Risiko Zeitwertkonto

Zeitwertkonten und die Modelle der Altersteilzeit werden vom Finanzvertrieb verstärkt beworben. Den Finanzvermittlern geht es meist um Provisionen: Nur wenige Vermittler wissen um die zivil- und strafrechtlichen Haftungsgefahren.

Bei einem Zeitwertkonto handelt es sich nicht um einen Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung. Vielmehr geht es um ein “Brutto-Sparen” des Mitarbeiters, wobei jederzeit ein “Störfall” eintreten kann, der dann eine Auszahlung als Lohn auslöst. Besonders wichtig ist zudem die Erkenntnis, dass es sich während der Ansparphase um betagte Ansprüche des Mitarbeiters handelt – nur die Fälligkeit ist hinausgeschoben: Sozialversicherungsrechtlich entsteht regelmäßig nur bei vollständiger Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben des Zeitwertkontenmodells ausnahmsweise kein “Phantom-Lohn” mit sofortiger Beitragspflicht.

Notwendiger Insolvenzschutz

Gesetzlich zwingend vorgegeben ist der Insolvenzschutz in §§ 23 b, 7 d SGB IV beim Zeitwertkonto sowie in § 8 a ATG bei der Altersteilzeit. Hiervon umfasst sind auch die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung. Daraus leiten Fachautoren richtigerweise ab, dass (auch teilweise) nicht geschützte Wertguthaben zu einer Strafbarkeit nach § 266 a StGB führen – ganz abgesehen von der persönlichen Haftung der Geschäftsleitung des Arbeitgebers für die Abgaben. Beim steuerlichen Berater sind dann Anstiftung, Beihilfe und/oder Mittäterschaft berührt – nicht zuletzt befindet er sich oft in einer Garantenstellung i. S. v. § 13 StGB.

Haftungsträchtige Insolvenzmodelle

In der Praxis werden die unterschiedlichsten Gestaltungen von Finanzvermittlern angeboten. Besonders haftungsträchtig sind die Verpfändung sowie verschiedene Treuhandmodelle zum Schutz der Wertguthaben für den Fall der Insolvenz. Für den steuerlichen Berater und den Arbeitgeber eine Katastrophe, denn je nach Verantwortlichkeit der Beteiligten droht eine rückwirkende Verzinsung (mit monatlichen 0,5 Prozent bzw. einem Prozent), berechnet aus den zu Unrecht nicht abgeführten Beiträgen zur Sozialversicherung.

Lückenhaftes Verpfändungsmodell

Selbst renommierte Versicherungsgesellschaften halten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine “Standard-Verpfändungsvereinbarung” bereit. Diese Vereinbarung soll das Wertguthaben sichern – gesetzlich ist ja vorgegeben, dass hiervon der Betrag des Brutto-Gehaltsverzichtes zuzüglich der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung erfasst sein muss. Indes erfasst die Verpfändung stets lediglich den Netto-Auszahlungsanspruch des Arbeitnehmers im Störfall: Lohnsteuer und Sozialversicherung werden davon nicht erfasst. Das Pfandrecht ist akzessorisch, setzt also eine Hauptforderung voraus – und diese besteht beim Mitarbeiter nur in Höhe des Nettobetrages.

Davon mal ganz abgesehen, sehen die wenigsten Modelle vor, dass der Mitarbeiter laufend über die Höhe seiner Ansprüche informiert wird – im Insolvenzfall kann er daher faktisch das Pfandgut nicht mal anteilig verwerten, wenn er den Umfang seines Auszahlungsanspruchs nicht konkret darstellen und untermauern kann.

Bereits dieser untaugliche Versuch einer Insolvenzsicherung kann für den Berater im Schadensfall zu überraschenden Reaktionen des eigenen Vermögenschadenhaftpflichtversicherers führen: Denn der Verstoß gegen eindeutige Rechtsnormen – auch das StGB – gilt als so genannter “wissentlicher Pflichtverstoß”, womit die Ersatzpflicht des eigenen VSH-Versicherers in aller Regel ausscheidet.

Lückenhafte Treuhandmodelle

Künstler rechtlicher Gestaltung unterstützen seit Jahren den Finanzvertrieb durch die Werbung mit einer angeblich bombensicheren Treuhandlösung. Bombensicher erscheint hierbei bedauerlicherweise allenfalls der Vorwurf des Betrugs im objektiven Tatbestand des § 263 StGB. Schließlich werden auch hier Berater, Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch vollmundige Versprechen eines Insolvenzschutzes in die rechtliche Irre geführt. Bedauerlich daran ist, dass die mitwirkenden Treuhänder zumeist Ehrenberufler sind: In der Praxis der Strafgerichte werden diese sich kaum auf einen Tatbestands- oder Verbotsirrtum mit Erfolg berufen können.

