Korruptionsvorwürfe im Versicherungsvertrieb betrieblicher Altersversorgung

Korruptionsvorwürfe im Versicherungsvertrieb betrieblicher Altersversorgung

 

Die jüngsten staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen den Versicherungsvertrieb im Zusammenhang mit der bAV-IVECO-Affäre wiegen schwer: Ein Versicherungsvermittler konnte aus üppigen Provisionen in vermutlich Millionenhöhe einen geständigen Betriebsrat sechsstellig bestechen. Die Versicherungswirtschaft bestreitet jede Mitwirkung – aber mit einer wirksamen Distanzierung von dem betroffenen Versicherungsvermittler tut man sich offenbar schwer?

 

Pflicht zum Risikomanagement nach § 91 II AktG

Die Hauptversammlung hatte einem Vorstand die Entlastung versagt – zurecht, wie das LG München I durch Urteil vom 05.04.2007 (Az. 5 HK O 15964/06) entschieden hat: Das betroffene Unternehmen hatte kein funktionierendes Risikomanagement-System, es fehlte eine nachvollziehbare schriftliche Dokumentation und damit konnte auch keine Funktions- und Systemprüfung durch Wirtschaftsprüfer und Auditor erfolgen.

 

Entzug der Zulassung des Vertriebsvorstandes – BaFin-Antrag genügt

Das Gesetz zwingt bereits ab einer mittelgroßen GmbH die Geschäftsleitung der Bestandssicherungsverantwortung zu entsprechen. Bei Verstößen droht nicht nur ein Schadensersatz von Seiten der Aktionäre und Gesellschafter, § 92 AktG. Dabei wird regelmäßig auch keine D&O-Versicherung eingreifen, denn selbst bei bedingt vorsätzlichem Verhalten wird hier keine Deckung geboten. Vielmehr riskiert der Vertriebsvorstand aufgrund eines Entzuges der Zulassung durch die BaFin neben der Haftung mit dem Privatvermögen auch den Verlust der Alterspension vom Versicherer als Arbeitgeber.

 

Risikomanagement im Versicherungsvertrieb: Melde- und überwachungspflichten

Versicherungsgesellschaften müssen nicht nur die Zuverlässigkeit ihrer Vermittler überwachen, sondern Unregelmäßigkeiten und Beschwerden der Aufsicht melden, §§ 80 ff. VAG: Einige Vorstände agieren seit dem 22.05.2007 zuwider der EU-Vermittlerrichtlinie, indem Sie selbst nebenbei als Geschäftsführer eines Vermittlerbüros fungieren, oder aber bei den eigenen Vermittlern eine Doppelfunktion als Makler und Agent billigen lassen. Die BaFin hat durch Rundschreiben 9/2007 die Versicherer an ihre Pflicht zum Risikomanagement im Vertrieb erinnert, also die Pflicht über geeignete Kontrollinstrumente zu verfügen, die eine frühzeitige Risikoerkennung ermöglichen: Denn die Zusammenarbeit mit Vermittlern ist mit nicht unerheblichen Risiken für die Versicherungsunternehmen verbunden. Doch wie bitte lässt sich dann erklären, dass Versicherungsunternehmen eine eigene direkte „Mitwirkung bei Korruption in der bAV-Versicherungsvermittlung“ nur bestreiten, anstatt diese frühzeitig zu erkennen, vorzubeugen, und sich aktiv zu distanzieren?

 

Provisionssystem fördert Bestechung

Die gewaltigen Provisions- bzw. Courtagesummen, die Versicherer in der bAV ausloben, sind für Vertriebe eine lukrative Einnahmequelle, da die Beratung der einzelnen Arbeitnehmer sehr rationell erfolgen kann. Es gilt dafür nur, zunächst einmal den Arbeitgeber zu gewinnen, der seine Arbeitnehmer versichern soll. Bei der Entgeltumwandlung kostet dies den Arbeitgeber nichts, aber er – bzw. der Betriebsrat oder der Leiter Personal – weiß natürlich um die hohen Provisionssummen.

