Im Blickpunkt: Haftungsfallen für Rechtsanwälte und Steuerberater im Zusammenhang mit der Beratung zur bAV

Insolvenzrisiken – Befugnis zur Erbringung von Rechtsberatungsdienstleistungen – Versicherungsschutz

Betriebsrenten sind ein wichtiger Bestandteil der Altersversorgung. Sie erhalten ihre komplexe Stellung im deutschen Rechtssystem durch das interdisziplinäre Zusammenspiel der verschiedensten Rechtsgebiete, die für Rechts- und Steuerberater leicht zur Haftungsfalle werden können; die zahlreichen Urteile zu dieser Thematik sprechen insofern eine eindeutige Sprache. Wegen der Vielschichtigkeit des Themas kann der Beitrag lediglich einige der bestehenden Risiken exemplarisch aufzeigen.

 

Insolvenzgefahren

Durch seine Zusagen einer betrieblichen Altersversorgung verpflichtet sich regelmäßig zunächst einmal der Arbeitgeber zu Leistungen gegenüber seinen Mitarbeitern. Kommt es zu Vermögensschäden bzw. Einbußen bei den Kapitalanlagen oder einer Rückdeckung für die Versorgungszusagen, so kann dies in einer Überschuldung münden. Die Insolvenz oder Illiquidität eines Finanzhauses (Bank, Versicherung, Fondsgesellschaft etc.) oder eines Finanzproduktes schlägt dann auf den Arbeitgeber durch. Für den Berater besteht die Gefahr, eine bereits eingetretene oder drohende Insolvenzlage nicht zu erkennen. Je umfassender gerade der Steuerberater den Mandanten betreut, umso stärker gerät er in die Rolle eine Garanten i.S.d. StGB.

Ein (Total-)-Verlustrisiko besteht aber regelmäßig nicht nur auf der Ebene des Arbeitgebers. Häufig ist eine Insolvenz des Finanzberaters bzw. des Anlagevermittlers zu beobachten, so dass es im Rahmen der anwaltlichen Beratung empfehlenswert ist, dessen Solvenz und eine angemessene Vermögensschadenshaftpflichtversicherung zu prüfen.

Ein Klassiker fehlerhafter Beratung ist der Verstoß gegen das Bond-Urteil (BGH, 6.7.1993 – XI ZR 12/93), also die anleger- und objektgerechte Beratung bei der Vermittlung von Finanzprodukten. Diese Pflicht trifft jedoch auch den Vermittler von Versicherungen (BGH, 14.6.2007 – III ZR 269/06).

Nicht zu unterschätzen sind auch die Verlustgefahren auf der Ebene des Produktgebers, also von Anbieter bzw. Träger der bAV. Der Arbeitgeber ist dann auf die Auffanggesellschaft Protektor Lebensversicherungs-AG in Berlin als Sicherungseinrichtung der deutschen Lebensversicherer, nicht auch der Pensionskassen angewiesen.

Beschränkt der RA/StB seinen Auftrag nicht, gerät er leicht in die Rolle eines sekundären Haftungsschuldners neben dem Finanzberater/Vermittler, denn der Kammerberufler hat auch die (steuer-)-rechtliche Eignung der Finanzprodukte und ihrer Anbieter zu überprüfen (LG Mannheim, 19.9.1991, VersR 1992, 1084; OLG Düsseldorf, 8.10.1992 – 4 U 27/02).

 

Fehlerhafter Insolvenzschutz

Geschäftsführende Gesellschafter werden vom Versicherungsvertrieb gerne mit der Aussage bedient, dass die betriebliche und private Altersversorgung pfändungsgeschützt und insolvenzsicher sei. Die „Lösungen von der Stange“ können jedoch nicht verhindern, dass die allermeisten Insolvenzverwalter das Vermögen einziehen, und die Betroffenen sich um Hartz IV oder Sozialhilfe bemühen müssen. Wenn Rechtsabteilungen der Produktanbieter bzw. der Träger betrieblicher und privater Altersversorgung die Rechtslage glaubhaft beschönigen, kann dies eine Falle für die Rechts- und Steuerberater sein, wenn sie sich deren Halbwahrheiten in der eigenen Mandantenberatung fahrlässig zueigen machen.