Verfügungsverbot nach Insolvenzantrag

Im Normalfall wird das Insolvenzgericht unmittelbar nach Eingang des Insolvenzantrages ein so genanntes Verfügungsverbot aussprechen, § 21 InsO. Dann darf der Arbeitgeber als Schuldner keine Verfügungen mehr treffen und erst recht nicht durch einen Treuhänder treffen lassen. Etwaige dennoch erfolgte Verfügungen, etwa Geldauszahlungen, wären unwirksam, §§ 81 f. InsO.

Und wer glaubt, dass die Rückdeckung des Zeitwertkontos (z.B. Fonds, Festgeld) “für den Fall der Insolvenz” auf den Treuhänder (gleichsam als neuen Eigentümer der Rückdeckung) übergeht, der irrt: Derartige Gestaltungen sind unwirksam. Dem Treuhänder bleibt mithin kaum eine legale Möglichkeit zur Verfügung über Wertguthaben der Mitarbeiter.

Auftragsende nach der InsO

Die Eröffnung der Insolvenz wird mit Datum und Uhrzeit vom Gericht festgehalten. Rechtsfolge ist, dass sämtliche Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge (auch eines Treuhänders) im gleichen Moment enden, §§ 115 f. InsO.

Würde ein Treuhänder mithin dennoch verfügen, so handelt er ohne Auftrag. Nur am Rande soll darauf hingewiesen werden, dass kein Ehrenberufler in einer solchen – gleichsam die Geschäfte als Treuhänder führenden – Situation einen Versicherungsschutz auf dem Markt erhalten kann. Die Nichtversicherbarkeit ist der Spiegel einer erheblichen Gefahrenlage.

Treuhänder in der Kollision

Renommierte Versicherungsgesellschaften für Vermögenschadenhaftpflicht von Ehrenberuflern weisen darauf hin, dass eine Kollision zum Wegfall des Versicherungsschutzes führen wird. Beim Steuerberater steht es in der Berufsordnung, beim Anwalt auch im Strafgesetzbuch. Zumeist hat der Treuhänder bereits im Auftrage des Initiators bzw. Produktgebers an der Entwicklung einer Treuhandlösung mitgewirkt: Ein späterer Auftrag durch Arbeitgeber und/oder Arbeitnehmer wäre damit nicht vereinbar.

In ähnlicher Lage befindet sich der Ehrenberufler beim CTA-Modell, einer doppelseitigen Treuhand, bei der Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Auftraggeber des Treuhänders fungieren. Fällt der Arbeitgeber in die Insolvenz, wird ein Insolvenzverwalter vom Treuhänder verlangen, nicht zu verfügen, damit erst einmal geprüft werden kann, ob Gegenansprüche gegen die Mitarbeiter bestehen – mit denen dann aufgerechnet werden könnte, § 394 BGB. Wenn der Mitarbeiter, ggf. auch der (ehemals geschäftsführende) Gesellschafter, dann gegenüber dem Treuhänder dennoch auf Auszahlung und Abwicklung besteht, tritt die Interessenkollision konkret zutage. Für die Strafbarkeit und eine eventuelle Nichtigkeit von Treuhandverträgen genügt allerdings bereits die abstrakte Gefährdung.

Wirkungslose Verpfändung von Bankguthaben

Zur Rückdeckung von Zeitwertkonten kommen beispielsweise Festgelder oder offene Investmentfonds in einem Depot des Arbeitgebers in Frage. Nicht selten wird ein Depot oder Festgeldkonto bei der Hausbank des Arbeitgebers eingerichtet. Der Haken dieser Gestaltung ist in den AGB der Banken zu finden: Bereits mit Eröffnung von Konten und Depots werden die Geschäftsbedingungen einbezogen – und in diesen steht, dass zunächst einmal der Bank oder Sparkasse ein Pfandrecht eingeräumt wird. Hat der Arbeitgeber also bei der Bank irgendwelche Schulden, dann läuft die zeitlich nachfolgende Verpfändung an den Mitarbeiter oft wirtschaftlich und rechtlich ins Leere. Diese Überlegung gilt, wie die Praxis zeigt, analog für die Verpfändung einer Rückdeckung im Zusammenhang mit einer Pensionszusage.

Zillmerungshaftung

Auch beim Zeitwertkonto ist der Vermittler daran interessiert, seine Einnahmen durch entsprechende Produktvorschläge zu sichern. Wird etwa eine Lebensversicherung als Geldanlage gewählt, so wird durch die Zillmerung (eine Belastung des Vertrages mit Verwaltungskosten in den ersten Jahren i. H. v. sieben Prozent und mehr der Abschlusssumme) der verfügbare Rückkaufswert in den ersten Jahren nur in geringem Umfang vorhanden sein.