Da wäre es blauäugig, wenn man als Versicherer nicht mit entsprechender Weitergabe von Teilen der Provision an Verantwortliche im Betrieb rechnen würde. Schließlich gehen die Versicherer mit der Kostentransparenz ab 01.07.2008 auch davon aus, dass die Kunden an der nun offengelegten Provision beteiligt werden wollen. Damit können dann auch Verträge vermittelt werden, sie aufgrund ihrer hohen eingerechneten Abschlusskosten sonst eigentlich gar nicht in Frage kämen. Hilfreich dabei ist, dass dem Arbeitnehmer gegenüber die Abschlusskosten nicht offengelegt werden müssen. Schließlich ist er nicht Versicherungsnehmer und der Vorgang seiner „Überredung“ auch keine Versicherungsvermittlung.

 

Falsche Versprechen im Versicherungsvertrieb gefährden den Versicherer

Wenn ungeeignete Versicherungsverträge für die betriebliche Altersversorgung den Arbeitnehmern und Arbeitgebern angepriesen werden, kann später der Vorwurf einer Werbung mit nicht existierenden Gewinnchancen erhoben werden. Dies liegt dann nicht nur an einer Zillmerung, sondern betrifft auch solche bAV-Tarife, bei denen der Mitarbeiter anstatt der versprochenen Zusatz-Altersversorgung keinen oder kaum einen „Wert“ erhält.

Geschädigt sind dabei auch Arbeitgeber, die für entsprechende Differenzen in der Haftung stehen. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt zur vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, § 826 BGB (LG Tübingen, 08.07.1998, Az. 7 O 1996/97). Bei der bAV-Korruption spricht der Anschein bereits dafür, dass für die Altersversorgung ungeeignete Tarife ausgewählt wurden. Der Bundesgerichtshof nimmt daher die Vermittler – selbst wenn sie etwa über eine GmbH auftreten – zunehmend persönlich in die Haftung. Daneben kommt bei Renditetäuschungen durch Agenten auch eine Haftung des Produktgebers für Verrichtungsgehilfen in Frage, § 823 BGB (OLG Köln, Urteil vom 05.04.2005, Az. 15 U 153/04).

Aber auch Vertriebsvorstände und ihre Schulungsleiter können hier ganz leicht in die persönliche Haftung als „Gehilfen“ kommen, § 830 BGB. Dies setzt weder eine kommunikative Verständigung mit dem Berater/Vermittler über einen Tatplan noch eine Mitwirkung bei Tatausführung der falschen Beratung voraus. Auch eine Mitverursachung des Taterfolges ist nicht erforderlich – jede bewusste Förderung der sittenwidrigen Schädigung ist vielmehr bereits ausreichend (BGH Urteil vom 26.10.2004, Az. XI ZR 279/03).

 

Verwaltungsgericht Frankfurt: Versicherungs-Vorstands-Abberufung ist keine Fiktion

Das VG Frankfurt/Main hat durch Urteil vom 08.07.2004 (Az. 1 E 7363/03) die BaFin-Entscheidung über den Zulassungsentzug eines Versicherungsvorstandes wegen Ungeeignetheit bestätigt, § 87 VAG. Die BaFin verlangte vom Aufsichtsrat die Abberufung des Vorstands: Auch hier fehlte es an einem Risikofrüherkennungs- und überwachungssystem!

 

Praxisfall zur typischen bAVArbeitgeber- Haftung:

Ein Arbeitgeber hatte seinen Mitarbeitern empfohlen, eine Direktversicherung (Rentenversicherung) mit Gehaltsumwandlung abzuschließen, um die Altersversorgung zu verbessern, so das Hauptargument. Der Arbeitgeber veranlasste die Beratung über eine Maklergesellschaft. Im Nachgang zu den Beratungsgesprächen stellte sich folgender Sachverhalt heraus:

1.) Die Mitarbeiter wurden nicht darüber aufgeklärt, dass Hintergrund der betrieblichen Altersversorgung die Versorgung der versicherten Person und nicht die Versorgung der Hinterbliebenen ist.

