Weshalb Mittelstand und Industrie zunehmend Versicherungsmakler verklagen?
Die Verantwortung von Versicherungsmaklern ist erheblich. Als Interessenvertreter des Kunden haben Makler eine Fülle vertraglicher und gesetzlicher Pflichten, welche sie vielfach bereits aus Zeitgründen gar nicht erledigen können oder wollen, zumal wenn sie vertraglich unnötig viel versprechen. Dies eröffnet für Versicherungskunden sehr oft die Möglichkeit später den Versicherungsmakler mit Erfolg in die Verantwortung zu nehmen.
Novelle des VVG (2008) führte persönliche Haftung von Versicherungsvertretern ein
Nach den §§ 60 ff. VVG haften nicht mehr nur Versicherungsmakler persönlich, sondern auch Versicherungsvertreter (früher Agenten genannt) sowie Untervermittler des Versicherungsmaklers, und zwar auch dann, wenn dieser Untervermittler gar keinen persönlich abgeschlossenen Vertrag mit dem Versicherungskunden besitzt.
Die Statistik bei Vermögenschadenhaftpflichtversicherungen zeigt, dass die Masse der Schäden in Maklerbüros erst nach sechs bis neun Jahren gehäuft aufgedeckt wird. Betrachtet man einen Zeitraum von zehn Jahren, kommt es bei jedem vierten Makler zu einem Schadensfall – die Dunkelziffer unerkannter Schadensfälle durch Beratungsfehler ist weit höher. In bis zu mehr als 95% der Fälle lehnt der Haftpflichtversicherer die Regulierung nicht ab, sondern die Schäden werden ersetzt oder der Fall landet vor Gericht. Im Schwerpunkt beobachten Fachleute dabei Schadenshöhen von 25-45 TEUR. Immer wieder gibt es jedoch auch Schäden im ein- oder zweistelligen Millionenbereich.
Pflichtverletzungen vor Vertragsabschluss
Die Beratungs- und Aufklärungspflichten des Maklers gehen soweit, dass er sich die Verträge mit Kunden und Lieferanten zeigen lassen muss, denn anderenfalls kann er den Versicherungskunden nicht über deckungsschädliche Vertragsinhalte und nicht versichertes Verhalten informieren. Diese Aufklärungspflichten des Maklers sollen Erfahrungsdefizite beim Kunden ausgleichen.
Pflichtverletzungen bei der Platzierung des Risikos
Ab einer mittelgroßen GmbH besteht die Pflicht zum Risikomanagement. Die Untersuchung von Versicherungsbeständen, vor allem nach einem Schadensfall, offenbart jedoch, daß in bis zu mehr als 80% der Unternehmen vom Versicherungsmakler erkannte Risiken gar nicht oder nicht richtig versichert wurden.
Ein beachtlicher Teil des Mittelstandes betreibt gar kein Risikomanagement. Der Versicherungsmakler hat es dann schwerer die Risiken zu ermitteln – meist wird dies im gewerblichen Bereich nicht ohne Besichtigung vor Ort möglich sein. Vom Wirtschaftsprüfer darf man auf diesem Felde keine Hilfe erwarten, denn er ist dafür nicht ausgebildet, und die risikokonforme Versicherung des Unternehmens wird im Normalfall daher auch nicht geprüft.
Versicherungsmakler als Garant für klare Versicherungsbedingungen
Kommt es später zu Unklarheiten über den Inhalt der Versicherungsbedingungen, muss der Versicherungsmakler dafür wie ein Garantiegeber einstehen. Versicherungsbedingungen entstehen oft nach dem Motto „Woher soll ich wissen, was ich gemeint habe, bevor ich es in einem Urteil lese?“ Auch im Bereich der Personenversicherung, also etwa bei Berufsunfähigkeitsklauseln, ist Intransparenz wohl eher die Regel – und damit die Maklerhaftung an der Tagesordnung. Makler, die noch vor dem Richter dem Kunden erklären wollen, zu was genau sich der Versicherer verpflichtet hat, legen damit den Grundstein ihrer Haftung. Im unternehmerischen Bereich bedeuten die intransparenten Klauseln von Manager-Haftpflicht-Angeboten ein ebensolches Risiko für den Makler. Der Kunde kann später sogar den Makler bitten, den Prozess mit dem Versicherer über die Auslegung von Vertragsbedingungen vorzufinanzieren – stellt sich dann später heraus, dass es eine ernsthafte Alternative gegeben hätte, darf der Makler im Zweifel für die Differenz zwischen unklarem vermitteltem und umfassendem aber nicht vermittelten Versicherungsvertrag aufkommen.
