Mega-Risiko in der Vermögensschadenhaftpflicht: Die zeitlich beschränkte Nachhaftung

Worauf Finanzdienstleister mit Blick auf das Spätschadensrisiko achten müssen

 

Die Einschläge scheinen beständig näher zu kommen: Immer mehr Großschäden belasten die Schadensstatistik der Finanzdienstleister. Die Liste reicht von K1-Fonds, Phoenix Kapital, über S&K, Infinus, so wie viele weitere nicht genannte Unternehmen. In der Regel treten die Schäden erst spät auf, im Schwerpunkt sieben bis neun Jahre nach einer Vermittlung oder Beratung (Long-Tail-Risiko genannt). Der Blick zurück, auf gefühlt uralte Bedingungen in der VSH, muss erfolgen bevor ein Schadensfall bekannt wird, sonst wirken sich einschränkende Bedingungen zu Lasten der Betroffenen aus. Ein qualifizierter VSH-Fachmakler oder Anwalt kann auch ältere Bedingungswerke auf Deckungslücken untersuchen. Sodann stellt sich die Frage nach der Möglichkeit einer „Reparatur”, sei es durch Rückwärtsversicherungen und Verhandlungen oder über strategische Gestaltungen zum Vermögensschutz.

 

Schadensmeldepflicht in der Praxis

Bereits ein drohender Schaden ist bei bekannt werden dem VSH-Versicherer zu melden. Dies belastet den Vertrag des Beraters oder Vermittlers, vermeidet jedoch auch, dass der Versicherer später meint, man hätte den Fall bei rechtzeitiger Anzeige drohenden Schadensfalls noch retten können. Gegen solche Obliegenheiten zu verstoßen bedeutet, dass der Risikoträger die Deckung wegen Nachlässigkeit nachträglich entziehen kann. Ausreichend für die Meldepflicht ist bereits das Wissen, um einen möglicherweise begangenen Pflichtverstoß (BGH VersR, 2007, 389; 2008, 905). In ganz wenigen, speziell zur Entschärfung solcher nachteiliger Situationen neu gestalteter VSH-Policen, ist die Schadenmeldepflicht erst bei schriftlicher Inanspruchnahme notwendig.

Ein weiterer Punkt ist, dass VSH-Versicherer vor allem der Finanzanlagenvermittler (bis 30.06.2013), aber auch der Versicherungsmakler (bis 22.05.2007) bei älteren Versicherungsdeckungen die Nachhaftung vielfach auf zwei, drei oder fünf Jahre begrenzt hatten. Nachdem jedoch die Haftung als Berater oder Vermittler bis zu 10 Jahre dauert, eben bis Verjährung eintritt, besteht vielfach bis heute eine zeitliche Lücke zwischen unverjährter Haftung und zeitlich begrenzter VSH-Deckung. Gerade in den letzten Jahren steigt das existentielle Schadensrisiko aus Altfällen an. Problematisch wird das im Besonderen, wenn im neuen Tarif keine Übernahme der Nachhaftung vereinbart wurde, oder auch diese dort auf den aktiven Vertrag beschränkt wurde. Dann kann der Vermittler sehr schnell damit konfrontiert werden, dass er für einen möglichen Schadenfall alleine mit seinem Vermögen gerade stehen muss.

 

Keine Begrenzung der Nachhaftung bei nachweisbarer Schuldlosigkeit

Die häufige Klausel in den älteren VSH-Bedingungen, oder auch heutigen sofern es nicht um eine VSH-Mindestpflichtversicherung geht, dass Verstöße nur versichert sind, sofern sie nicht später als fünf Jahre nach Ablauf des Vertrags gemeldet werden, ist eine Ausschlussfrist. Deren Versäumung schadet dem Versicherungsnehmer nur dann nicht, „wenn ihn kein Verschulden trifft” (LG Düsseldorf, Urteil vom 29.10.2007, Az. 9 O 145/07). Dies hatte der Bundesgerichtshof (BGH) bereits für den Fall entscheiden, dass nach § 12 VVG a.F. ein Fristversäumnis schuldlos eingetreten war (BGH, Urteil vom 08.02.1965, Az. II ZR 171/62). Allerdings trifft den Finanzdienstleister, als Versicherungsnehmer seiner VSH, die schwierige Nachweispflicht für seine Schuldlosigkeit am Fristversäumnis, um faktisch zu einer unbegrenzten Nachhaftung zu gelangen (OLG Stuttgart, Urteil vom 27.11.2008, Az. 7 U 89/08).

 

Übernahme der Nachhaftung durch den Folge-Versicherer

Um lästigen Diskussionen aus dem Wege zu gehen, empfiehlt es sich in derartigen Fällen von Anfang an beim VSH-Versichererwechsel eine Übernahme der Nachhaftung zu vereinbaren, oder gleich ein Konzept zu wählen in dem die Übernahme der Nachhaftung auf alle Vorverträge zeitlich unbegrenzt ist.

Es gilt mitunter zu prüfen ob beim VSH-Wechsel in den letzten Jahren der VSH-Makler auf den Umstand hingewiesen hat, vor allem wenn er sogar selbst den Wechsel des Risikoträgers initiiert hat. Ähnlich kann es bei einer Berufsaufgabe aussehen. Denn die zeitlich nur ausschnittsweise Deckung stellt eine wirksame Risikobeschränkung des VSH-Versicherers dar, über die jeder VSH-Makler in allen Konsequenzen aufklären sollte.

