Bundesfinanzminister: angespartes Rürup-Kapital ist pfändbar

– nur Vorsorge auf Sozialhilfe-Niveau darf vor Gläubigern geschützt werden –

 

Die Vertriebsmär von der Unpfändbarkeit des Rürup-Kapitals

Versicherverbände, Versicherer und der Versicherungsvertrieb priesen in Werbebroschüren seit vielen Jahren die Rüruprente als pfändungsgeschützte Altersvorsorge. Nun erweist sich dies nach einem neuen Schreiben des Bundesfinanzministers (BMF) vom 31.03.2010 (Az. IV C 3 – S 2222/09/10041 ) als bloße Marketinglüge zur Kundenakquise.

Dass nicht nur angespartes Vermögen in einer Rürup-Rente pfändbar ist, sondern auch der nicht staatlich geförderte Teil des Riester-guthabens, hatte bereits ein Urteil vom 03.11.2006 das LArbG Mainz (Az. 3 Sa 414/06) für den Fall einer zertifizierten Riester-Minirente in der Ansparphase entschieden. Die staatliche Förderung bezieht sich regelmäßig auf nur 4% des Bruttoeinkommens, was real etwa einer Rente i.H.v. rund 6% des Bruttoeinkommens entsprechen wird – zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben.

 

Pfändbarkeit trotz vertraglichem Abtretungs- und Übertragungsverbot

Die Rürup-Rente bzw. die sogenannte pfändungsgeschützte Altersvorsorge für Selbständige setzt ein vertragliches Abtretungs- und Übertragungsverbot voraus. Versicherer und Vertriebe wurden nicht müde, aus diesem Verbot die Unpfändbarkeit zu folgern. Doch nun stellt das BMF klar: „Der Pfändung des … Altersvorsorgevermögens steht ein vertragliches Abtretungs- und Übertragungsverbot nicht entgegen.“ Entsprechend hatte auch bereits der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Beschluß vom 25.08.2004 –IX a ZB 271/03), dass selbst eine Regelung in der Satzung eines Altersversorgungswerkes über die Nichtübertragbarkeit der Pfändbarkeit nicht entgegen steht.

Pfändbarkeit des privaten Altersvorsorgevermögens folgt aus Verfassungsrecht
Der Schutz des Eigentumsrechts von Gläubigern, die ein privat angespartes Altersvorsorgevermögen pfänden möchten, darf verfassungsrechtlich nur dort eine Grenze finden, wo das Sozialstaatsprinzip berührt ist. Die Forderung eines Gläubigers genießt als Eigentum den Schutz des Grundgesetzes – es darf ihm nicht so einfach durch vertragliche Übertragungsverbote entzogen werden, wie sich dies die Versicherer gerne vorgestellt hätten.

 

Rürup: Sparen zur Entlastung des Staates und für die Gläubiger

Die „Rürup-Lüge“ der Versicherer wurde damit begründet, dass vertraglich ein Verwertungsausschluss vereinbart wäre, und die Übertragbarkeit ausgeschlossen sei. Aber solche vertraglichen Ausschlüsse retten nicht vor der Pfändung, weil … verfassungsrechtlicher Gläubigerschutz (der Staat darf verfassungskonform nur das soziale Minimum vor dem Gläubiger schützen) vorrangig ist, wie der BMF nun nochmals hervorgehoben hat. Auch das Finanzamt schaut wohl ungern dabei zu, wie der Selbständige (Freiberufler und Gewerbetreibende) sich eine großzügige Altersversorgung beiseiteschafft, und etwa seine Steuern schuldig bleibt.

Auch der Rürup-Sparer spart für den Staat (wegen der Einsparung späterer Unterstützung) und im übrigen für seine Gläubiger (ggf. auch das Finanzamt). Gerichte werden nach der ZPO nur das Existenzminimum, zur Entlastung des Sozialamtes, pfändungsfrei belassen, denn der Schuldner soll sich nicht auf Kosten der Allgemeinheit entschulden können. Die pfändungsfreien Grenzen in der Ansparphase – und später nach Rentenbeginn – sind in entsprechend geringe Höhe im Gesetz über die pfändungsfreie Altersvorsorge Selbständiger festgelegt. Diese reichen längst nicht an die Höchstgrenzen heran, bis zu denen Rürup-Beiträge anteilig als Sonderausgaben berücksichtigt werden können (20.000 bis 40.000 EUR jährlich), so dass ein großer Teil des angesparten Rürup-Vermögens pfändbar bleibt.

 

Versicherer ignorieren klare gesetzliche Lage

Da der Gesetzgeber ausdrücklich gesetzlich die Pfändung des angesparten Kapitals oberhalb der Freigrenzen vorsieht, muss man den Mut von Versicherern und Vertrieben bewundern, die sich für schlauer als der Gesetzgeber halten, und diese Möglichkeit einfach leugnen. Dabei haben sie bis heute kein einziges Urteil vorzuweisen, welches ihr Märchen vom pfändungsfreien Rürup-Vertrag bestätigt.

