Kann das „Neue Sozialpartnermodell Betriebsrente“ zunehmende Altersarmut verhindern?

– Welche Nachteile auch die neue betriebliche Altersversorgung (bAV) nicht beseitigt –

 

Sowohl das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BAMS) als auch das Bundesministerium für Finanzen (BMF) interessieren sich aktuell für eine Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (bAV). Einerseits geht es um das Konzept eines „neuen“ Durchführungswegs über die Tarifvertragsparteien als Träger der bAV („Nahles-Rente“).
Andererseits geht es in der Diskussion um Optimierung der Förderung über das Steuer- und Sozialversicherungsrecht, sowie etwa eine Zuschusspflicht des Arbeitgebers.
Dieser Zuschuss soll dem Betrag entsprechen, den sich Arbeitgeber bisher schon ganz sicher an Sozialversicherung einsparten, und künftig abliefern müssten.

 

Kein neuer Durchführungsweg der bAV

 

Konzeptionell handelt es sich um alten Wein in neuen Schläuchen: „Tarifvertrag, reine Beitragszusage des Arbeitgebers, Mindestleistungszusage eines sozialpartnerschaftlich gesteuerten alleinhaftenden Versorgungsträgers, kollektive Sicherung bei Ausfall des Versorgungsträgers. Das ist kein neuer Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung,
sondern eine Variante der Beitragszusage mit Mindestleistung, mit der Besonderheit, dass nur die Beitragszusagen vom Arbeitgeber abgegeben werden.“ (Hanau/Arteaga: Rechtsgutachten zu dem „Sozialpartnermodell Betriebsrente“).

 

Sichere Enthaftung der Arbeitgeber durch reine Beitragszusage

 

Bei der Nahles-Rente soll der Arbeitgeber nur noch wie eine Zahlstelle operieren, und nicht mehr wie bisher für seine arbeitsrechtlichen Zusagen rechtlich und wirtschaftlich einstehen müssen. Die eigentliche Rentenzusage erteilt dann alleinhaftend der Träger der bAV, eine neue Pensionskasse oder ein neuer Pensionsfonds unter dem Einfluss der Tarifvertragsparteien:
Ergänzt werden soll dies um eine Garantie(-Leistungszusage) des neuen bAV-Trägers (Beitragszusage mit Mindestleistung), und die Aussicht dass diese bAV-Träger auch insolvent
werden können.   Gerät diese Einrichtung der Tarifvertragsparteien in eine Schieflage, soll die gegebene Garantie wiederum über den Pensionssicherungsverein (PSVaG) oder eine Auffanggesellschaft („Protector“) für marode Lebensversicherer „geschützt“ werden. Wenn Protector oder PSVaG auf den Plan traten, bedeutete dies bisher regelmäßig eine sichere Rentenminderung im Vergleich zur arbeitsvertraglichen Zusage.   Im Grunde kann sich der Gesetzgeber die „Garantie“ der bAV-Einrichtung der Tarifvertragspartien gleich ersparen, und wie bei jedem berufsständischen Versorgungswerk und jeder Lebensversicherungsgesellschaft eine Möglichkeit zur Leistungsherabsetzung vorsehen, wenn die Kapitalanlagen sich nicht so entwickelt haben, wie erwartet oder versprochen. Damit wäre ein teures Konkursverfahren stets sicher vermeidbar.
Auch die Verwaltungskosten einer Abwicklung über die Auffanggesellschaft Protector oder den PSVaG kann man sich dann von vorne herein ersparen. Die Zeche etwaiger Leistungskürzungen zahlen am Ende dann sowieso die Arbeitnehmer – und nicht mehr der Arbeitgeber aufgrund seiner bisherigen Einstandspflicht gemäß vormals erteilter arbeitsvertraglicher Zusage einer Betriebsrente. Zudem würden damit auch die Beiträge an den PSVaG zur Konkurssicherung als Verwaltungskosten eingespart werden.

