Versicherungsangebote: Beispiel-Rechnungen zwischen Unverbindlichkeit und Haftung

– Falsches Verständnis erzeugt Irrtümer – falsche Beratung erzeugt persönliche Haftung –

 

Risiko und Rendite Versicherungskunden und Vermittler glauben gerne, dass Beispielsrechnungen etwas darüber aussagen, was der Versicherer (am wahrscheinlichsten) als Ergebnis einer Kapitalanlage in einem Versicherungsvertrag erwartet. Daher fragen künftige Versicherungskunden auch gerne nach der “erwarteten Rendite”. Im Zusammenhang kommt auch das Thema einer “Sicherheit der Kapitalanlage” zur Sprache, wobei als Rendite nur sicher sein kann, was als Garantie versprochen wird und sicher ist – aber nicht das Beispielhafte.

 

Garantie oder Beispiel

Vermittler leben vom Erfolg, und um den Kunden zu motivieren wird gerne der Irrtum aufrechterhalten, dass Beispielsrechnungen irgendetwas an Wahrscheinlichkeit bieten würden. Dabei behaupten die Versicherer selbst gar nicht, dass die Beispielsrechnung das erwartete Ergebnis wiederspiegelt oder dass sie sich Gedanken darüber gemacht haben, ob dies irgendwie wahrscheinlich ist. Vielmehr handelt es sich nach deren eigener Aussage nur um eine fiktive Illustration, zu welchen Ergebnissen eine solche Versicherung führen könnte. Dabei wird häufig die Gewinndeklaration des letzten Jahres – und sogar die derzeitigen stillen Reserven – herangezogen, ohne vorher überhaupt geprüft zu haben, inwieweit dies für die Zukunft noch relevant sein könnte.

Wenn der Vermittler diese „Beispiele“ – entgegen den warnenden Hinweisen des Versicherers im Kleingedruckten – als verbindliche Prognose darstellt, haftet nur er allein – und wenn der Vermittler in der Vertriebsausbildung etwas anderes gelernt hat, muss er den Schulungsleiter in Regress nehmen.

 

Keine Finanzaufsicht bei Beispielsrechnungen

Das Bundesaufsichtsamt (BaFin) hatte wegen der Zunahme unplausibler und irreführender Beispielrechnungen im Jahr 2000 ein Rundschreiben R 2/2000 erlassen – die entsprechende Regelung der Beispielsrechnungen wurde jetzt aufgehoben, weil ja das Gesetz nun bestimmte normierte Beispielrechnungen mit vorgegebenen Zinssätzen als Verbraucherinformation verlangt. Diese erhält der Kunde auch im großen Informationspaket – geworben wird aber mit viel „optimistischeren“ Beispielrechnungen.

Durch Aufhebung des „R2/2000“ werden Missstände wegen irreführender Werbung mit Beispielrechnungen von der Aufsicht nicht mehr angeprangert. Und weil sie ja offiziell vom Versicherer nur als Illustration eines fiktiven Berechnungsergebnisses verkauft werden, sind sie so viel wert wie das Werbebeispiel einer Tippgemeinschaft, in dem als Beispiele der glückliche Millionengewinner gezeigt wird.

Es gibt also gar keinen Grund mehr, weshalb die Aufsicht solche fiktiven Beispielillustrationen kritisieren sollte Schließlich hat auch der Renditebegriff bei Versicherungen ohnehin nichts verloren, weil eine Verwechslungsgefahr mit Kapitalanlagen besteht – was an und für sich schon laut Ba-Fin irreführend ist. Zum Beispiel schon, weil die Rendite bei Beendigung vor dem planmäßigen Ablauf oft gar ins Negative tendiert.

 

Kunden von Bankern, Finanzplanern und „Certified Financial Plannern“ irregeführt

Daher ist es auch ein typischer Fehler, in Vermögens- und Risikofragen seinem „unabhängigen“ Banker zu vertrauen:

Im Zweifel hat dieser mit der chicen Software eines Excel-Programmierers die Versicherungsleistung in gegenwärtiges Kapital umgerechnet. Töricht daran ist, dass man ein ungewisses Todesfallrisiko (wenn es nicht vor Versicherungsablauf eintritt) oder ein Unfall- oder Berufsunfähigkeitsrisiko niemals in ein gewisses Kapital in der Gegenwart verwandeln kann – also schon gar nicht damit eine Vermögensbilanz ergänzen sollte.

Doch manche Bankkunden lassen sich für solche Folge-Irrtümer auf Papier dann noch Rechnungen in vier- und fünfstelliger Höhe ausstellen und abbuchen.