Der klaren Gesetzeslage steht auch nicht entgegen, dass dem Rürup-Sparer bei ordentlicher Kündigung keine Auszahlung eines Rückkaufswertes zusteht. Denn schon einfach unmittelbar aus dem Gesetz zur pfändungsgeschützten Altersvorsorge Selbständiger (§ 851c ZPO) ergibt sich, dass das angesparte Rürup-Kapital vor Rentenbeginn oberhalb der sozialhilfekonformen Grenzen gepfändet werden kann. Insolvenzverwalter, Finanzamt und andere Gläubiger werden diese ihnen vom Gesetz eindeutig belassenen Ansprüche auch gegen die Versicherer durchzusetzen wissen – dem Rürup-Sparer bleibt nur eine Rente auf Sozialhilfeniveau.

 

Was sagt das Gesetz?

§ 851 c Abs. 2 Satz 3-4 – Pfändungsschutz bei Altersrenten:
Übersteigt der Rückkaufwert der Alterssicherung den unpfändbaren Betrag, sind drei Zehntel des überschießenden Betrags unpfändbar. Satz 3 gilt nicht für den Teil des Rückkaufwerts, der den dreifachen Wert des in Satz 1 genannten Betrags übersteigt.

 

§ 169 VVG – Rückkaufswert

(1) Wird eine Versicherung, die Versicherungsschutz für ein Risiko bietet, bei dem der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers gewiss ist, durch Kündigung des Versicherungsnehmers oder durch Rücktritt oder Anfechtung des Versicherers aufgehoben, hat der Versicherer den Rückkaufswert zu zahlen.
(2) Der Rückkaufswert ist nur insoweit zu zahlen, als dieser die Leistung bei einem Versicherungsfall zum Zeitpunkt der Kündigung nicht übersteigt. Der danach nicht gezahlte Teil des Rückkaufswertes ist für eine prämienfreie Versicherung zu verwenden. Im Fall des Rücktrittes oder der Anfechtung ist der volle Rückkaufswert zu zahlen.
(3) Der Rückkaufswert ist das nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung

Es trifft also auch nicht zu, was die Versicherer hilfsweise behaupten, dass es bei der Rüruprente gar keinen Rückkaufswert gäbe. Vielmehr ermittelt sich dieser stets aus dem angesammelten Deckungskapital. Er ist lediglich bei einer ordentlichen Kündigung nicht auszuzahlen, weil zum Zeitpunkt einer Kündigung keine Todesfalleistung vereinbart ist. Nichtsdestoweniger ist er jedoch in der Ansparzeit vorhanden, weil aus ihm ja die beitragsfreie Rente als „prämienfreie Versicherung“ ermittelt wird. Tatsächlich auszuzahlen ist der Rückkaufswert dann aber schon bei Rücktritt oder Anfechtung, ebenso bei außerordentlicher Kündigung gemäß § 314 BGB (z. B., weil die Arbeitsagentur wegen der Anrechnung des angesparten Vermögens keine Leistungen nach ALG II oder Harz IV erbringt) und eben auch – gemäß § 851c ZPO – bei Pfändung.

 

Andere Möglichkeiten im Ausland?

Für ein in beliebiger Höhe pfändungsgeschütztes Vermögen zur Altersversorgung gibt es allerdings im Ausland entsprechende Regelungen, etwa in Liechtenstein und der Schweiz. Dies machen sich entsprechende Versicherer in der Werbung zu nutze, indem sie mit „Versicherungsgeheimnis und Konkursschutz“ in Deutschland Kunden werben. Auch dies stellt sich bei näherer Prüfung in 99,9% der Fälle als Vertriebs-Lüge heraus, denn nach dem internationalen Privatrecht und staatlichen internationalen Verträgen, kann dieser als „fürstliches Privileg“ beworbene angebliche Konkursschutz gar nicht eingreifen.

 

Lösungsansatz für die Praxis: Professionelle Asset-Protection

Es gibt jedoch Möglichkeiten – ganz ohne Steuerbetrug – das eigene Vermögen z. B. über Stiftungen zu schützen. Allerdings sind dies keine Produkte von der Stange, wie sie manche Schweizer Bank ihren Kunden zum Zwecke einer Beihilfe zur Geldwäsche angeboten hat.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.juraforum.de (veröffentlicht am 26.04.2010)

Link: http://www.juraforum.de/wirtschaftsrecht-steuerrecht/bundesfinanzminister-angespartes-ruerup-kapital-ist-pfaendbar-317862

und

www.konradin.de (veröffentlicht in Die Tabak Zeitung 28.05.2010)

und

www.stbverband.de (veröffentlicht in Verbandsnachrichten 03/2010, 12-13)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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