Das Märchen vom „Dokumentations- und Beratungsverzicht“

Das Märchen vom „Dokumentations- und Beratungsverzicht“ – eine Anleitung zur sicheren Existenzvernichtung für fast jeden Versicherungsmakler *
*von Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt (München), Mediator (Univ.), MBA Finanzdienstleistungen (Univ.Wales), MM (Univ.), geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Lehrbeauftragter für Bürgerliches Recht und Versicherungsrecht (Univ. of Cooperative Education), Bankkaufmann (www.fiala.de) und Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Aktuar DAV, Sachverständiger für Versicherungsmathematik, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de)
„Der Zweck heiligt alle Gemeinheiten“ (Stanley Bing) Die bevorstehende Umsetzung der Vermittlerrichtlinie hat geschäftstüchtige Unternehmer verstärkt auf den Plan gerufen – in österreich sind viele nach der Umsetzung wieder vom Markt verschwunden. Auf den Zug einer „Hoffnung auf bequeme Haftungssicherheit“ durch Software/Formulare sind auch einige Versicherer/Lizenznehmer aufgesprungen: Bei diesem „Stein der Weisen“ handelt es sich indes für viele Akteure um einen Weg in den persönlichen Haftungsabgrund. Die „Zwischenschaltung“ einer GmbH oder AG hilft dabei in den seltensten Fällen die Haftung wirklich abzuschirmen. Heutige Akteure sind Softwarehersteller – sie lobpreisen angebliche Haftungsfreiheit ihrer Produkte mit „eingebauten“ Formularmustern/Protokollen, Verbände, Vereine, Versicherer, Pools, Vertriebe, unbekannte Fachautoren/Juristen zum Versicherungsmaklerrecht – bisweilen im Anstellungsverhältnis beim Versicherer, Arbeitskreise mit selbstgeschaffenen Zertifizierungen – auch als wundersame Lizenzeinnahmequelle Unternehmensberatungen für Versicherungsvermittler. These: Hier schreibt einer vom anderen in den letzten Monaten unwirksame Klauseln ab. Leider wurden viele Klauseln bereits kurz nach dem Jahr 1900 als unzulässig ausgeurteilt. Der echte Jurist sagt dann beiläufig „Der Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung“, denn zumeist steht es dort bereits klipp und klar drin. Jeder ist „Jurist“ Die Berufsbezeichnung „Jurist“ ist in Deutschland nicht geschützt – genauso wie sich in der Schweiz Jedermann als „Wirtschaftsprüfer“ bezeichnen darf. Einige Autoren zahlreicher Formularmuster lassen sich bei öffentlichen Auftritten gerne als „Juristen“ feiern. Diese dürften allerdings bereits im dritten Semester Jura nicht am Studium teilgenommen haben. Denn dort hätten sie gelernt, dass „Musterformulare“ zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zählen. Wendet man nun das „AGB-Recht“ auf solche Druckstücke an, stellen sich zahlreiche Formulare als sichere Anleitung zur Existenzvernichtung für den Versicherungsmakler heraus. Rat für den Versicherungsmakler: Vor dem Einsatz sollen die „letzten Dinge“ geregelt sein – im Haftungsfall bleibt vom persönlichen Vermögen in der Regel wohl kaum noch etwas übrig. Der Kunde verzichtet ausdrücklich auf Beratung und Dokumentation. So oder ähnlich lesen sich die aktuellen Wunderwerke für das zeitgemäße Formularmanagement des Versicherungsmaklers. Oftmals wird kein verantwortlicher Autor der Muster namentlich benannt – mit gutem Grunde, denn zahlreiche Klauseln stellen sich bereits bei einer ersten Prüfung als „null und nichtig“ heraus. Soweit Autoren benannt werden, konnte mutmaßlich bisher für die praktisch „unabsehbare“ Haftungshöhe zumeist kein oder kein angemessener Versicherungsschutz nachgewiesen werden. Allein die Kosten der bevorstehenden „Rückrufaktionen“ auf Seiten von Pools und/oder Verlagen dürften höher liegen als die beim Anwalt übliche „gesetzliche Mindestversicherungssumme“ von 250 TEUR. übrigens: Der „Jurist“ als solcher besitzt dafür in der Regel gar keine VSH. Das Märchen vom Ausschluß der Beratungspflicht