Hinzu kommt, dass nach der BGH-Entscheidung vom 1.11.2011 – IX ZR 79/11 –, BB 2012, 343 mit BB-Komm.Wilhelm (in diesem Heft), auch ein vertraglich vereinbartes Verwertungsverbot die Ansprüche aus Kapitallebensversicherungen nicht mehr uneingeschränkt vor dem Zugriff der Gläubiger schützt und der Insolvenzverwalter die Versicherung kündigen kann, wenn sie pfändbar ist und in die Insolvenzmasse fällt. Ein Insolvenzverwalter hat daher künftig sehr genau zu prüfen, ob ein Pfändungsschutz gegeben und damit der Rückkaufswert von Versicherungsverträgen der Insolvenzmasse entzogen ist. Bei mangelndem Pfändungsschutz ist er zur Kündigung der Versicherungen berechtigt.

 

Entgeltumwandlung

Hinzuweisen sind die Arbeitgeber auch auf die Differenz- bzw. Ausfallhaftung, wenn sie für eine Entgeltumwandlung Unterstützungskassen wählen, da diese generell wegen der faktisch „doppelten“ Verwaltungskosten für diese Fälle ungeeignet sind. Im Raum steht ein Betrag von über 100 Mrd. Euro Potential an Arbeitgeberhaftung durch Entgeltumwandlung. So hat bspw. das LAG Hessen (LAG Hessen, Beschluss vom 3.3.2010 – 8 Sa 187/09) die Arbeitgeberhaftung bestätigt, wenn eine Pensionskasse (PK) die eigenen Leistungen gemäß ihrer Satzung bei Fehlbeträgen herabsetzt.

Haftungsgefahren durch Wirtschaftsberatung, Prognosen und Kapitaldeckungsverfahren

Zum Berufsbild des Rechtsanwalts gehört weder die Wirtschafts- noch die Finanzberatung; beide Tätigkeiten sind auch nicht versichert. Bei entsprechendem Beratungsbedarf g sollten die anstehenden Fragen an einen Steuerberater oder einen Sachverständigen delegiert werden. Denn kaum ein Berater wird aus einer Steuerbilanz unmittelbar den Umfang der Arbeitsgeberhaftung und damit die wirtschaftliche Überschuldung nach der InsO ableiten können. Ehemals vielleicht plausible Prognosen bei den Kapitalanlagen stellen sich später als nicht mehr realistisch dar. Aufgrund üblicher Betrachtungszeiträume mehrerer Jahrzehnte und potentieller Veränderungen unsicherer Parameter (z. B. Zinsentwicklung, Risiken der Kapitalanlagen, Lebenserwartung, Ermittentenrisiko) kann bei keinem Träger einer Altersversorgung ausgeschlossen werden, dass dieser zum Sanierungsfall wird.

Wichtig ist die umfassende Aufklärung des Arbeitgebers durch den eingeschalteten Berater über den Umfang seiner (Ausfall-)-Haftung, welche von der mit den Mitarbeitern vereinbarten Zusageart nach § 1 BetrAVG abhängig ist (Leistungszusage, beitragsorientierte Leistungszusage oder Beitragszusage mit Mindestleistung). Auch hat er über die rechtzeitige Insolvenzantragsanstellung aufzuklären. Denn im Zweifel wird der Insolvenzverwalter den Ex-Geschäftsführer unter Hinweis auf die Managerhaftung in Anspruch nehmen, weil die GmbH aufgrund von bAV-Zusagen und defizitärer Rückdeckung seit Jahren überschuldet es daher zu sog. verbotenen Auszahlungen und mithin einer Insolvenzverschleppung gekommen ist.

 

Befugnis zur Erbringung von Rechtberatungsdienstleistungen

Versicherungsmakler und Versicherungsvertreter verfügen nicht über die erforderliche Befugnis zur Erbringung von Rechtsberatungsdienstleistungen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung. Der Gesetzgeber hat den Versicherungsmaklern in § 34d Gewerbeordnung (GewO) keine umfassende rechtliche, sondern nur eine produktakzessorische Beratungsbefugnis zugesprochen. Bei der Beratungstätigkeit eines Versicherungsmaklers muss daher in jedem Fall der Versicherungsvertrag im Vordergrund stehen. Zudem, so Prof. Henssler von der Universität zu Köln, ist der Versicherungsvermittler zu einer unabhängigen Rechtsberatung nicht in der Lage, da es aufgrund seines Provisionsinteresses zu einer Interessenkollision kommt. Auch hierauf hat der eingeschaltete Anwalt unmissverständlich hinzuweisen.

