Private Krankenversicherung (PKV) muss zur ärztlichen Sterbehilfe beraten

– Wie eine verantwortungsbewusste PKV stabile Beiträge erreicht –

Ein Mediziner begann seinen Vortrag zum Thema „Patiententestament“ mit den Worten: „So, alle diejenigen von Ihnen, die in der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) versichert sind, können nun den Saal wieder verlassen – Sie wird man sterben lassen, denn die GKV zahlt auch am Lebensende nur Pauschalen und 10 Fangopackungen, damit Sie sich schon mal an den Geruch feuchter Erde gewöhnen“. Betroffen von lebensverlängernden Maßnahmen sind besonders etwa 8 Mio. PKV-Versicherte, die ihr Lebensende durch eine Vertrauensperson mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung aktiv gestalten müssen.

 

Landgericht (LG) München: Behandlungen medizinisch nicht indiziert

Das LG München I stellte mit Urteil vom 18.01.2017 (Az. 9 O 5246/14) fest, dass für lebens- und leidensverlängernde Maßnahmen wie künstliche Ernährung vor dem Tode objektiv keine medizinische Indikation mangels erkennbarem Therapieziel mehr gegeben ist. Die Lebensverlängerung alleine kann kein medizinisches Therapieziel sein. Behandlungen sind dann aber medizinisch nicht notwendig. Es handelt sich in keiner Weise mehr um medizinische Heilbehandlung. Nicht mal darum, bei unheilbarer Krankheit Leiden zu vermindern, wenn diese vielmehr nur gesteigert und verlängert werden.

 

Gier im Gesundheitssystem

Wenn Behandlungen dann aber medizinisch nicht notwendig sind, dann sind sie von der Privaten Krankenversicherung (PKV) auch nicht zu zahlen. Eine Kostenerstattung durch die PKV muss dann entfallen, egal was die Angehörigen wollen. Es kommt auch nicht auf den – echten geäußerten oder mutmaßlichen – Willen des Patienten an. Wenn der weiterleben will oder soll, dann jedenfalls nicht auf Kosten des Versicherungskollektivs in der PKV.

Die höchsten Kosten in der PKV entstehen kurz vor dem Lebensende. Wenn zur Kostenerstattung gar keine Verpflichtung besteht, sollten deren Kunden bzw. Versicherungsnehmer diese auch nicht mit ihren Beiträgen zahlen müssen. Wenn die PKV eigentlich gar nicht versicherte Leistungen einstellen würde, könnten auch Beitragsanpassungen geringer ausfallen. Mit diesen werden von den Versicherten sonst auch Leistungen bezahlt, zu denen keinerlei Verpflichtung besteht.

 

Künstliche Lebensverlängerung statt Sterbehilfe

Wenn Beitragsanpassungen deshalb gar unwirksam sind, haftet vielleicht der Vorstand, der ohne Not Geld verschwendet, und dazu noch damit das Leiden der PKV-Versicherten verlängerte. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluß vom 01.11.2012, Az. 2 BvR 1235/11) gebietet den Gerichten beim Vorwurf einer Untreue, daß der wirtschaftliche Nachteil der Höhe nach zu beziffern und dessen „Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise“ in den Urteilsgründen darzulegen ist. Entsprechend verursachte Beitragserhöhungen wären dann insoweit als unwirksam zu beurteilen, denn sie wären alleine vom Versicherungsunternehmen selbst zu vertreten.

 

Wenn Geld von der PKV mit beiden Händen zum Fenster hinausgeworfen wird

Neben unwirksamen Beitragssteigerungen in der PKV, kommt es auch in Frage später (z.B. als Erbe) Arzt und Klinik auf Kostenerstattung und Schmerzensgeld zu verklagen (LG München I, Urteil vom 18.01.2017, Az. 9 O 5246/14): Notwendig sei dafür der Beweis, daß ein (unterlassenes) Arztgespräch mit dem Betreuer des Patienten (vgl. § 1901 b BGB) bzw. Familienangehörigen kausal zwangsläufig zum Behandlungsabbruch geführt hätte. Eine vernünftige Entscheidung nach sachgerechter ärztlicher Aufklärung sei nicht als zwangsläufig zu unterstellen.

