Kaufkraftverlust, Demographie und Niedrigzins zerstören Versorgungsträume

„Das Sicherste an der gesetzlichen Rente ist die Versorgungslücke.” (André Kostolany)

Vergleicht man die Aussichten früherer und heutiger Rentner mit denen zukünftiger Rentnergenerationen, so stellt man fest, dass der Gesetzgeber die Versorgung über die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) über Jahrzehnte hinweg in etwa halbiert hat, bezogen auf das letzte Nettoeinkommen vor der Rente.

Doch auch bei der Altersversorgung über Kapitaldeckung lässt sich feststellen, dass seit Einführung des ECU 1998 und Ankündigung des Euro mit Stabilitätspakt auch die Kapitalmarktzinsen vielleicht auf Dauer minimal geworden sind. Wenn dann die Verwaltungskosten höher sind als der dauerhaft durchschnittliche Ertrag, überlegen bereits erste Lebensversicherer ob ihr Geschäftsmodell auf Dauer nur noch Geschichte sein wird. Nicht nur haben einige Lebensversicherer das Neugeschäft in der Kapitallebens- und Rentenversicherung mit den beliebten – aber nur noch mit 1,75 % minimalen – Garantiezinsen eingestellt. Vielmehr stehen schon Finanzinvestoren bereit, um die Lebensversicherungsbestände als Investment für Hedgefonds abzuwickeln.

Auch institutionelle Anleger gehen wegen der niedrigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt zunehmend höhere Risiken ein

Weder bei der gesetzlichen Rente noch bei der Altersversorgung über Kapitaldeckung lässt sich die künftige Entwicklung sicher voraus sagen. Doch sind die Risiken grundsätzlich anderer Art und keineswegs korreliert. So hängt die Entwicklung der gesetzlichen Renten vom Verhältnis Rentner zu Erwerbstätigen und der über der Entwicklung der Löhne ab, nicht aber von Kapitalerträgen – bei der Kapitaldeckung ist es hingegen genau umgekehrt. Daher kann jeder Betroffene eine Risikostreuung erwägen.

Schließlich gibt es weder beim gesetzlichen Generationenvertrag der DRV noch bei einer kapitalgedeckten Versorgung (z.B. über eine Versorgungskammer) irgendeine wirkliche „Garantie”, sondern vielmehr auch künftige nicht sicher absehbare Einflüsse beispielsweise der Politik und auf den Kapitalmärkten. Ansprechpartner für Einzelfallberatungen wären etwa Sachverständige, Versicherungsmathematiker und Rentenberater.

Auch institutionelle Anleger gehen wegen der niedrigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt zunehmend höhere Risiken ein – doch eher nach dem Prinzip Hoffnung. Denn dieses Anlageverhalten ändert fast nichts an der statistisch zu erwartenden sicheren Wertsteigerung nach Verrechnung der Kosten für das Mehr an Risiko – daran ändert auch die jährliche Meldung im Geschäftsbericht nichts, dass es im letzten Jahr nochmal gutgegangen ist. Sonst müsste man sich fragen, warum die Kapitalanleger eigentlich bisher auf höhere Renditechancen verzichtet haben?

Mehr als etwa den Ausgleich des Kaufkraftverlustes kann man sich aber auf keine Weise realistisch erhoffen. Pauschale Aussagen, beispielsweise dass die gesetzliche Rente unsicherer oder weniger rentabel als eine Rente durch das Versorgungswerk sei, haben sich bisweilen als Trugschluss erwiesen. So musste bereits vor Jahren ein zahnärztliches Versorgungswerk seine Leistungen um bis zu mehr als die Hälfte kürzen.

Auch Versorgungskammern anderer Berufe sind vom Niedrigzins bei den risikoarmen Kapitalanlagen betroffen, so dass deren Leistungen vielleicht nur noch kurz- und mittelfristig als hinreichend gesichert erscheinen. Wer als Arbeitgeber seinem Mitarbeiter eine betriebliche Versorgungsrente zugesagt hat, muss beim Absinken des Marktzinses beispielsweise von 6% auf 3 % für die Rückdeckung der Versorgungsmittel nahezu den doppelten Sparaufwand leisten.

Eine zusätzliche freiwillige eigene Versorgung aufzubauen erscheint bereits deshalb naheliegend, weil nach dem Alterseinkünftegesetz seit 2005 die Steuerbelastung der Renten stetig zunimmt. Die Teuerung liegt vielfach höher als der Lohnzuwachs. Professor Hans-Wolfgang Brachinger entwickelte dazu den „Index der wahrgenommenen Inflation” (IWI), mit 2008 bis zu mehr als 12%. In seinem Buch „Die Reformlüge” berichtet Albrecht Müller, dass die Umstellung vom gesetzlichen Umlageverfahren auf eine kapitalgedeckte Altersversorgung beispielsweise in Chile zur größten Altersarmut geführt hat.