 

Gegenwärtige Arbeitgeberhaftung für bAV-Zusagen

 

Bisher bedient sich der Arbeitgeber meist externer Versorgungsträger (Pensionskasse, Direktversicherung, Pensionsfonds, Unterstützungskasse), zur Erfüllung seiner
arbeitsvertraglichen Zusage einen Teil von Lohn und Gehalt erst im Rentenalter zu bezahlen. Beispielsweise im Falle der Beitragszusage mit Mindestleistung (die Summe
der einbezahlten Beiträge, abzüglich der Kosten für das biometrische Risiko müssen bei Rentenbeginn für die Rentenzahlung vorhanden sein) trifft den Arbeitgeber die „subsidiäre Arbeitgeberhaftung“, § 1 I 3 Betriebsrentengesetz (BetrAVG).

Die Tatsache, dass für eine gleichhohe Altersrente bei Kapitaldeckung durch den Niedrigzins heute eine vielfach höhere Sparleistung (Konsumverzicht des Arbeitnehmers)
erforderlich ist, betrifft nicht nur die Privatrente von Arbeitnehmern, sondern auch den Inhalt der arbeitsvertraglichen Zusage von Arbeitgebern. Die Aussicht, bis zu mehr
als die gleiche Leistung (des Arbeitnehmers, als „Lohnverzicht“ zur Entgeltumwandlung) abermals als Arbeitgeber aufbringen zu müssen, weil die gegenwärtige Zusage weit über
das hinaus geht, was tatsächlich mit „Nullzins minus Abschluss- und laufenden Verwaltungskosten“ erwirtschaftet wird, ist für Arbeitgeber kaum erfreulich. Ein Ausweg ist
die zeitnahe Arbeitgeber-Enthaftung, durch Abfindung der bAV-Zusage.

 

Überführung bestehender bAV in das „Sozialpartnermodell“

 

Versicherungslösungen müssen verkauft werden – wenn es jedoch im neuen Modell der Sozialpartner keinen provisionsgetriebenen Vertrieb gibt, könnten die künftigen Nahles-Verträge
schwer wie Blei im Regal liegen bleiben. Einige Ausnahmen könnten dort anzutreffen sein, wo Betriebsräte dazu raten oder Tarifvertragsparteien vereinbaren, durch die Überführung bereits angesparten Vermögens bei bisherigen bAV-Trägern, die Verwaltungskosten für die Zukunft zu senken. Die Arbeitgeberhaftung als Einstandspflicht dürfte damit nicht beseitigt werden.

 

Gegenwärtige finanzielle Nachteile durch bAV

 

Beiträge für die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) sowie die Pflegeversicherung (PVdR) müssen bei bAV-Bezug vom begünstigten Rentner allein aufgebracht werden.
Nicht nur wenn die bAV mittelbar, also über externe Versorgungsträger durchgeführt wird, hat der Arbeitgeber einzustehen, wenn die Leistungen des bAV-Trägers (z.B. durch negativen Kapitalmarktzins) hinter der arbeitsvertraglichen Zusage zurück bleiben. Leistungskürzungen können auch daher rühren, dass ein externer bAV-Träger durch die Auffanggesellschaft Protector abgewickelt wird, oder es (ebenfalls ohne Schutz durch den PSVaG) zu einem Totalausfall bei einer Unterstützungskasse kommt Über Herabsetzungen von Leistungen bei Pensionsfonds und Pensionskassen ist nahezu jeden Monat in der Fachpresse zu lesen.
Erste Pensionskassen stellen das Neugeschäft ein und gehen in die Abwicklung, weil das Modell angesichts Niedrigzinsen für sie nicht mehr tragfähig ist.
Für Arbeitnehmer ist dies ein Wink, sich im Rentenalter auch noch mit einer Regresshaftung wegen Einstandspflicht des Arbeitgebers befassen zu müssen – oder sich mit einem Bruchteil der versprochenen bAV-Rente zu begnügen.   Betriebsrentner müssen überdies zunehmend Einkommensteuer auf Alters- und bAV-Renten bezahlen. Selbst wer als Arbeitnehmer (wegen Erreichen der Beitragsbemessungsgrenze) keine GKV-Beiträge durch bAV eingespart hatte, darf häufig auf die bAV-Rentenzahlungen gleichwohl noch GKV-Beiträge bezahlen.
Der Verzicht auf bAV, oder die zeitnahe Abfindung hätte diesen finanziellen Nachteil verhindert oder zumindest stark abgemildert. Hinzu kommt, dass Riester- und bAV-Renten auf die Grundsicherung angerechnet werden, die Sparleistung durch Konsumverzicht am Ende dann nur zu Einkommensverlust in der Gegenwart führt – aber nicht zu einer Zusatzrente im Alter. Selbst Durchschnittsverdiener entscheiden sich nicht selten gegen solche Ersparnisbildung, nach dem Motto „Lebe heute, spare vielleicht später“.

