bAV: Brisante Arbeitgeber- und Vermittlerfragen zur Wertgleichheit

Zwei Spezialisten im Bereich betrieblicher Altersvorsorge (bAV) sollten Arbeitgeber und Vermittler kennen:

Herrn Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski und den Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht (BAG), Herrn Dr. Gerhard Reinecke.

Dr. Reinecke:

Der Vorsitzende des Ruhegeldsenates beim BAG steht für die Aussage, dass die überwiegende Mehrheit der Entgeltumwandlungen v.a. nicht dem Gebot der “Wertgleichheit” nach dem BetrAVG entsprechen. Daher sind nicht nur die Vereinbarungen des Arbeitgebers mit dem Mitarbeiter unwirksam. Vielmehr schlägt diese Unwirksamkeit auf den Vertrag mit dem “Produktgeber” durch, weil es sich um ein Vertragsbündel mit wechselseitiger Bezugnahme handelt. (Quelle: u.a. Fachzeitschrift “Der Betrieb” vom 10.03.2006).

 

Professor Schwintowski:

Dieser Professor steht für die Aussage, dass den Arbeitgeber zahlreiche Rechtspflichten gegenüber den Mitarbeitern bei der Entgeltumwandlung treffen. (Hierzu ein Beitrag aus dem aktuellen expertenReport “Rechtspflichten des Arbeitgebers bei der Entgeltumwandlung”. Daneben vertritt er die Auffassung, dass Versicherungsunternehmen wegen “Betrug und Unterschlagung” haften, v.a. wenn sie gegenüber den Kunden unrichtige Werte angeben und nicht korrigieren. (Quelle: u.a. Fachzeitschrift “Deutsches Steuerrecht”, Hefte 10 und 11/2006).

 

Nachgefragt:

Der Beitrag “Betriebliche Altersvorsorge: Gebot der Wertgleichheit – nichtige bAV-Vermittlung” –  hat bei Arbeitgebern, Betriebsräten und Finanzdienstleistern wichtige Fragen aufgeworfen:

Was bedeutet Wertgleichheit:

Die Wertgleichheit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Damit hat es der Gesetzgeber den Gerichten überlassen, den Inhalt zu definieren. Gedanklich hilft folgende Überlegung: Bei der Entgeltumwandlung handelt es sich gleichsam um Vermögen des Mitarbeiters – also Lohn/Gehalt, für welches der Mitarbeiter auch gearbeitet hat.

Der Arbeitgeber bekam vom Gesetzgeber die Rolle eines Treuhänders, denn er bestimmt “Durchführungsweg und Tarif”, also wie das Geld angelegt wird. Wenn der Arbeitgeber nun das “Geld seiner Mitarbeiter” anlegt, dann darf er es nicht veruntreuen, indem er unnötige Provisionen oder zu hohe Verwaltungskosten akzeptiert.

Der Arbeitgeber muss also einen Marktvergleich vornehmen, damit das bAV-Modell nicht mit unnötigen Transaktionskosten belastet wird. Im Arbeitsrecht folgt dies aus der verschuldensunabhängigen Fürsorgepflicht, im Strafrecht folgt dies aus §§ 266, 266a StGB – dem Verbot Vermögen zu veruntreuen oder Lohn (teilweise) vorzuenthalten.
Wem hat denn die Stunde der Wahrheit geschlagen? Zunächst einmal hat für den Arbeitgeber “die Stunde der Wahrheit” geschlagen, denn wenn er einem Versicherungsvertreter einen x-beliebigen Tarif für das Geld seiner Mitarbeiter “abgekauft” hat, ist die Entgeltumwandlung zumeist teilunwirksam bzw. nichtig.

Denn als Wert oder Rückkaufswert steht in schöner Regelmäßigkeit nur ein Bruchteil der einbezahlten Beträge zur Verfügung. Rechnerisch in etwa für die Differenz, haftet dann der Arbeitgeber.
Auch der Steuerberater muss sich peinliche Fragen gefallen lassen:

Wieso wurde diese Haftungsdifferenz nicht in der Bilanz ausgewiesen?

Was sagt das Gesetz über die Lohnabrechnung bei teilunwirksamer bzw. nichtiger Entgeltumwandlung?