Risikostreuung kann daher so verstanden werden, dass man nicht alles auf ein Pferd setzt, also beispielsweise nicht alles auf Rohstoffe bzw. Edelmetalle, Kunst und andere Kulturschätze, Immobilien oder Staatsanleihen.

Jährlich gehen bis zu mehr als 40 Mrd. Euro Anlagegelder allein dadurch verloren, dass Kapitalanleger beispielsweise über Verkehrswerte, Risiken, Funktionsweise, Kosten und Gebühren getäuscht werden. Bekannt wurden insbesondere Fehlberatungen von Seiten der Privat- und Landesbanken, zu deren institutionellen Kunden vielfach auch Versorgungswerke bzw. Versorgungskammern gehören.

Das Märchen vom demographischen Risiko

Für das Verständnis grundlegend dürfte die Vorlesung „Die instrumentalisierte Zukunftsangst” des Herrn Professor Dr. Gerd Bosbach sein, welche im Internet beispielsweise bei der SWR-Teleakademie als Video zu finden ist. Es ist nun einmal denkbar, dass die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt noch jahrzehntelang bei niedrigem Zinsniveau florieren und damit entsprechende Rentenentwicklungen ermöglichen, wohingegen kapitalgedeckte Renten mindestens real sinken.

So waren die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung bis in die 50er Jahre im Kapitaldeckungsverfahren finanziert – was angesichts wirtschaftlicher Prosperität mit entsprechender Lohn- und Preisentwicklung zur Verarmung der Sozialrentner führte. Erst die Umstellung auf das Umlageverfahren hat dazu geführt, dass auch die Rentner an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben konnten.

Von der Risiken-Seite her ist die Entwicklung an den Kapitalmärkten wohl mit größeren Unsicherheiten behaftet als die demographische Entwicklung, denn die Zahl der bis heute Geborenen und in den nächsten 25 Jahren ins Arbeitsleben voraussichtlich mindestens Eintretenden steht ja schon fest, während sich die Rentenzugänge und (durch Tod) -abgänge aufgrund der heutigen Anzahlen von Erwerbstätigen und Rentnern nach Alter sehr gut hochrechnen lassen.

Volkswirtschaftlich geht es weniger um Demografie als um die Frage, wie der Produktivitätsfortschritt auf die verschiedenen Generationen aufgeteilt wird. Der Niedriglohnsektor wurde von bis zu weniger als 10% auf inzwischen bis zu mehr als 25% ausgeweitet, so dass dort entsprechend geringe Beiträge zur Altersversorgung entrichtet werden. Dieser wachsende Bevölkerungsteil besitzt kaum noch eine Sparquote, aber dafür gute Aussichten auf eine Grundsicherungsrente.

Individuell unter Außerachtlassung von Zinsen und Inflation muss klar sein, dass man nicht 40 Arbeitsjahre lediglich nach gesetzlicher Vorgabe rund 20% des Einkommens der Höhe nach durch die Beitragsbemessungsgrenze gedeckelt ansparen kann, um hernach auf gleichem durchschnittlichem Einkommensniveau weitere 20 Jahre zu 80 % als Rentner versorgt zu sein. Realistisch ist, 40 Jahre überschlägig ein Drittel zurückzulegen, und von den verbleibenden zwei Dritteln nach Steuern zu leben, um dann im Alter ebenfalls noch 20 Jahre von – gleichermaßen noch zu versteuernden – zwei Dritteln zu leben.

Etwa alle 6 Jahre steigt die Lebenserwartung um ein Jahr an. Jedes Jahr längere Lebenserwartung bedeutet, dass man entweder 8 Monate länger arbeiten muss, um damit 4 Monate längere Rente zu finanzieren, oder seine Sparbemühungen noch verstärken muss, um die 12 Monate zusätzliche Rentenzahlung mit unveränderter Lebensarbeitszeit zu finanzieren. Bei geringerer Vorsorgeleistung sind zunehmende Abstriche am Lebensstandard unvermeidlich. Günstiger würde die Rechnung nur, wenn der Zinseszinseffekt nach Kosten den Kaufkraftverlust deutlich schlagen würde, was sich jedoch zunehmend als lediglich Wunschtraum entpuppt.

