung kann für den Berater im Scha-densfall zu überraschenden Reaktionen des eigenen Vermögenschadenhaftpflichtversicherers führen: Denn der Verstoß gegen eindeutige Rechtsnormen ? auch das StGB – gilt als soge-nannter ?wissentlicher Pflichtverstoß?, womit die Ersatzpflicht des eigenen VSH-Versicherers in aller Regel ausscheidet.
Lückenhafte Treuhandmodelle Künstler rechtlicher Gestaltung, unterstützen seit Jahren den Finanzvertrieb durch die Wer-bung mit einer angeblich bombensicheren Treuhandlösung. Bombensicher erscheint hierbei bedauerlicherweise allenfalls der Vorwurf des Betrugs im objektiven Tatbestand des § 263 StGB. Schließlich werden auch hier Berater, Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch vollmundi-ge Versprechen eines Insolvenzschutzes in die rechtliche Irre geführt. Bedauerlich ist daran, dass die mitwirkenden Treuhänder zumeist Ehrenberufler sind: In der Praxis der Strafgerichte, werden diese sich kaum auf einen Tatbestands- oder Verbotsirrtum mit Erfolg berufen können.
Verfügungsverbot nach Insolvenzantrag Im Normalfall wird das Insolvenzgericht unmittelbar nach Eingang des Insolvenzantrages ein sogenanntes Verfügungsverbot aussprechen, § 21 InsO. Dann darf der Arbeitgeber als Schuldner keine Verfügungen mehr treffen, und erst recht nicht durch einen Treuhänder tref-fen lassen. Etwaige dennoch erfolgte Verfügungen, etwa Geldauszahlungen, wären unwirk-sam, §§ 81 f. InsO. Wenig begabte Juristen im Dienste mehrerer Zeitwertkonten-Anbieter glaubten, dass sich diese Situation dadurch umgehen lässt, dass die Rückdeckung des Zeitwertkontos (z.B. Fonds, Festgeld) ?für den Fall der Insolvenz? auf den Treuhänder (gleichsam als neuen Eigentümer der Rückdeckung) übergeht: Indes hat bereits das Reichsgericht in den 30er-Jahren entschie-den, dass derartige Gestaltungen unwirksam sind. Das Bundesarbeitsgericht und der Bundes-gerichtshof haben diese Rechtsauffassung längst bestätigt. Dem Treuhänder bleibt mithin kaum eine legale Möglichkeit zur Verfügung über Wertgutha-ben der Mitarbeiter.
Auftragsende nach der InsO Die Eröffnung der Insolvenz wird mit Datum und Uhrzeit vom Gericht festgehalten. Rechts-folge ist, dass sämtliche Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge (auch eines Treuhänders) im gleichen Moment enden, §§ 115 f. InsO. Würde ein Treuhänder mithin dennoch verfügen, so handelt er ohne Auftrag. Nur am Rande soll darauf hingewiesen werden, dass kein Ehrenberufler in einer solchen – gleichsam die Ge-schäfte als Treuhänder führenden ? Situation, einen Versicherungsschutz auf dem Markt er-halten kann. Die Nichtversicherbarkeit ist der Spiegel einer erheblichen Gefahrenlage.
Treuhänder in der Kollision Renommierte Versicherungsgesellschaften für Vermögenschadenhaftpflicht von Ehrenberuf-lern weisen darauf hin, dass eine Kollision zum Wegfall des Versicherungsschutzes führen wird. Beim Steuerberater steht es in der Berufsordnung, beim Anwalt auch im Strafgesetz-buch. Zumeist hat der Treuhänder bereits im Auftrage des Initiators bzw. Produktgebers an der Entwicklung einer Treuhandlösung mitgewirkt: Ein späterer Auftrag durch Arbeitgeber und/oder Arbeitnehmer wäre damit nicht vereinbar. In ähnlicher Lage befindet sich der Ehrenberufler beim CTA-Modell, einer doppelseitigen Treuhand, bei welcher Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Auftraggeber des Treuhänders fun-gieren. Fällt der Arbeitgeber in die Insolvenz, wird ein Insolvenzverwalter vom Treuhänder verlangen nicht zu verfügen, damit erst einmal geprüft werden kann, ob Gegenansprüche ge-gen die Mitarbeiter bestehen ? mit denen dann aufgerechnet werden könnte, § 394 BGB. Wenn der Mitarbeiter, ggf. auch der (ehemals geschäftsführende) Gesellschafter, dann gegen-über dem Treuhänder dennoch auf Auszahlung und Abwicklung besteht, tritt die Interessen-kollision konkret zu Tage. Für die Strafbarkeit und eine eventuelle Nichtigkeit von Treuhand-verträgen genügt allerdings bereits die abstrakte Gefährdung.
Wirkungslose Verpfändung von Bankguthaben Zur Rückdeckung von Zeitwertkonten kommen beispielsweise Festgelder oder offene Invest-mentfonds in einem Depot des Arbeitgebers in Frage. Nicht selten wird Depot oder Festgeld-konto bei der Hausbank des Arbeitgebers eingerichtet. Den Haken dieser Gestaltung ist in den AGB der Banken zu finden: Bereits mit Eröffnung von Konten und Depots werden die Ge-schäftsbedingungen einbezogen ? und in diesen steht, dass zunächst einmal der Bank oder Sparkasse ein Pfandrecht eingeräumt wird. Hat der Arbeitgeber also bei der Bank irgend wel-che Schulden, dann läuft die zeitlich nachfolgende Verpfändung an den Mitarbeiter oft wirt-schaftlich und rechtlich ins Leere. Diese überlegung gilt, wie die Praxis zeigt, analog für die Verpfändung einer Rückdeckung im Zusammenhang mit einer Pensionszusage.