Wenn objektiv keine medizinische Indikation vorliegt, ist auch der Patient nicht verpflichtet, entsprechende Behandlungsrechnungen zu bezahlen. Damit aber kann auch bereits keine Verpflichtung seiner PKV mehr gegeben ist, diese Rechnungen für medizinisch nicht notwendige Behandlungen ihm zu erstatten, egal ob er sie selbst bereits bezahlt hat. Auch darüber hat der Arzt aufzuklären. Wenn sich der Versicherte dann dennoch für die medizinisch nicht indizierte lediglich lebens- und leidensverlängernde Behandlung entscheidet, muss er sie selbst bezahlen, ohne Erstattungsanspruch gegen seine Krankenversicherung.

 

Patiententestament vermeidet Zeitverzögerung durch Gerichtsverfahren

Das Patiententestament ist vorrangig zu beachten wenn die Krankheit einen „irreversiblen tödlichen Verlauf“ genommen hat (BGH, Beschluß vom 17.03.2003, Az. VII ZB 2/03). Altenheim und Pflegepersonal können sich der gemeinsamen Meinung von Arzt und Betreuer nicht entgegenstellen (BGH, Beschluß vom 08.06.2005, Az. XII ZR 177/03). Angesprochen ist der Behandlungsabbruch als legale passive Sterbehilfe – einschließlich Palliativmedizin; durch Verzicht oder Reduktion lebensverlängernder Maßnahmen.

Der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluß vom 17.09.2014, Az. XII ZB 202/13) entschied:

„Der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme bedarf dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer wirksamen Patientenverfügung (§ 1901 a Abs. 1 BGB) niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft.“

Daher ist es zwingend, dass das Patiententestament bzw. die Patientenverfügung regelmäßig so erneuert wird, daß dieses Dokument erkennbar auf aktueller medizinischer nebst rechtlicher Beratung beruht. Eine Vorsorgevollmacht kann deren Durchsetzung nochmals erleichtern.

 

PKV verzögert Erlösung durch Erstattung unnötiger Kosten

In der PKV ist nur die medizinisch notwendige Heilbehandlung versichert. Ist Heilung ausgeschlossen, wird es schwieriger. Dann ist Kriterium die Milderung der Symptome. Ggf. wird aber auch dann für Behandlungen geleistet, deren Wirksamkeit nicht erwiesen ist, aber auch nicht ganz auszuschließen – die PKV wird es intensiv prüfen und keinesfalls für alles zahlen, was der Arzt vorschlägt oder der Patient bzw. dessen Angehörige gerne möchten.

Werden jedoch Wochen, Monate oder jahrelang sterbenskranke Demente künstlich ernährt, und dafür die Kosten von der PKV ohne nachvollziehbare Verpflichtung erstattet, so verhindert die PKV einen Gnadenakt und Akt der Erlösung. Und die PKV verwendet für diese Leidensverlängerung unberechtigt das Geld jedes Angehörigen der Versichertengemeinschaft. Sie missachtet damit das Recht der Betroffenen auf ein würdiges Sterben. PKV-Vorstände, die hier wegsehen, handeln verwerflich – sie könnten sogar zum Schadenersatz herangezogen werden.

 

PKV muss zur Sterbehilfe beraten

Manchmal bezahlt die PKV nichts, vor allem wenn es zu teuer wird – vielleicht bei der DaVinci-Krebstherapie oder der nicht streuenden alternativen Protonenbestrahlung. Dieses Risiko der „strategischen Schadensregulierung“ müßte jedem Versicherungsmakler bekannt sein – um bei Bedarf eine Rechtsschutzversicherung zusätzlich empfehlen zu müssen. Andererseits müßte er auch um das Risiko wissen, wann die PKV-Kostenerstattung zur Leidensverlängerung führt.