Auch bei der Anlage in offenen Investmentfonds kann das Anlagerisiko aufgrund von Kursverlusten und Spesen für den Arbeitgeber spürbar sein.

Wenige Produktgeber weisen auf die Ausfallhaftung des Arbeitgebers hin. Entscheidender ist jedoch die Frage, ob der Betriebsprüfer das Modell später, sowohl vom Umfang vorhandenen Vermögens als auch von der Insolvenzsicherung her betrachtet, noch anerkennt.

Haftungsbremsen

Für Berater und Arbeitgeber ist hier die Einholung einer verbindlichen Auskunft nach § 28 h SGB IV bei den Krankenversicherungen nicht nur eine Option, sondern gleichsam eine Pflicht, um gegenteiligen Ansichten bei späterer Betriebsprüfung entgegentreten zu können. Im Umgang mit der Finanzbehörde genügt nicht die Anrufungsauskunft nach § 42 e EStG, denn diese gilt nur für die Phase der Quellenbesteuerung des Lohns beim Arbeitgeber: Hier muss nötigenfalls eine verbindliche Auskunft nach der AO eingeholt werden.

Sanierung durch Kautionsbürgschaft

Kaum von Vermittlern angeboten wird die Kautionsversicherung mit Bürgschaft: In diesem Falle verbürgt sich ein Finanzintermediär insbesondere gegenüber dem Mitarbeiter, eingeschlossen die Abführung eventueller Sozialversicherung und Steuern. Für den Arbeitgeber stellt dies ein wirksames Instrument der Innenfinanzierung dar, denn nur etwa 20 bis 30 Prozent des gesamten Wertguthabens müssen je nach Bonität besichert werden. Die Kosten der Bürgschaften belaufen sich üblicherweise auf jährlich 1,5-2 Prozent Bürgschaftsprovision: Für den Unternehmer ähnelt das Modell dann einer pauschaldotierten Unterstützungskasse (U-Kasse), oftmals jedoch zu wesentlich günstigeren Konditionen. Die Provision des Vermittlers liegt bei etwa zehn Prozent der Bürgschaftsprovision – dies ist so wenig, dass nur wenige Vermittler sich damit gerne befassen möchten.

Für den BAV-Unternehmensberater bzw. den Honorarberater ist dieses Produkt zur Kundenbindung geeignet. Doch Vorsicht: Auf dem Markt gibt es auch Bürgschaftsmodelle mit Treuhändern – und gerade diese können für den Finanzdienstleister größte Risiken beinhalten, stets eingeschlossen eine Einladung von Staatsanwalt und Strafgericht.

Haftung statt Garantien

Während einige Produktgeber irreführend mit einer “Zeitkontenrückdeckung mit Garantie” werben, wissen Experten, dass trotz “Garantiezins und Überschussbeteiligung” ein beträchtliches Nachschussrisiko des Arbeitgebers verbleibt. Die rechtlichen Lücken und Fragen zum Insolvenzschutz zwingen den steuerlichen Berater nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung zur Delegation an einen Rechtsbeistand. Der steuerliche bzw. wirtschaftliche Berater schuldet auch diesbezüglich dem Mandanten ebenso eine unaufgeforderte Aufklärung, wie jeder Versicherungsmakler dem Arbeitgeber seine (auch strafrechtliche) Haftung aufzuzeigen hat. Für den GGF ist die Situation prekär, weil hier die so genannte Managerhaftung oft zum Tragen kommt: Dies erfordert eine besonders umsichtige Gestaltung, aber ebenfalls ohne Orientierung am Provisionsinteresse.

Lösungsansatz zur Gedankenordnung

Wer sich mit Entgeltumwandlung bzw. Zeitwertkonto befasst, sollte sich klar machen, dass es um Gelder der Mitarbeiter geht, also deren “verdientes” Eigentum, den Lohn. Wer hier als Arbeitgeber den “Durchführungsweg und den Tarif” bestimmt (als Arbeitgeber oder Vermittler), beschäftigt sich gleichsam als Treuhänder mit fremdem Vermögen. Dieses durch Provisionen und Verwaltungskosten zu belasten kann sämtliche Verträge der (Teil-) Nichtigkeit zuführen. Spannend ist daran, dass davon nicht nur die Verträge mit dem Arbeitnehmer betroffen sein können, sondern auch alle Geldanlageverträge: Schließlich handelt es sich regelmäßig um ein Vertragsbündel, bei dem wechselseitig aufeinander verwiesen wird. Der echte Honorarberater kann diesen Problemen leichter ausweichen.

 

von Dr. Johannes Fiala

 

veröffentlicht am 18.05.2006 auf www.channelpartner.de

Link: http://www.channelpartner.de/a/risiko-zeitwertkonto,641246

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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