 

bAV-Totalverlust bei privater Insolvenz und Zwangsvollstreckung

 

Der Gesetzgeber hat ein Abfindungsverbot bei der bAV im Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus dem Betrieb vorgesehen, § 3 BetrAVG. Durch Aktuare gut beratene Arbeitgeber tendieren zur Abfindung der bAV-Zusage für noch Beschäftigte, um sich bereits heute komplett zu enthaften – auch für viele Rentner ist dies noch möglich.
Zudem winken hier oft erhebliche Zuschläge bei den Leistungen der Versicherer nach wirksamem Widerruf, wegen Fehlberatung, sowie durch Einsparmöglichkeiten bei der Sozialversicherung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer – und auch steuerlich ist eine günstigere Gestaltung möglich. Ein Recht des Arbeitnehmers bei privaten Schulden oder in der Insolvenz, sich zur Entschuldung die bAV-Ersparnisse sofort abfinden und auszahlen zu lassen, hat der Gesetzgeber bisher nicht vorgesehen.
Dies treibt die Zinsbelastung bei Schulden von Mitarbeitern unnötig und unwirtschaftlich in die Höhe. Die Anfechtung der bAV wegen Falschberatung kann dann zielführend sein.
So entschied der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 11.11.2010, Az. VII BZ 87/09), dass bei einer Firmendirektversicherung der künftige Auszahlungsanspruch vor Eintritt des Versicherungsfalles pfändbar ist. Einzelne Arbeitsrichter halten den Arbeitgeber jedoch bereits für verpflichtet, aus Rücksichtnahme einer sofortigen Auflösung von bAV-Vermögen der Mitarbeiter zuzustimmen. Damit lassen sich Schulden zeitnah begleichen, und es laufen sodann auch keine weiteren Zinsen auf.
Immerhin kann der Insolvenzverwalter des Arbeitnehmers (soweit die bAV nur vom Arbeitgeber finanziert wurde) den Rückkaufswert nach Kündigung nicht zur Masse ziehen und an die Gläubiger verteilen (BGH, Beschluss vom 05.12.2013, Az. IX ZR 165/13) Soweit es sich um keine Lohnverschleierung handelt, sind auch vom Arbeitgeber finanzierte (keine Entgeltumwandlung) Beiträge für den Träger der bAV beim Arbeitnehmer pfändungsfrei, § 850 h II ZPO. Je nach Familienverhältnissen und Arbeitsvertragsgestaltung kann Arbeitseinkommen legal i.H.v. tausender Euro pfändungsfrei sein – nicht lediglich der Betrag gemäß Pfändungstabelle.

 

Altersversorgung durch Umlageverfahren oder über Kapitaldeckung?

 