Der PKV-Versicherer – bzw. der Makler – haben gemäß § 6 VVG auch Beratungspflichten bei laufendem Vertrag. Dazu gehören auch Beratungen zu Leistungen – diese kann man als Versicherungsnehmer (VN) verlangen, inklusive nachvollziehbarer schriftlicher Dokumentation und Haftung des Beraters bzw. Versicherers.

Viele Versicherer (VR) bieten auch medizinische Beratungen – etwa als ärztliche Zweitmeinung oder medizinisches Callcenter an. Die PKV leistet mindestens in Europa unbegrenzt, weltweit mindestens befristet. Also kann sie auch legale Sterbehilfeleistungen durch Ärzte erbringen – dazu muss sie dann auch beraten.

 

Chance für Beitragssenkung in der PKV durch Sterbehilfe

Wenn der VN sein Vermögen für sinnlose Behandlungen nicht mal in der Hoffnung verschwendet, ihm könne geholfen werden, können sich die Erben beim Makler oder VR schadlos halten, wenn der VN bei sachgemäßer Beratung eine legale ärztliche Sterbehilfe in Anspruch genommen hätte. Bei ausreichend deutlicher Aufklärung würde sich der VN auch sachgemäß entschieden haben.

Objektiv werden viele Versicherte, die heute hohe Leistungen von ihrer PKV verlangen, dann eine sichere für sie angenehmere und preiswertere Alternative wählen. Zu einer sachgemäßen Entscheidung sollte die PKV auch mit dem Hinweis auf die fehlende Erstattungspflicht für Maßnahmen ohne medizinisch indiziertes Therapieziel beitragen. Daneben hätte dies insbesondere in der Niedrigzinsphase für die PKV-Versicherten den Vorteil der Einsparung von Leistungen und damit Abmilderung von Beitragserhöhungen.

 

Beratungspflicht zum Risiko nötiger Sterbehilfe

Makler sollten darauf achten, dass VR entsprechende Leistungen für legale Sterbehilfe vorsehen. Die höchsten Leistungen in der PKV fallen kurz vor dem Tod an. Viele PKV-VR bieten auch den Service eines Nachweises geeigneter Ärzte und Terminvereinbarung – dies sollte dann auch bei ärztlicher legaler Sterbehilfe ggf. im Ausland möglich sein.

 

Straflose Beihilfe zum freiverantwortlichen Suizid?

Die Vermittlung zu einer im Ausland legalen aber in D illegalen Sterbehilfe wäre ggf. strafbar. Aber: wenn die PKV für die nur im Ausland legale Behandlung zur Leistung verpflichtet ist, stellt sich die Frage, ob sie dann dennoch zum Leistungsumfang eine Beratungspflicht trifft, ebenso den Makler, und wieweit diese geht. Der Gesetzgeber regelt in § 217 StGB seit 10.12.2015:

“Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.” Ob diese Regelung verfassungswidrig ist, wird man noch abwarten müssen.

 

Strafbare geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung?

Die Bundesärztekammer erläutert in einem Merkblatt vom 20.01.2017: “Eine Förderung der Selbsttötung liegt vor, wenn durch die Handlung die Selbsttötung eines anderen ermöglicht oder wesentlich erleichtert wird. Es kommt dabei allein auf die Förderungshandlung an. Ob die Selbsttötung von dem Betroffenen tatsächlich vollzogen oder versucht wird, ist hierfür unerheblich. Beispiele sind das Überlassen einer geeigneten Räumlichkeit für den Suizid (Gewähren), das Verschreiben eines tödlich wirkenden Medikaments (Verschaffen) oder das Herstellen eines konkreten Kontakts, z. B. zu einem Suizidhelfer in der Schweiz (Vermitteln einer Gelegenheit zur Selbsttötung). ” Strafbar wäre auch die Cross-Border-Suizid-Förderung durch einen ausländischen PKV-Versicherer, wenn der Berater im Ausland Deutscher ist oder wird, § 7 II StGB.