Die Rechtsberatung von Steuer- und Finanzberatern im Zusammenhang mit der betrieblichen Altersversorgung wird gerne als nach dem RDG erlaubte Nebenleistung gesehen, was sich regelmäßig als Rechtsirrtum erwiesen hat (vgl. BGH, 20.3.2008 – IX ZR 238/06). Der Steuerberater verliert dann üblicherweise seinen Vergütungsanspruch (BGH, 17.2.2000 – IX ZR 50/98), haftet für Fehler jedoch regelmäßig trotz nichtigen Mandatsvertrags (BGH, 30.9.1999 – IX ZR 139/98).

 

Fehlender Versicherungsschutz für Vermögensschäden

Beim Rechtsanwalt gehört die Mitwirkung an der Vermittlung von Finanzprodukten zum Bereich unvereinbarer Betätigungen, welche meist im Entzug der Zulassung münden.

Von den Steuerberatern haben sich allerdings bundesweit wohl hunderte die „Umsetzungsbegleitung bei Vermögens- und Finanzplanung“ (mithin gewerbliche Auswahl/Vermittlung von Finanzinstrumenten nach § 34c GewO bzw. Vermögensverwaltung nach § 32 KWG) oder die Tätigkeit als „Treuhänder und Vermögensverwalter“ (mithin nicht versicherbare Tätigkeit als geschäftsführender Treuhänder) auf die Fahnen geschrieben. Vorschub für derartige Rechtsirrtümer leistet – ausgehandelt durch einen kleinen StB-Verein – eine angebliche Spezialdeckung für den „Steuerberater als Finanzplaner“, denn ein Verstoß gegen §§ 34c und 34d GewO oder § 32 KWG[1] lässt die Deckung wiederum entfallen, womit sich jedwede Produktempfehlung bzw. „Umsetzungsbegleitung“ im Bereich der Finanzinstrumente gemäß dem KWG oder von Versicherungen für den Kammerberufler verbietet. Die Bezahlung einer VSH-Prämie kann keinesfalls als Indiz für die Legalität eigener Betätigung angesehen werden. Umgekehrt steht es jedem Kammerberufler frei, sich ausdrücklich die VSH-Deckung vom Versicherer bestätigen zu lassen, auch für den Fall, dass die jeweilige Betätigung sich später als unvereinbar mit dem Beruf herausstellen sollte, denn in aller Regel ist nur das typische Berufsbild versichert, was die VSH-Deckung von vornherein beschränkt.

Hiervon akut betroffen sind insbesondere jene Steuerberater und Rechtsanwälte, welche sich zur Absicherung betrieblicher Altersversorgungsmodelle als sog. (Doppel-)Treuhänder betätigen, oder beispielsweise für einen Träger der betrieblichen Altersversorgung etwa als Syndikus tätig sind – jedoch mit Blick auf §§ 45, 46 BRAO illegal (Bayerischer AGH, 27.3.2003 – BayAGH II-1/03, BRAK-Mitt. 2003, 182 ff.) auch Kunden beraten. Dass es sich hierbei um einen Unterfall der Kollision bzw. des Parteiverrats (vgl. § 51 Abs. 1 BRAO, § 67 Abs. 1 StBG ) handelt, wird allzu gerne ausgeblendet, bedeutet jedoch den Verlust der VSH-Deckung im Einzelfall.

 