durch Formulare. Durch Formulare, also Allgemeine Geschäftsbedingungen, kann kein Versicherungsmakler seine „Sachwalterpflichten“, insbesondere keine Beratungspflicht beseitigen. Wie beruhigend, dass dies übrigens auch gegenüber Unternehmern bzw. Vollkaufleuten als Kunden gilt. Das Reichsgericht und der Bundesgerichtshof (BGH) hatten dies seit Jahrzehnten bereits entschieden – doch den sogenannten „Juristen“ und ähnlichen Experten ist dies leider bisher entgangen. Auch für den Versicherungsmakler hat der BGH den Beratungsverzicht vor Jahren als unwirksam/nichtig entschieden! Ist diesen Akteuren die Haftung nun sicher? Kein VSH-Versicherer wird sich dieses „Klumpenrisiko“ wohl gerne ans Bein binden. Wer solche „Muster“ abgeschrieben hat, kann einfach nachfragen, wie denn der Pool, Anwalt, Verband etc. dies versichert hat. Verwunderlich wenn die Antwort ausbleibt? Durch das Formular „Beratungsverzicht“ erhält der Kunde das beste Beweismittel für den Pflichtverstoß und die sichere Haftung des Versicherungsmaklers in die Hände? Eine kurze übung für Vermittler in Sachen der Plausibilitätsprüfung: Da verbreitet ein Pool den „neuen“ Maklervertrag als Muster, mit Unterstützung eines renommierten „Professors“. Die erste Frage von Experten.de wäre dann wohl, ob er dafür angemessen versichert ist? Der VSH-Versicherer könnte ablehnen, weil es sich um ein „Klumpenrisiko“ handelt: Vielleicht dämmert jetzt dem Verantwortlichen beim Pool, nach dem Gespräch mit dem VSH-Versicherer, dass es Nebenwirkungen gibt, an die er gar nicht dachte – es könnte sein Privatvermögen bald „mit verdunsten“? Merke: Das Risiko wäre für den Professor „unabsehbar“, das Vertragsmuster könnte unendlich oft mit „kleinen (natürlich unbeabsichtigten) Fehlern“ verwendet werden und ein Schaden eintreten. Bei den vielen Verträgen stellt sich die Frage, welcher Professor leistet sich da schon eine „Vermögenschadenhaftpflicht“ auf seine Kosten mit unendlicher Deckung“? Ach ja, der Versicherungsmakler sollte es ja sofort erkennen – schließlich ist er ja der „Experte in Sachen Risiko“? Halt nein, der Volksmund sagt ja „Nur der Esel berät sich selbst“: Der Pool hat sicher alles gut versichert, und der Professor ebenfalls – schade dass keiner mehr antwortet, auf die boshafte Frage, wer das Insolvenzrisiko hier trägt, wenn�s schief geht – und ob ein angemessener VSH-Schutz überhaupt jemals existiert hat? Das Märchen vom Ausschluß der Dokumentation durch Formulare. Immer wieder dürfen auch „selbsternannte Juristen“ auf Tagungen erklären, dass der Versicherungsmakler im beruflichen Status mit Anwalt und Steuerberater vergleichbar wären: Dies ist leider ein grober Unsinn. Spätestens seit dem Sachwalterurteil ist allgemein bekannt, dass die Beweislast bei Fehlern den Versicherungsmakler trifft – ähnlich beispielsweise beim Arzt und Architekten. Das steht in jedem seriösen Buch über den Versicherungsmakler. Durch die Dokumentation erhält der Kunde ab dem 22.05.2007 den besten Beweis für die Fehlberatung des Vermittlers direkt in die Hände: „Ihh-gitt“ – dies gilt es zu vermeiden. Der Vermittler ist dankbar für das Formular für den „Dokumentationsverzicht“. Durch das Formular „Dokumentationsverzicht“ erhält der Kunde indes für den Haftungsprozeß die Gewissheit, dass der Versicherungsmakler vor Gericht wohl mit leeren Händen da stehen wird? Dies hilft natürlich auch dem Prozeßfinanzierer des Kunden bei der Risikoabschätzung für die Regressklage gegen den Versicherungsmakler. übrigens entfällt damit auch gemäß den allermeisten Bedingungswerken die Deckung der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (VSH). Wäre es etwa vermessen zu fragen, wer noch alles von den Sponsoren solcher „todsicherer“ Bastelanleitungen niemand fragen konnte, der im dritten Semester Jura nicht gefehlt hat? Oder handelt es sich um eine „konzertierte Aktion- Agenda 2007“ den Versicherungsmaklerberuf für immer über den Jordan zu schicken? Risiko ist unser Geschäft In den seltenen Fällen, wo ein Beratungsverzicht vielleicht individuell – nicht formularmäßig – ginge, nützt dieser auch nur, wenn tatsächlich nicht beraten wird. Auch bei einem Beratungsverzicht und gleichzeitiger (Falsch)Beratung wird natürlich trotz des Verzichts für die Beratung gehaftet. Der Versuch, bei mangelnder Qualifikation und dadurch Falschberatung durch eine Beratungsverzichtserklärung die Haftung zu vermeiden, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wer wegen eines Dokumentationsverzichts nicht nur auf die Aushändigung einer Dokumentation an den Kunden verzichtet, sondern auch auf die Erstellung einer eigenen Dokumentation, handelt wie jemand, der meint wegen des Rechnungsverzichts des Kunden auch gleich auf die steuerwirksame Verbuchung der Einnahmen verzichten zu können. Beides hat miteinander einfach gar nichts zu tun. Die Lösung liegt eigentlich auf der Hand: Wer als Makler nicht haften möchte, bei dem kann der Kunde auf Beratung verzichten, woraufhin der Makler dann gar nicht tätig wird und somit – auch ohne Dokumentationsverzicht – natürlich auch nichts dokumentieren muss. Fazit für Versicherungsmakler? Zum Ersten: Wer sich orientieren will welche Akteure hier betroffen sind, der nutze die allseits beliebten Suchmaschinen im Internet. Haben sich hier einige „Experten“ ein Denkmal für alle Ewigkeit gesetzt? Zum Zweiten: Wie es der BGH bei Kapitalanlagen vorschreibt (Plausibilitätsprüfung – rechtlich, wirtschaftlich, steuerlich), sollte der Versicherungsmakler auch mal die „haftungssicheren“ (Formular- und Software-)-Lösungen auf dem Markt im Detail untersuchen (lassen). Am besten von irgendeinem Anwalt seines Vertrauens, der als erstes solch ein „Projekt“ nachweislich angemessen versichert. Der Makler hat die „Wahl zwischen Pest und Cholera“ – entweder er haftet, oder er holt sich vorher eine „Erstberatung“ ein, ob an seinen (abgeschriebenen?) Formularen was „faul“ sein könnte? Zum Dritten: Wer sich etwa fragt, welche Punkte bei der Vermittlung einer Kfz-Haftpflicht aufzuklären wären, also haftungsträchtig sind, sollte darüber nachdenken, wie er sich das nötige Fachwissen dafür blitzartig verschafft. Der Kunde „will nur mal eben schnell eine Doppelkarte“ – und die Haftung? Die Gerichte werden es immer (besser) wissen. Zum Vierten: Der offenbar „tödliche Dokumentations- und Beratungsverzicht“ findet sich in vielen „modischen“ Neuerscheinungen verschiedener Verlage als „geniales Muster“, zur schnellen Selbstvernichtung des Versicherungsmaklers. Es ist beruhigend, dass die EG-Richtlinie für den Versicherungsvermittler an der Haftung kaum etwas für den Versicherungsmakler ändert. Die alten Standardwerke (u.a. von Griess/Zinnert – Verlag VW) zu lesen, bringt wohl für die Praxis am meisten. Zum Fünften: Daneben ist es ratsam, viele gute – gerade auch ältere – Kollegen zu kennen, also ein persönliches Netzwerk zu besitzen. Das Versicherungsmakler-Leben ist zu kurz, jede Falle selbst sofort zu erkennen. Auch ein eigenes „Experten“-Archiv zu besitzen kann helfen – vor allem wenn es um den Regress wegen fehlerhafter „Formulare“ oder unrichtiger Schulungen geht. Angenehm ist es, dann auch eine ordentliche Kriegskasse zu besitzen, denn bekanntlich haften Vertriebs- und Schulungsleiter für „Halbwahrheiten“ oftmals nach den Regeln des § 826 BGB. Merke: „Nichts macht den Menschen so unverträglich wie das Bewußtsein, genug Geld für einen guten Rechtsanwalt zu haben“ (Richard Widmark). Allen Lesern eine möglichst lange, vor allem haftungsfreie Zeit!
(exerten.de (29.05.2007)
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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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