Die Kontrollfrage an den Versicherungsmakler, wie er denn das Versicherungsunternehmen ausgewählt hat zeigt, dass meist die Courtage für den Makler mehr im Vordergrund steht, als die Solvabilität bzw. Bonität des Versicherers. Dabei muss jedem Versicherungsmakler klar sein, dass es bereits genügt, keinen vollständigen Marktüberblick zu besitzen, um hinterher vom Gericht zu erfahren, dass es irgendwo eine passendere oder umfassendere Versicherungslösung gegeben hätte.
Pflichtverletzung bei Marktrecherche, Umdeckung und Dokumentation
Der Versicherungsmakler hat den Kunden über die Markt- und Informationsgrundlagen zu informieren, denn zumeist wird ein Makler mit wenigen Versicherern intensiver zusammenarbeiten. Gibt es neue Angebote auf dem Markt, also bessere Bedingungswerke oder günstigere Prämien muss der Makler umdecken – darf also von Anfang an nicht auf Mehrjahresverträge Aussein. In der privaten Krankenversicherung wird es umgekehrt aussehen, denn der PKV-Versicherte verliert durch den Wechsel zum anderen Versicherer seine Alterungsrückstellungen – das sind dann bis zu mehr als 40 % seiner aufgelaufenen Prämienzahlungen an den bisherigen Versicherer. Auch in der Lebensversicherung passt der Abschluss langfristiger Verträge nicht mit einer Umdeckungsoption zusammen, weil auch nach 12 Jahren meist nicht einmal die eingezahlten Prämien als Rückkaufswert vorhanden sind.
Auch bei großen Industrie- und Gewerbemaklern ist zu beobachten, dass es trotz gesetzlicher Verpflichtung seit 22.05.2007 keine oder keine ausreichende Dokumentation für den Kunden gibt. Die Dokumentation richtet sich nach der Komplexität des Versicherungsschutzes. Das Fehlen der Dokumentation kann im Haftungsfall bis hin zur vollständigen Beweislastumkehr führen. Viele Makler scheitern bereits daran, die eingeholten Versicherungsangebote zu prüfen, zu vergleichen, zu bewerten, und dies dann in die Dokumentation einfließen zu lassen. Der Hinweis auf von Versicherern bezahlte „Ratings“ oder die Empfehlung der „Stiftung Versicherungstest“ genügen hierfür keinesfalls.
Pflichtverletzung nach Versicherungsvermittlung
Grundsätzlich garantiert der Versicherungsmakler den jederzeit optimalen Versicherungsschutz. Dies bedeutet, dass der Versicherungsmakler das Risikoobjekt genauso zu beobachten hat, wie auch die Veränderungen auf dem Versicherungsmarkt. Daraus folgt eine Pflicht des Maklers, bei Risikoänderungen oder Marktänderungen eine Umdeckung zu einem anderen Versicherer aktiv vorzuschlagen.
Typischerweise versprechen Versicherungsmakler mehr, als sie tatsächlich durchführen – etwa die „fachmännische Abwicklung von Schadensfällen“. Dafür müsste der Makler einen Juristen als Syndikus beschäftigen und käme bei strittigen Fällen leicht in den Bereich unerlaubter Rechtsberatung.
Beweiserleichterung für Versicherungskunden
Bei einer Pflichtverletzung wird das Verschulden des Versicherungsmaklers vermutet. Dem Kunden kommt zugute, dass die Rechtsprechung vermutet, dass der Kunde stets dem richtigen Rat des Maklers gefolgt wäre. Den Makler trifft die konkrete Darlegungslast der Informations- und Beratungsgespräche. Der Kunde braucht nur mehr oder weniger pauschal behaupten, dass er nicht oder falsch beraten wurde. Ein häufiger Fall ist die Versicherung von privaten oder gewerblichen Risiken, bei denen der Versicherungsmakler keine Versicherungswerte ermittelt hat – kommt es zur häufig feststellbaren Unterversicherung, etwa bei einem Wasser- oder Feuerschaden, haftet der Versicherungsmakler für die Lücken in der vermittelten Deckung.