Keine Mandatsübernahme ohne ausreichenden Versicherungsschutz

Häufig vereinbaren Kammerberufler mit ihren Mandanten in allgemeinen Geschäftsbedingungen lediglich die gesetzliche Mindestpflichtversicherungsdeckung oder etwa die vierfache Höhe als Haftungsobergrenze, obgleich die übernommene Verantwortung (Otten, Anwaltliches Berufsrecht, 2003, Institut für Juristische Weiterbildung, Kurs 83050 der FernUni Hagen) gerade auf dem Feld der betrieblichen Altersversorgung vielfach weitaus höher sein wird. Haftungsvereinbarungen müssen der Höhe nach das gesamte vertragstypische Risiko umfassen. Denn jedwede (ggf. individuelle) Haftungsbeschränkungsklausel darf die Haftung nur auf den vertragstypischen, vorhersehbaren Schaden begrenzen (Graf von Westphalen, DB 2000, 861 f.). Dies gilt umso mehr als Geschäftsleiter dem Risiko des § 266 StGB (Untreue zulasten des vertretenen Unternehmens) bei nicht ausreichender Versicherung erkennbarer Risiken ausgesetzt sind. Welcher Kammerberufler mag sich daran i. S. d. StGB schon gerne beteiligen? Daher ist insbesondere das sog. Spätschadensrisiko (Zinsen, Folgeschäden und Inflation) kalkulatorisch bei der VSH-Deckung zu berücksichtigen. Keinesfalls darf übersehen werden, dass Vereinbarungen über Haftungsbeschränkungen letztlich keinen Ersatz für angemessene VSH-Deckung darstellen (Zimmermann, Christian, NJW 2005, 177 ff.).

Deutlich wird dies am Beispielsfall des Klageauftrags eines 40-jährigen Ex-Vorstands, der lebenslange Berufsunfähigkeitsleistungen (p. a. rund 250 TEUR) von deutschen und schweizerischen Versicherern wegen eines „Burn-Out“ einklagen möchte. Seine Lebenserwartung und damit die angestrebten Leistungen bewegen sich bei rund 40 Jahresleistungen – der Gegenstandswert beträgt jedoch nach den einschlägigen Regelungen (ZPO, GKG, RVG) nur einen vergleichsweisen kleinen Bruchteil davon. Insofern scheint es eine lästige Pflicht für den Steuerberater und Rechtsanwalt, sich der Verantwortung und Risiken bewusst zu werden, sein Mandat angemessen zu versichern, oder hilfsweise nieder zu legen.

 

Haftungsfalle durch Vergütungsvereinbarung

Die betriebliche Altersversorgung betrifft in Deutschland rund 500 Mrd. Euro an Rückdeckungsmitteln. Dabei sind zahlreiche Versorgungszusagen nur zu einem Bruchteil ausfinanziert. Auch von daher gilt es für Steuerberater und Rechtsanwälte[2] entsprechend der zu übernehmenden Verantwortung die Frage der Vergütung und Auslagen (etwa für VSH-Kosten) anlässlich einer Mandatsübernahme jeweils zeitnah zu regeln.

Ein weiterer Punkt ist die Frage der Beratungs- und Gestaltungsinhalte, denn die Einschaltung von Sachverständigen für Kapitalanlagen und/oder Versicherungsprodukte ist nach deren Tätigkeiten in der Standard-VSH-Police des Kammerberuflers als Tätigkeit nicht mitversichert. Insofern gilt es eine Beauftragung von (erfahrungsgemäß stets notwendigen Sachverständigen) nicht im eigenen Namen umzusetzen, sondern dies dem Mandanten zu überlassen, und natürlich auch den eigenen Auftrag auf jene Dinge zu beschränken, die man beherrscht und mit dem Berufsbild im Einklang stehen.

 

Goldene Zeiten für den bAV-Steuerberater und den bAV-Rechtsanwalt?

Es erscheint unglaublich, dass bei einem der größten Finanzhäuser die „rechtlichen Musterformulare von der Stange“ durch die Marketingabteilung und dort von Diplombetriebswirten für den Finanzvertrieb erstellt werden. Der Sanierungsbedarf der Beratung im Zusammenhang mit der bAV ist offenbar enorm. Auch wenn aufgrund dessen auf den ersten Blick nahezu goldene Zeiten für bAV-Rechts- und Steuerberater anzubrechen scheinen, sollten Rechts- und Steuerberater die aufgezeigten Haftungsfallen stets im Blick behalten sollten und sich von ihren Mandanten schriftlich zur Handakte quittieren lassen, welche Beratung übernommen wurde und welche nicht. Vor allem die Tatsache, dass die Klienten an externe Berater verwiesen und auf die Einholung verbindlicher Auskünfte hingewiesen wurde, sollten sich die Berater bestätigen lassen.

 

von Dr. Johannes Fiala

 

veröffentlicht im Betriebs-Berater 06.2012

 

 

 

 

 

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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