 

Straflose Gespräche über Suizid und Behandlungsbeschränkung

Dies ist etwas anderes, als der Behandlungsabbruch und die Behandlungsbeschränkung „durch Verzicht oder Reduktion lebensverlängernder Maßnahmen“, Palliativmedizin und Sterbebegleitung. Solche legalen Absichten sind von Medizinern und PKV-Beratern zu dokumentieren. Straflos ist auch die Kommunikation über den Suizid, wenn sie nicht als „Förderung der Selbsttötung“ ausgerichtet wird – sondern bestenfalls die Entwicklung eines Behandlungskonzepts fördert.

Die PKV im Inland könnte demnach als Konzept die Sedierung (künstliches Koma) zur Vermeidung von Schmerzen bei Verbot der künstlichen Ernährung (erlaubte Behandlungsbegrenzung) erarbeiten und dafür Leistungen zusagen, auch mit dem Hinweis, dass eine nur lebens- und ggf. leidensverlängernde Behandlung mit künstlicher Ernährung nicht mehr bezahlt würde. Ggf. könnte sie dies auch einer nur im Ausland legalen aktiven Sterbehilfe gegenüberstellen, informationshalber, ggf. mit Broschüren (inkl. enthaltener Kontakte) entsprechender ausländischer Organisationen, mit dem Ziel, dass sich der Patient aufgrund dieser Information lieber für die in D legale Variante entscheiden möge.

Dies wäre für alle Beteiligten eine Win-win-Situation: Für alle die rechtzeitig schmerzlos gehen, die bleiben, die Erben, die die Alterungsrückstellungen erbenden übrigen Versicherten und die PKV.

 

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

http://www.komet-pirmasens.de/

veröffentlicht in “Der Koment, Fachzeitung für Schausteller und Marktkaufleute” 10.12.2016 (Ausgabe 5565, Seite 3-4)

und

veröffentlicht auf www.neues-deutschland.de (veröffentlicht am 05.04.2017, unter der Überschrift: Private Krankenversicherung muss zur ärztlichen Sterbehilfe beraten)

Link: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1046966.private-krankenversicherung-muss-zur-aerztlichen-sterbehilfe-beraten.html

und

www.procontra-online.de (veröffentlicht am 16.02.2017, unter der Überschrift: PKV: Chance für Beitragssenkung durch Sterbehilfe)

Link:
Seite 1: http://www.procontra-online.de/artikel/date/2017/02/pkv-chance-fuer-beitragssenkung-durch-sterbehilfe/
Seite 2: http://www.procontra-online.de/artikel/date/2017/02/pkv-chance-fuer-beitragssenkung-durch-sterbehilfe/?tx_news_pi1%5BcurrentPage%5D=1&cHash=bbf64adeb7aab1c5d518ca473f9f3a84
Seite 3: http://www.procontra-online.de/artikel/date/2017/02/pkv-chance-fuer-beitragssenkung-durch-sterbehilfe/?tx_news_pi1%5BcurrentPage%5D=2&cHash=6f6636dd4205fc6faeb976adc6384d97
Seite 4: http://www.procontra-online.de/artikel/date/2017/02/pkv-chance-fuer-beitragssenkung-durch-sterbehilfe/?tx_news_pi1%5BcurrentPage%5D=3&cHash=493f47415e29af31b6c31aa0374183a9

und

www.experten.de (veröffentlicht am 12.09.2017, unter der Überschrift: PKV muss zur ärztlichen Sterbehilfe beraten)

Link: https://www.experten.de/2017/09/12/pkv-muss-zur-aerztlichen-sterbehilfe-beraten/

 

 

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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