Schließlich haben wir noch den Versicherungsagenten (für ihn, als Erfüllungsgehilfen, hat zumeist der Versicherer einzustehen), oder den Versicherungsmakler. Letzterer steht besonders auch persönlich im Feuer, denn seine Sachwalterpflichten verlangen höchste Sorgfalt bei der Tätigkeit für den Arbeitgeber. Erhärtet sich ein strafrechtlicher Vorwurf, greift nicht einmal der Schutz einer vielleicht vorhandenen Vermögenschadenversicherung ein.

 

Was ist eine Enthaftungsinformation?

Darüber, dass die Wertgleichheit ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, besteht eine Aufklärungspflicht des Vertriebs, wie jüngst bei einer Steuerberaterhaftung vom Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Der informierte Arbeitgeber wird seine Rolle als “gesetzlicher Treuhänder” in der bAV erkennen:

Damit sind nicht nur Provisionen in gezillmerten Tarifen faktisch von Anfang an eine Totgeburt. Ein indianisches Sprichwort sagt “Wenn Dein Pferd tot ist, dann steige ab !”.

In nahezu jeder Personalabteilung der Arbeitgeber finden sich Entgeltumwandlungen, die zu sanieren sind. Für den Finanzdienstleister führt die persönliche Haftung zur Erkenntnis, dass in aller Regel nur noch eine Honorarberatung in Frage kommt – auch bei der Sanierung. Bin ich nicht mehr haftbar, wenn ich eine Enthaftungsinformation vom Produktgeber besitze?

Nur ganz wenige Produktgeber bestätigen dem Arbeitgeber oder Vermittler, dass die bAV-Durchführung im konkreten Einzelfall der Wertgleichheit entspricht. Bei der Beratung und Sanierung, aber auch bei der Prüfung bestehender Entgeltumwandlungen kann die Zuziehung eines wirklich unabhängigen Aktuars ausgesprochen zeitsparend und nützlich sein.

 

Ist dann der Produktgeber haftbar?

Wenn der Produktgeber die Wertgleichheit bestätigt, dann haftet er dafür. Ob es auch stimmt, kann ein Aktuar prüfen. Denn das Risiko trägt auch weiterhin erst mal der Arbeitgeber, wie gesagt – verschuldensunabhängig wegen seiner Fürsorgepflicht. Noch immer meinen einige Vermittler von bAV-Modellen, dass “man ja von irgend etwas leben müssen – und daher gezillmerte Tarife anbieten kann”.

Auch manche Unterstützungskasse oder Pensionskasse kauft nach wie vor zur Rückdeckung derartige Tarife mit ein – sozusagen “hinter dem Rücken des Arbeitsgebers”. Mit der passenden, also lückenhaften Schulung der Vermittler, gerät der Produktgeber dann oftmals in eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung.

Bin ich nicht mehr haftbar, wenn über den “unbestimmten Rechtsbegriff” der Wertgleichheit und die Ungewissheit über die Zulässigkeit gezillmerter Tarife informiert habe?
Zahlreiche Konzepte basieren darauf, dass Arbeitgeber bzw. Mitarbeiter aufgeklärt werden. Dies stellt jedoch zumeist einen “untauglichen Versuch” zur Enthaftung dar, denn neben der Aufklärungspflicht beim Finanzvertrieb und beim Arbeitgeber kommt noch die nicht vom Verschulden abhängige Fürsorgepflicht dazu.

Die Haftung des Arbeitgebers lässt sich hier kaum vermeiden – und dies wiederum schlägt auf die Pflichten der Berater durch. So wie die nicht wertgleiche Entgeltumwandlung auf den Vertrag mit dem Produktgeber durchschlägt.

 

Was muss ein Versicherungstarif bieten, damit er nicht gegen das Gebot der Wertgleichheit verstößt?

Zunächst einmal, und dies ist ein weiterer Haftungs- bzw. Unwirksamkeitsgrund, sollen Angebote transparent sein. Es ist also von Vorteil, wenn die einzelnen Kostenbestandteile in einer Prämie bzw. einem Beitrag nachvollziehbar aufgeschlüsselt sind. Natürlich können Versicherungsverträge auch “biometrische§ Risiken (z.B. Invaliditätsschutz, Witwenversorgung) enthalten. Derartige Kosten sind völlig normal und auch legal.

Gleiches gilt für niedrige Verwaltungskosten: Und hier fangen schon die ersten Probleme an.

Jeder Vermögensverwalter ist verpflichtet, das Geld seines Treugebers nicht “zum Fenster hinaus zu werfen” – ansonsten droht der Vorwurf einer Untreue. Also muss der Arbeitgeber Tarife vergleichen, oder durch einen bAV-Experten bzw. Versicherungsmakler vergleichen lassen. Wir alle wissen, dass es bei fast allen Produkten auf dem Markt erhebliche Preisunterschiede gibt.