Typische Indizien für Versicherungsmaklerfehler bei Mittelstand, Gewerbe und Industrie
Bei der Feuerversicherung unterscheidet man die Versicherungssumme für das Risikoobjekt, die Versicherungssumme auf Basis sämtlicher Kosten im Schadensfall, und die Versicherungsprämie zur Vorsorge. Wenn diese Werte nicht ermittelt wurden, spricht einiges für falsche Deckung.
Ähnlich liegt der Fall im unternehmerischen Bereich, wenn Bilanz mit Anlagen- und Abschreibungsverzeichnissen vom Versicherungsmakler nicht geprüft wurden – eingeschlossen die Richtigkeit der Ansätze des steuerlichen Beraters. Ein gewissenhafter Makler müsste die Arbeits-, Qualitäts-, Produkt- und Lieferantenprozesse ergänzend untersuchen. Anderenfalls werden Verschließteile unnötigerweise als Maschinen versichert, oder umgekehrt wesentliche Risiken schlicht übersehen. Ohne Kenntnis der Organisation des Versicherungskunden, und ohne Besichtigung des Risikos vor Ort, ist fehlerhafter Versicherungsschutz vorprogrammiert als Regel.
Manchmal genügt ein Blick in die Versicherungsordner im Hause von Mittelständlern, um zu erkennen, dass der Versicherungsmakler vorsichtshalber alle Post vom Versicherer, also Policen, Sonderbedingungen, Auflagen zur Maschinen- und Gerätesicherheit erst mal vorsorglich über viele Jahre bei sich behalten hat. Der Kunde erfährt dann im Schadensfall, was er hätte beachten müssen, und in der Folge ist der Betrieb vielfach in Existenzgefahr – der Makler selbst für derartige Fälle gar nicht erst ausreichend versichert, also insolvent.
Die Chancen, den Versicherungsmakler, der eine Pflichtversicherung für Vermögenschäden besitzen muss, in Regress zu nehmen sind für den Mittelstand vor allem auch deshalb so gut, weil die Versicherungsmakler vielfach gerne versuchen durch irgendwelche unwirksamen aber kostenlos erhältlichen Maklervertragsklauseln aus der Haftung heraus zu kommen. Das fehlende eigene Vertrags- und Risikomanagement beim Makler zeigt dann später seine absehbaren Folgen, und ist dann heute bereits der beste Beweis für das fehlende Verständnis im Umgang mit Risiken.
Großrisiko durch Versicherungsmakler für Mittelstand, Industrie und Gewerbe?
Betrachtet der Mittelstand die Häufigkeit der Schadensfälle bei Versicherungsmaklern, so ergeben sich daraus folgende Optionen: Die Geschäftsleitung lässt regelmäßig und zumindest stichprobenweise die konforme Abbildung der Risiken in den Versicherungsverträgen durch einen nicht von Provisionen abhängigen Berater überprüfen. Alternativ kann man ja auch unternehmerisch so viel Eigenkapital selbst ein- und ansammeln, dass man einen Versicherungsfall und spätere Regressprozesse spielend bewältigen kann – oder sogar auf Versicherungsschutz komplett verzichten.
Vielfach hat der Versicherungsmakler permanente Schmerzen – einerseits soll er seine Kunden beraten, andererseits bekommt er die Vergütung vom Versicherungsunternehmen, die aber oft in keiner Relation zu eigentlich erforderlichem Beratungsaufwand und Haftungsrisiko steht. Der Makler muss aktiv auf den Kunden zugehen, um sich über das zu versichernde Risiko zu informieren, und auf Grundlage dieser Erkundigungspflicht eine fachliche Analyse des Risikos vornehmen.
von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm
mit freundlicher Genehmigung von
http://www.experten.de (Ausgabe 09/2013)
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Über den Autor

PhD, MBA, MM
Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilienwirtschaft, Finanzrecht sowie Steuer- und Versicherungsrecht. Die zahlreichen Stationen seines beruflichen Werdegangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganzheitlich beratend und im Streitfall juristisch tätig zu werden.
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