Rechtsschutz: Wann lohnt eine Deckungsklage?

Versicherungen bieten dem Kunden ein gutes Gefühl, bis es dann im Schadensfall zu einer meist begründeten Leistungsablehnung kommt. Die allermeisten Vermittler besitzen kaum einen Marktüberblick für einen Angebotsvergleich im In- und Ausland – der Kunde erst recht nicht.

Der Makler lässt eine Software entscheiden, was wohl für den Kunden passt. Wenn die Software zum Versicherungsrating von bestimmten Versicherern gesponsert wurde, spricht man vom „VersicherungsGate“ in der Maklerhaftung. Bereits beim Abschluss von (Rechtsschutz-) Versicherungen, aber auch häufig bei Deckungsablehnung im Schadensfall wissen die Kunden noch immer nicht, was eigentlich versichert ist. Nicht selten erfährt auch der Versicherer erst vom Gericht, was er in seinen Versicherungsbedingungen gemeint hat, bzw. wie sie auszulegen oder ob sie denn auch wirksam sind. So äußerte aktuell ein Unternehmer, der von seiner Bank zu gemanagten SWAP-Zinswetten gefolgt von zwei Mio. € Verlust überredet wurde, solche Fälle seien in der RSV nicht versichert: Dieser Irrtum kostete den Unternehmer bisher bereits um die 50.000 €.

 

Vielfach keine Vorvertraglichkeit

Für bereits brennende Häuser wird kein Versicherer (VR) eine Deckung zur Verfügung stellen. Die RSV möchte hier sicher gehen, und hat daher in der Regel eine Wartefrist vorgesehen: Bei Vertragsverletzungen darf der (erste) Verstoß regelmäßig erst nach drei Monaten vorliegen. So lehnte eine RSV die Deckung für eine Klage auf Kostenerstattung gegen die private Krankenversicherung (PKV) ab, nachdem die PKV mit (zeitlich vor Abschluss der RSV entstandenen) Gegenansprüchen aufgerechnet hatte.

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 25.02.2015, Az. IV ZR 214/14) entschied zu Lasten der RSV, weil es allein auf die Fallschilderung des Kunden ankommt:
„Danach ist, soweit der Versicherungsnehmer einen Anspruch gegen einen Dritten erhebt, für die Festlegung der den Versicherungsfall maßgeblich kennzeichnenden Pflichtverletzung allein der Tatsachenvortrag entscheidend, mit dem der Versicherungsnehmer den Verstoß seines Anspruchsgegners begründet. Als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt dabei das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der Versicherungsnehmer seinen Anspruch herleitet.“

 

Vielfach keine Nachvertraglichkeit

Häufiger werden Verbraucher und Unternehmer vom Vermittler überredet, die Versicherung zu wechseln. Der Bundesjustizminister hat ermitteln lassen, dass rund 85% aller Beratungen pflichtwidrig nicht dokumentiert werden – wie auch, wenn man die Gründe fachlich nicht sauber als Bedingungsvergleich darstellen kann? In der RSV gibt es dann in der Regel beim alten, vorherigen VR nur noch die Option etwaige Schadensfälle bis zu zwei Jahre lang nach zu melden, um eine Deckungszusage erhalten zu können.

Dies muss jedoch nicht immer zutreffen:
Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart, Urteil vom 27.11.2008, Az. 7 U 89/08) entschied: „Versäumt der Versicherungsnehmer diese Frist, kann der VR Deckungsschutz nicht versagen, wenn den Versicherungsnehmer nachweislich kein Verschulden an der Versäumung der Frist trifft.“ Dabei verweist das OLG auf die ständige Rechtsprechung des BGH. Wenn ein Versicherungsnehmer keine Kenntnis vom Schadensfall hat, und ihn daran kein Verschulden trifft, wäre es treuwidrig, wenn die RSV sich auf die zeitliche Begrenzung der Nachhaftung beruft. Es ist mithin bei der RSV-Deckung eine Frage, ob ein konkreter Schadensfall im Raum steht; so wie es bei einer Haftpflicht-Deckung um die Frage geht, ob der (angeblich) Geschädigte bereits bestimmt genug eine ernsthafte Anspruchserhebung konkret in Aussicht gestellt hat (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 05.12.2012, Az. 7 U 73/11).

 

Hilfsweise haftet der Vermittler als „quasi-Versicherer“ anstatt der gekündigten RSV. So haben viele RSV-Versicherer die Leistung bei Widerruf von bereits bestehenden Lebensversicherungen in neuen Verträgen ausgeschlossen. Hier kann dann der umdeckende Vermittler wegen Falschberatung für die entgangene Leistung haften.

Auf – nicht nur RSV – Umdeckungsangebote von Versicherern kann der Versicherungsnehmer reagieren, indem er dazu ausdrücklich auf seinem gesetzlichen Anspruch auf Beratung gemäß § 6 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) besteht, für die dann der Versicherer auch wegen Falschberatung oder nicht erbrachter Beratung haftet.

 

Vielfach Deckungspflicht aufgrund jüngerem Verstoß

Der BGH (Urteil vom 08.04.2014, Az. IV ZR 103/15) entschied, dass beim Widerruf von Lebensversicherungsverträgen Pflichtverstoß in der RSV erst dann vorliegt, wenn der VR die Rückabwicklung verweigert. Oder wenn der Versicherer zwar den Widerruf anerkennt, aber sich weigert, die vom Versicherungsnehmer – mit Hilfe eines versicherungsmathematischen Sachverständigengutachtens – laut BGH selbst darzulegenden Beträge aus rückzuzahlenden Beiträgen zzgl. aller berechneten gezogenen Nutzungen abzgl. angemessener Risikokosten zu erstatten.