Zahlreiche große Anbieter für Altersversorgungen setzen auf den Kapitalmarkt – auch in der bAV. Der risikolose Zins, etwa deutscher Staatsanleihen, ist bereits negativ geworden.
Wird diese Ersparnisbildung auch noch mit Abschlusskosten einschließlich Provisionen sowie laufende Verwaltungskosten belastet, vermindert sich das angesparte Vermögen entsprechend – Jahr für Jahr. Soll dies keine Milchmädchenrechnung sein, wird man die reale Kaufkraftentwicklung, also reale Inflation oder individuelle Deflation berücksichtigen müssen, entsprechend dem persönlichen Warenkorb – nicht etwa der Phantasie des statistischen Bundesamtes. Ohne versicherungsmathematischen Sachverstand wird die freiwillige Optimierung kaum gelingen.
Hätten Lebensversicherer genug Eigenkapital, so wären sie auch in der Lage, sowohl Garantien zu bieten, wie auch am Kapitalmarkt höhere Renditen durch Investition in volatilere Anlagen wie Aktien zu erzielen. So aber sind sie gezwungen, großteils in niedrigverzinslichen sicheren Zinspapieren anzulegen. Der Mangel an Eigenkapital hat System – dadurch können nach Steuern Gewinne von bis zu mehr als 30 % auf das Eigenkapital erzielt werden. Würde das Eigenkapital auf das Doppelte erhöht, um verstärkt in Aktien investieren zu können, würde dies hauptsächlich bei den Versicherten sich positiv auswirken – die Aktionäre hingegen müssten sich bezogen auf das erhöhte Eigenkapital die Gewinne teilen, sich also mit etwa dem halben Gewinn je Aktie  abfinden. Es besteht also gar kein Anreiz, das Eigenkapital zu erhöhen.

 

Alternative: Rente direkt beim Investor oder der Kommune

 

Immobilien- und Infrastrukturinvestoren sowie einige Kommunen im Rahmen von Private Partnership Projekten setzen bereits auf die Finanzierung durch den direkten Verkauf von Leibrenten.
Obwohl diese Leibrenten mit denen der besten Lebensversicherungen mithalten können und sogar höhere Garantien bieten als mit unverbindlichen Überschüssen diese in Aussicht stellen, ist dies für Kommunen und Investoren eine besonders günstige und langfristig sichere  Finanzierungsform.
Die Kosten unrentabler Mittelsleute wie Versicherungen und Banken als Kapitalsammelstellen sind auf dies Weise ausgeschaltet, wovon sowohl der Rentner wie der Investor profitieren. Um Renten zu verkaufen, braucht ein Investor oder eine Kommune kein zusätzliches  Eigenkapital, schon gar nicht gemäß den Ansprüchen von Solvency II. Zudem muss er Männerrenten nicht wie Versicherer gleich niedrig mit den Frauenrenten kalkulieren, denn das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gilt hier nur für Versicherer. Einige wenige Berater haben sich auf diese Möglichkeiten spezialisiert.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

 

www.pt-magazin.de (veröffentlicht am 18.11.2016)

Link: http://www.pt-magazin.de/de/wirtschaft/finanzen/kann-das-%E2%80%9Eneue-sozialpartnermodell-betriebsrente%E2%80%9C-_ivm5tff0.html

 

und

Verlag C.H.BECK oHG

Redaktion “BC – Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling”

veröffentlicht in BC 12/2016

Link: http://rsw.beck.de/cms/main?docid=382512

 

und

http://www.komet-pirmasens.de/

veröffentlicht in “Der Koment, Fachzeitung für Schausteller und Marktkaufleute” 10.11.2016 (Ausgabe 5552, Seite 4-5)

 

und

http://www.neopresse.com (veröffentlicht am 25.11.2016)

Link: http://www.neopresse.com/wirtschaft/kann-das-neue-sozialpartnermodell-betriebsrente-zunehmende-altersarmut-verhindern

 

und

www.procontra-online.de (veröffentlicht am 31.10.2016 unter der Überschrift: Kann bAV-Reform zunehmende Altersarmut verhindern?)

Link: http://www.procontra-online.de/artikel/date/2016/10/kann-bav-reform-zunehmende-altersarmut-verhindern/

http://www.procontra-online.de/artikel/date/2016/10/kann-bav-reform-zunehmende-altersarmut-verhindern/?tx_news_pi1%5BcurrentPage%5D=1&cHash=bb63b090611463e41e88a8d5d981cb46

http://www.procontra-online.de/artikel/date/2016/10/kann-bav-reform-zunehmende-altersarmut-verhindern/?tx_news_pi1%5BcurrentPage%5D=2&cHash=2da133b1eac3802597352c57284070d5

http://www.procontra-online.de/artikel/date/2016/10/kann-bav-reform-zunehmende-altersarmut-verhindern/?tx_news_pi1%5BcurrentPage%5D=3&cHash=60e02858c2e91d42c7ac536309a96a20

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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