Zillmerungshaftung Auch beim Zeitwertkonto ist der Vermittler daran interessiert, seine Einnahmen durch ent-sprechende Produktvorschläge zu sichern. Wird etwa eine Lebensversicherung als Geldanlage gewählt, so wird durch die Zillmerung (eine Belastung des Vertrages mit Verwaltungskosten in den ersten Jahren, i.H.v. 7% und mehr der Abschlusssumme) der verfügbare Rückkaufs-wert in den ersten Jahren nur in geringem Umfang vorhanden sein. Auch bei der Anlage in offenen Investmentfonds kann das Anlagerisiko aufgrund von Kurs-verlusten und Spesen für den Arbeitgeber spürbar sein. Wenige Produktgeber weisen auf die Ausfallhaftung des Arbeitgebers hin: Entscheidender ist jedoch die Frage, ob der Betriebsprüfer das Modell später, sowohl vom Umfang vorhandenen Vermögens als auch der Insolvenzsicherung betrachtet, noch anerkennt.
Haftungsbremsen Für Berater und Arbeitgeber ist hier die Einholung einer verbindlichen Auskunft nach § 28 h SGB IV bei den Krankenversicherungen nicht nur eine Option, sondern gleichsam eine Pflicht, um gegenteiligen Ansichten bei späterer Betriebsprüfung entgegen treten zu können. Im Umgang mit der Finanz genügt nicht die Anrufungsauskunft nach § 42 e EStG, denn diese gilt nur für die Phase der Quellenbesteuerung des Lohns beim Arbeitgeber: Hier muss nöti-genfalls eine verbindliche Auskunft nach der AO eingeholt werden.
Sanierung durch Kautionsbürgschaft Kaum von Vermittlern angeboten wird die Kautionsversicherung mit Bürgschaft: In diesem Falle verbürgt sich ein Finanzintermediär gegenüber insbesondere dem Mitarbeiter, einge-schlossen die Abführung eventueller Sozialversicherung und Steuern. Für den Arbeitgeber stellt dies ein wirksames Instrument der Innenfinanzierung dar, denn nur etwa 20-30% des gesamten Wertguthabens muss je nach Bonität besichert werden. Die Kosten der Bürgschaf-ten belaufen sich üblicherweise auf jährlich 1,5-2% Bürgschaftsprovision: Für den Unterneh-mer ähnelt das Modell dann einer pauschaldotierten Unterstützungskasse (U-Kasse), oftmals jedoch zu wesentlich günstigeren Konditionen. Die Provision des Vermittlers liegt bei etwa 10% der Bürgschaftsprovision ? dies ist so wenig, dass nur wenige Vermittler sich damit ger-ne befassen möchten.
Für den bAV-Unternehmensberater bzw. den Honorarberater ist dieses Produkt zur Kunden-bindung geeignet. Doch Vorsicht, auf dem Markt gibt es auch Bürgschaftsmodelle mit Treu-händern ? und gerade diese können für den Finanzdienstleister größte Risiken beinhalten, stets eingeschlossen eine Einladung durch Staatsanwalt und Strafgericht.
Haftung statt Garantien Während einige Produktgeber irreführend mit einer ?Zeitkontenrückdeckung mit Garantie? werben, wissen Experten dass trotz ?Garantiezins und überschussbeteiligung? eine beträchtli-ches Nachschussrisiko des Arbeitgebers verbleibt. Die rechtlichen Lücken und Fragen zum Insolvenzschutz zwingen den steuerlichen Berater nach ständiger obergerichtlicher Recht-sprechung zur Delegation an einen Rechtsbeistand. Der steuerliche bzw. wirtschaftliche Bera-ter schuldet auch diesbezüglich dem Mandanten ebenso eine unaufgeforderte Aufklärung, wie jeder Versicherungsmakler dem Arbeitgeber seine (auch strafrechtliche) Haftung aufzuzeigen hat. Für den GGF ist die Situation prekär, weil hier die sogenannte Mangerhaftung oft zum tragen kommt: Dies erfordert besonders umsichtige Gestaltung, aber ebenfalls ohne Orientie-rung am Provisionsinteresse.
Lösungsansatz zur Gedankenordnung Wer sich mit Entgeltumwandlung bzw. Zeitwertkonto befasst sollte sich klar machen, dass es um Gelder der Mitarbeiter geht, also deren ?verdientes? Eigentum, den Lohn. Wer hier als Arbeitgeber den ?Durchführungsweg und den Tarif? bestimmt (als Arbeitgeber oder Vermitt-ler), beschäftigt sich gleichsam als Treuhänder mit fremdem Vermögen. Dieses durch Provi-sionen und Verwaltungskosten zu belasten kann sämtliche Verträge der (Teil-)-Nichtigkeit zuführen. Spannend ist daran, dass davon nicht nur die Verträge mit dem Arbeitnehmer be-troffen sein können, sondern auch alle Geldanlageverträge: Schließlich handelt es sich regel-mäßig um ein Vertragsbündel, bei welchem wechselseitig aufeinander verwiesen wird. Der echte Honorarberater kann diesen Problemen leichter ausweichen.

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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