Kein Ausgleich durch Zunahme der Beitragszahler im Versorgungswerk – außer die Erträge der Jüngeren werden angegriffen

Mit einer Zunahme der berufstätigen Ärzte wegen des demographischen Wandels kann womöglich gerechnet werden – oder schlicht mit einem Ärztemangel, Rationierung und Rationalisierung der Gesundheitsdienstleistungen. Für letzteres spricht, dass andernfalls auch die Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung auf bis zu mehr als 25 % steigen müssten. So wird auch etwa die Verlängerung der Lebenserwartung nicht zu einer analogen Erhöhung des Pflegebedarfes mit entsprechender Vermehrung der Zahl der Pflegekräfte führen können.

Selbst wenn aber es zu einer Erhöhung der Anzahl von Beitragszahlern ins Versorgungswerk käme, so basiert das System einer Kapitaldeckung dort doch nicht auf der Vorstellung, dass junge Beitragszahler die Pensionen alter Menschen analog dem Umlageverfahren finanzieren, sondern gerade darauf dass das „selbst angesammelte” Kapitalvermögen und die erwarteten Kapitalerträge darauf zur eigenen Versorgung dient. Der Zugang von jungen Beitragszahlern hilft daher nicht wirklich, die Renten im Versorgungswerk zu sichern, außer es kommt vermehrt zu einer Subventionierung der Älteren durch die Jüngeren. Kritiker monieren bereits heute, dass die Renten mancher Versorgungskammer so hoch sind, dass auch die Substanz der jüngeren Beitragszahler jetzt schon angegriffen wird.

Der Effekt und das Risiko der Zinsentwicklung auf die Rentenhöhen des Versorgungswerkes sind erheblich

Niedrige Zinsen schlagen hingegen voll durch. Bei 4 % kalkulierten Zinsen rechnet man aus einer Beitragszahlung damit, dass nach 30 Jahren zur Rentenzahlung ca. das 3,2fache zur Verfügung steht – also sollen fast 70  % der Rente nicht aus dem Beitrag, sondern dem erhofften Zinsertrag finanziert werden. Betragen die Zinsen dann in der Realität nur knapp 3 %, so steht nur etwa das 2,4fache des Beitrags zur Verfügung, also fehlt vom Kalkulierten schon ein Viertel, bei 2 % Zins fehlen bereits rund 45 %. Der Effekt und das resultierende Risiko aus der Zinsentwicklung auf die Rentenhöhen des Versorgungswerkes sind also ganz erheblich.

Das derzeitige Niedrigzinsniveau wird nach Erklärungen der Politik wohl noch Jahrzehnte anhalten können. Freilich reagiert die Politik auf entsprechende Hilferufe der Lebensversicherer und Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge. So indem Garantiezinsen gesenkt, Zusatzrückstellungen und Solvenzanforderungen erhöht werden, damit man sich besser auf ein dauerhaft niedriges Zinsniveau einrichten kann.

Für die Rentenanwärter sind dies Aussichten, wie wenn der Arzt dem Schwerkranken eine Fangopackung verschreibt und darüber hinaus anbietet, für ihn zu beten – die Fangopackung, damit er sich schon mal an den Geruch von feuchter Erde gewöhnt.

Die Renten der heutigen Rentner im Versorgungswerk sind wegen zu geringer Zinserträge und steigender Lebenserwartung kaum mehr durch das für sie gebildete Kapital und dessen Erträge alleine zu finanzieren – hier wird oft schon auf Rücklagen zurückgegriffen, oder die Kapitalerträge, die eigentlich für die jüngeren  Beitragszahler erwirtschaftet wurden. Dann sollen aber die Renten auch noch ansatzweise zum Kaufkraftausgleich regelmäßig dynamisiert werden – 2 Prozent Erhöhung pro Jahr würden aber nochmal zusätzlich 2 Prozent Kapitalertrag erfordern, mit oft noch 4 Prozent Rechnungszins also unrealistisch hohe volle 6 Prozent.

Es droht also ein Verlust an Kaufkraft durch zurückbleibende oder ausfallende Dynamisierungen. Ohne Dynamisierung aber büßt die Rente eines heute 65jährigen Rentners im Versorgungswerk bei 2,5 Prozent Inflation bis zum 81. Lebensjahr rund ein Drittel, bis Alter 93 die Hälfte an Kaufkraft ein.

Mitgliedern von Versorgungswerken ist daher anzuraten, sich nicht ausschließlich darauf zu verlassen, dass das Versorgungswerk einen gewohnten Lebensstandard im Alter schon alleine sichern wird. Selbst wenn ein Versorgungswerk etwa besser wirtschaften sollte als andere Versorgungseinrichtungen, die noch weniger bieten, heißt das nicht, dass das Ergebnis am Ende wirklich zufriedenstellt und einschneidende Einschränkungen beim Lebensstandard im Alter ganz ohne zusätzliche Vorsorge vermeidet.

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

mit  freundlicher Genehmigung von

http://www.kaden-verlag.de (Heft 2, 2014)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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