 

Beispielsrechnungen sind nicht mehr wert als bunte Bilder

Versicherungsmakler sollten solche Beispielrechnungen, auch wenn sie mit der Software von Versicherern generiert werden, etwa so einordnen, wie die bunten Werbebilder, welche ein Rentnerehepaar im Ruhestand auf dem Golfplatz zeigen: Es handelt sich nur um eine Illustration des möglichen Ergebnisses mit Privatrente.

Über solche „Bilder“ wird sich dann auch jene Rentnerwitwe nicht beklagen, die sich täglich mit dem Gehwagen zum Arzt schleppt, und deren für den gemeinsamen Golfsport und Golfurlaub geplante Privatrente gerade einmal für die Zuzahlungen zu Arzneimitteln, Hydrotherapie sowie Taxi und Blumen für die Grabpflege reicht. Es handelt sich – trotz aller Scheingenauigkeit konkreter Zahlen – nur um ein Beispiel einer Berechnung, nicht um die Berechnung eines Beispiels.

Nicht um eine verantwortliche Berechnung des wahrscheinlichen Ergebnisses des konkreten Vertragsbeispiels, sondern um ein Beispiel, zu was eine solche fiktive Berechnung führen würde. Spaßeshalber kann man auch beim Verantwortlichen Aktuar anfragen, ob denn das Ergebnis der Beispielrechnung auch wahrscheinlich eintreffen wird – mit einer schriftlichen Antwort sollte man allerdings nicht rechnen.

 

Versicherungsvermittler haften nur persönlich – nie versichert

Aus diesem gutem Grund habe die Vermögenschaden-Haftpflichtversicherer keine Deckung für den Fall vorgesehen, dass der Vermittler eine unzutreffende Aussage über „Renditen, Prognosen, Rentablilitäten“ trifft – Hellseherei und brennende Häuser sind ja leider nicht versicherbar. Dabei haftet der Versicherungsvermittler selbstverständlich für falsche Aussagen, und zwar in aller Regel persönlich – wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung: Dies bestätigt auch das neue Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) vom 19.02.2008 (Az. XI ZR 170/07). Der Berater hatte eine Kapitalanlage empfohlen, die nicht zum Risikoprofil passte – dafür hatte der Kunde seine Lebensversicherungen zur Altersvorsorge gekündigt.

 

Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch falsche Vermittler-Versprechen

Voraussetzung für § 826 BGB ist die vorsätzliche falsche Empfehlung – die Absicht (Beweggrund, Ziel) einer Schädigung muss nicht bestehen, es genügt, sie billigend in Kauf zu nehmen (bedingter Vorsatz, es für möglich halten). Bereits grob fahrlässig leichtfertig unrichtige Beratung ist sittenwidrig, wenn sie für die Anlegerentscheidung erkennbar von Bedeutung ist und bei Verfolgung eigener Interessen in dem Bewusstsein einer möglichen Anlegerschädigung abgegeben wird. Bereits ein bloßes Verlustrisiko für den Anleger gilt hierbei als Schaden (BGH Urteil 13.09.2004, Az. II ZR 276/02).

Die sittenwidrige Schädigung leiten Gerichte aus Indizien ab, insbesondere der Täuschung über Risiken und/oder Renditen. Auch die fehlerhafte Vertriebsschulung fällt darunter (LG München, Az. 12 O 5224/07, Urteil vom 24.08.2007). Vermittler die bunte Bilder in Rendite-Versprechen verwandeln, müssen sich über die spätere eigene Haftung nicht wundern.

 

Wie wirbt man mit Beispielrechnungen und Renditen richtig?

Solange der Kunde Beispielrechnungen und Rendite „versprechen“ unmissverständlich für so unrealistisch halten muss wie das Hinauffahren mit dem Audi auf die Schischanze, darf man ruhig damit werben. Wenn der Vermittler aber solche Dinge selbst mit ernstem Ton verbreitet, ist die Grenze zur Irreführung und Falschberatung rasch überschritten, denn der Kunde beginnt dem dann einen der Sache nicht zukommenden Informationswert zuzumessen.

Solche Vermittler werden dann auch die Beispielrechnung 5stelliger monatlicher Provisionen, mit denen sie selbst angeworben wurden, angesichts der sich abzeichnenden Haftungsprozesse als die Rattenfängerei erkennen müssen, als die sie gemeint war. Mit Beispielrechnungen und Renditen wirbt der auf seine Haftung achtende Vermittler von Lebensversicherungen also einfach – kurz gesagt – grundsätzlich gar nicht.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.experten.de (veröffentlicht am 15.09.2008)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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