 

VSH-Versicherer haften vielfach trotz Vermittlung über VSH-Makler

Versicherer trifft selbst in der Regel zeitlich nur dann keine eigene Beratungspflicht, solange ein Versicherungsvertrag über einen Versicherungsmakler vermittelt wird, § 6 VVG. Spätestens mit Abschluss der Vermittlung ist der Versicherer an der Reihe, bei erkennbarem Beratungsbedarf konstruktiv zu reagieren. Wird die VSH-Deckung über einen Agenten vermittelt, oder über den Schwerpunktmakler (Assekuradeur) eines Versicherers, steht der Versicherer sowieso ständig in der Beratungsverantwortung.

 

Beratungspflicht des Risikoträgers

Bietet der Versicherer eine VSH-Deckung mit zeitlich beschränkter Nachhaftung an, so hat er den Versicherungsnehmer über die Erforderlichkeit einer Nachhaftungsversicherung – spätestens bei Beendigung der VSH-Deckung bei sich, wegen eines Wechsels des VSH-Risikoträgers durch den Finanzdienstleisters – ungefragt aufzuklären. Unterlässt der VSH-Versicherer diese Belehrung und Beratung des Finanzdienstleisters, sorgt er faktisch für eine eigene unbeschränkte Nachhaftung, und zwar über den Weg für seine Unterlassungssünde zu haften.

Diese Rechtslage galt auch bereits zu der Zeit vor Inkrafttreten des § 6 VVV (2008). Leistet der VSH-Versicherer dennoch nicht, bietet er also weder Abwehrdeckung noch Freistellung als Hauptleistungspflichten im zu spät erkannten Schadensfall, trotz unterlassener Belehrung über die notwendige Nachversicherung, oder trotz Schuldlosigkeit des Finanzdienstleisters, wird auf Feststellung der Eintrittspflicht zu klagen sein.

 

Existenzvernichtung durch zu späte Klage gegen den Risikoträger

Mancher Finanzdienstleister hat nach einer vorsorglichen Schadenmeldung und Deckungsablehnung einfach abgewartet, ob der angeblich falsch beratene Kunde ihn verklagt. Den Risikoträger freut diese Zögerlichkeit des Finanzdienstleisters, denn spätestens drei volle Kalenderjahre nach der Deckungsablehnung wird sich die VSH auf Verjährung berufen, auch wenn das Haftpflichturteil nach den VSH-Bedingungen deutlich genug versichert gewesen wäre.

Nach Einreichung der Deckungsklage durch den Finanzdienstleister lassen es VSH-Versicherer selten zu einem Urteil kommen, denn dies könnte sich im Markt herumsprechen. Üblicherweise muss sich der Finanzdienstleister dann nur noch zur Verschwiegenheit über den Fehler eines Sachbearbeiters verpflichten, der rechtsirrig oder mit Blick auf seinen Jahresbonus, die Eintrittspflicht negiert hatte.

Nach einem Schaden (unabhängig von der Regulierung) laufen die Vermittler Gefahr schadenbedingt gekündigt zu werden. Wegen der extrem kurzen Frist von i. d. R. nur einem Monat um sich neu einzudecken kann der Vermittler seine Zulassung verlieren, weil eine Neueindeckung in der kurzen Zeit mit Vorversichereranfrage oft nicht zu realisieren ist. Da es keinen Kontrahierungszwang gibt, kann das für die betroffenen Vermittler fatale Auswirkungen haben.

Die Registrierungsbehörde verlangt innerhalb 4 Wochen nach einer neuen Versicherungsbestätigung, sonst wird die Registrierung aufgehoben. Was zur Folge haben wird, dass die Produktpartner/ Gesellschaften des Vermittlers die Kündigungen seiner Vermittlungsverträge und Bestände aussprechen werden, da Sie ohne Registrierung mit ihm nicht mehr zusammenarbeiten können. Dann sind viele Vermittler existenziell am Ende. Gute VSH Lösungen beinhalten deswegen eine 3 monatige Kündigungsfrist im Schadenfall, damit dem Vermittler mehr Zeit bleibt sich, am besten mit fachlicher Hilfe, eines VSH-Maklers neu einzudecken.

Viele der vorgenannten Streit- und Stresssituationen werden deutlich reduziert durch ein ausgefeiltes VSH-Deckungskonzept, dessen beständige Erweiterungen, Verbesserungen und Optimierungen durch eine Rahmenvereinbarung auch stets für alle bestehenden VSH-Policen automatisch gelten.

Durch die vielen Veränderungen im Markt und somit im beruflichen Risiko der Vermittler sollten diese die schon seit Jahren „unangetastet in der Schublade liegenden” VSH-Policen ernsthaft einer Überprüfung auf die aktuellen Marktgegebenheiten unterziehen. VSH-Makler bieten heute schon Lösungen zum Schließen der bestehenden Lücken und VSH-Policen-Prüfungen zum Festpreis an.

 

von Dr. Johannes Fiala und Ralf Werner Barth

 

veröffentlicht auf

WMD Brokerchannel

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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