Wenn der Versicherungsnehmer widerruft, was ewig möglich wäre und laut BGH auch nach einer Kündigung, Ablauf oder Eintritt des Versicherungsfalls der Versicherung möglich bleibt, erwartet er weit mehr an Geldzahlung vom VR, als lediglich den Rückkaufswert oder als Ablaufleistung oder als Versicherungsleistung zahlbar. Auch die von vielen Lebensversicherern bei Widerruf oft nur angebotene Beitragsrückzahlung abzgl. kalkulierter Risikobeiträge unter Fortlassung aller Nutzungen stellt sich bei genauerer versicherungsmathematischer Überprüfung regelmäßig als weit zu wenig heraus.

Auf den zeitlich ersten Pflichtverstoß über das Widerrufsrecht nicht korrekt und wirksam zu belehren, kommt es mithin gar nicht an. So wie nach ständiger Rechtsprechung des BGH jede von mehreren Beratungen fehlerhaft sein kann, und daher auch jede Fehlberatung separat verjähren wird. So kann jedes Beratungsgespräch über Casino-Papiere, Derivate und Swap-Geschäfte abermals fehlerhaft sein.

 

Vielfach Deckungspflicht trotz Ausschlüssen

Auch den Obergerichten ist bekannt, dass selbst Manager und Unternehmer häufig ihre Versicherungsbedingungen nie gelesen haben, oder den Inhalt nicht verstehen – letzteres nicht selten sogar auch diejenigen, die sie beim Versicherer erstellt haben. Der BGH schafft dazu ein Gegengewicht, indem er nicht nur gegenüber Verbrauchern die Versicherungsbedingungen nach einem durchschnittlichen Laienverständnis auslegt (BGH, Urteil vom 08.05.2013, Az. IV ZR 233/11). So kommt es, dass auch in der RSV zahlreiche Klauseln mit Risikoausschlüssen unwirksam waren oder sind. Woher soll auch ein Versicherer wissen, was er zugesagt hat, bevor er dank BGH-Urteil liest, was er gemeint haben muss?

Sind beispielsweise bestimmte vertragliche Rechtsansprüche in den Allgemeinen-Rechtsschutz-Bedingungen (ARB) ausgeschlossen, so kann gleichwohl ein Rechtsanspruch auf Deckungszusage der RSV bestehen, wenn es konkurrierende gesetzliche Ansprüche gibt oder etwa konkurrierende deliktische Schadensersatzansprüche (LG Hannover, Urteil vom 16.10.1998, Az. 13 O 158/98; AG Mönchengladbach, Urteil vom 17.022004, Az. 29 C 496/03), § 29 ARB. Dabei besteht keine Notwendigkeit, dass ein Strafrichter zuvor den Vorsatz durch ein Urteil bescheinigt hat.

 

Vielfach Deckungspflicht trotz unklarer Einschlüsse

Im Firmenrechtsschutz sind bisweilen Hilfsgeschäfte mitversichert, also betrachtet durch verständige Laien nicht nur der Einkauf von beispielsweise Büromöbeln und Druckerzubehör. Ein Manager stellt nun in einem Schadensfall fest, dass er nicht für versicherte 100 Mio. €, sondern 600 Mio. € haftet. Wenn nun die RSV die Klage gegen den Makler auf Freistellung nicht als Hilfsgeschäft wegen strittiger Auslegung der ARB decken möchte, so braucht der Versicherungsnehmer (VN) bzw. Manager lediglich zu behaupten, dass der Versicherungsmakler den VN über den Inhalt seiner Betreuungsleistung – etwa durch Unterlassen – arglistig bzw. betrügerisch getäuscht habe. Häufig ersparen sich auch Industrieversicherungsmakler die Erstellung der gesetzlich geforderten Dokumentation, oder es werden andere Kernpflichten gröblich verletzt, was faktisch in einer Beweislastumkehr mündet. Dann kommt zusätzlich noch ein üblicherweise in der RSV versicherter gesetzlicher Anspruch auf Rückzahlung der verwirkten Courtage bzw. Provision in Frage, § 654 BGB.

 

Vielfach Deckungsanspruch trotz Untätigkeit des Versicherers

In der Haftpflichtversicherung besteht die Mindestpflicht des VR in der Schadensfeststellung und Entscheidung, wie er Versicherungsschutz gewähren möchte. Dazu urteilte das AG Hannover bereits durch Urteil vom 07.11.1967 (Az. 2 C 274/67): „Der Versicherer genügt seiner Pflicht zur Abwehr unbegründeter Entschädigungsansprüche sowie zur Minderung und sachgemäßen Feststellung des Schadens grundsätzlich dadurch, dass er einen Sachverständigen zur Begutachtung einschaltet, der die beschädigten Gegenstände in Augenschein nimmt und fotografiert, den Schaden im einzelnen beschreibt und dessen Höhe berechnet bzw. unter Darlegung der Gründe schätzt“. Erst wenn der VR seine Entscheidung mitgeteilt hat, läuft gerechnet ab dem Jahresende die Verjährung nach drei Jahren ab: Solange kann auch in der RSV eine Deckungsklage als Feststellungsklage erhoben werden.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.procontra-online.de (veröffentlicht am 14.06.2016)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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