Hier liegt der Lösungsansatz, und dies natürlich im Zweifel mit einer Absicherung durch einen unabhängigen Aktuar. Bekanntlich sind die wohl allermeisten “angeblich unabhängigen bAV-Institute” fest im Einflussbereich bestimmter Produktgeber.

 

Betrügerische Konzepte?

Die übliche Finanzvermittlung fängt mit einer Lüge an: “Unsere Tätigkeit kostet Sie natürlich keinen Pfennig”.

Dies liegt natürlich daran, dass der durchschnittliche Kunde lieber 60.000 Euro Provision bezahlt (durch die Hintertür, dem Vertrag belastet), als 20.000 Euro für eine solide Beratung. Jedoch zwingen das “Zillmerungsverbot”, das “Transparenzgebot”, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und der Eigentumsschutz des Grundgesetzes in der bAV-Vermittlung eine komplett andere Sichtweise.

 

Nur ein bAV-Beispiel:

So wird von der Fachliteratur allein “wegen zusätzlicher unnötiger Verwaltungskosten” auch die Unterstützungskasse als unwirksam beschrieben, wenn die Kosten der U-Kasse dem umgewandelten Entgelt der Mitarbeiter entnommen werden. Bin ich nicht mehr haftbar, wenn ich einen Tarif verwende, den der Versicherer als ungezillmerten Tarif bezeichnet?

Die Zillmerung ist nur eine Variante die Provision zeitlich gesehen, dem Versicherungsvertrag zu belasten. Bei der sogenannten Metallrente erfolgt die Verteilung, wie neuerdings bei Riesterverträgen, über fünf Jahre. Für den Arbeitgeber als gesetzlicher Treuhänder, gibt es ja stets die Möglichkeit auch einen courtagefreien bzw. provisionsfreien Tarif auszuwählen.

Wenn er sich der Dienste eines bAV-Beraters bzw. bAV-Vermittlers bedient, dann ist das gleichsam seine Entscheidung – aber eben nicht zugleich die Erlaubnis diese Kosten dann dem Mitarbeiter zu belasten: Welcher Arbeitgeber käme auf die Idee, die monatlichen Kosten der Lohnabrechnung vom Gehalt abzuziehen?

 

Auf die bAV übertragen:

Der Arbeitgeber darf im Grundsatz die “unnötigen Provisionen” oder “zu hohen Verwaltungskosten” – auch nicht durch die Hintertür – dem von ihm als bAV verwalteten Lohn/Gehalt belasten oder belassen lassen. Dies kann in Beziehung zum Mitarbeiter bis hin zum Vorwurf eines Betrugs durch Täuschung reichen.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass bereits die nur “halbwahre” Information der Mitarbeiter bzw. des Arbeitgebers, eine Täuschung durch Unterlassen sein kann.

 

Was kann ich als Arbeitgeber oder Finanzdienstleister sinnvoll unternehmen?

Dem Arbeitgeber muss finanztechnisch klar sein, dass sich der Schaden bei “nicht wertgleichen Modellen” in der Regel von Tag zu Tag vergrößert. Dies liegt am Zinseszinseffekt. Dem Mitarbeiter stehen ja oftmals auch alle Erträge zu – eingeschlossen eben solche Erträge, die wegen zu hoher Gesamtkosten gar nicht erwirtschaftet werden. Hier gilt es also oft im Rahmen einer Sanierung darum, eine möglichst wertgleiche Situation erstmalig herzustellen.

Wenn die Verträge teilnichtig oder unwirksam sind, müssen neue Vereinbarungen abgeschlossen werden – und vor allem müssen die Arbeitgeber darauf achten, dass sie den gesetzlichen Informationspflichten gegenüber den Mitarbeitern umfassend und nachweislich nachkommen.

Für den Finanzdienstleister bestehen hier mannigfaltige Möglichkeiten, dem Arbeitgeber zur Seite zu stehen – nicht zuletzt durch Koordination der Sanierung, und Moderation der Gespräche mit den Mitarbeitern, Aktuar sowie den übrigen Beteiligten. Die nachlaufenden Beraterpflichten gebieten ein aktives Schadensmanagement.

Die Grundsätze der persönlichen “Managerhaftung” von Geschäftsführern und Vorständen zwingen zur unverzüglichen Sanierung.

 

von Dr. Johannes Fiala

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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