2.) Es wurde nicht darauf hingewiesen, dass eine volle Vererbbarkeit der Leistungen aus dem Versicherungsvertrag nicht gegeben ist, sondern im Falle, dass die versicherte Person vor Rentenbeginn oder während der Dauer der Rentengarantiezeit sterben sollte, nur die versorgungsberechtigten Hinterbliebenen entsprechend der vertraglichen Vereinbarungen des Versicherungsvertrags die Leistungen aus der Hinterbliebenenversorgung erhalten können. Hierzu zählen der Ehegatte und versorgungsberechtigte Kinder (bis max. 27 Jahre).

3.) Es wurde nicht darauf verwiesen, dass bei der bAV im Prinzip dieselben Voraussetzungen für die Hinterbliebenenversorgung gelten wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung für die Witwen und Waisenrente. Für den Fall, dass der versorgungsberechtigte Mitarbeiter vor seiner Frau und vor Rentenbeginn oder vor Ende der Rentengarantiezeit sterben würde, so würden die über 27 jährigen Kinder, unabhängig vom Betrag der in diesen Vertrag einbezahlt wurde, nur ein Sterbegeld von derzeit max. ca. 8.000 Euro erhalten, da sie nicht mehr zu den versorgungsberechtigten Hinterbliebenen zählen. Originalton eines Versicherers: „Die Differenz fließt der Versichertengemeinschaft zu.“ – Wie schön für die Kinder!

4.) Ferner wurde nicht darauf hingewiesen, dass aufgrund der Sozialversicherungsfreiheit und Steuerfreiheit für die verwendeten Beiträge dieser Gehaltsanteil nicht bei der gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung (dadurch reduzieren sich die Anwartschaften in der GRV und der Arbeitslosenversicherung) berücksichtigt wird und der bAV-Rentenbezug zu versteuern und sozialversicherungspflichtig ist. So zahlt der Arbeitnehmer die vorgelagerte Förderung über Belastung der bAV-Rente mit Steuern und Sozialabgaben sowie verminderte Sozialrenten oft in einer solchen Höhe zurück, dass sogar eine nur mit dem Ertragsanteil besteuerte aus dem versteuerten Nettoeinkommen finanzierte Privatrente ihm mehr eingebracht hätte.

5.) Auch auf den Umstand, dass sich bei längerer Krankheit das Krankengeld nach dem um die Gehaltsumwandlung verminderten Betrag bemisst, wurde nicht hingewiesen.

6.) Und auch auf den Umstand, dass das maßgebliche Einkommen durch die Entgeltumwandlung sinkt und der Arbeitnehmer länger unterhalb der Pflichtversicherungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung verbleibt, wurde ebenfalls nicht hingewiesen – Folge ist die Zahlungspflicht für Höchstbeiträge in der GKV bei langjähriger Unmöglichkeit, früher in die deutlich preiswertere PKV zu wechseln.

Den meisten Arbeitgebern ist nicht klar, dass sie bei den Beratungen ihrer Mitarbeiter zur betrieblichen Altersversorgung beim Beratungsgespräch mit dem Vermittler oder Versicherer mit am Tisch zu sitzen haben. Denn auch wenn die Leistungen aus einem derartigen Versicherungsvertrag an den Arbeitnehmer „abgetreten“ sind, lässt sich aus der Versicherungsnehmereigenschaft des Arbeitgebers eine besondere Sorgfaltspflicht hinsichtlich von Vertragsbedingungen, Prämien, Tarife und Courtagen ableiten. Die wenigsten Arbeitgeber denken bei einer rahmenvertraglichen Vereinbarung mit Vermittlern oder Versicherern daran, sich ausdrücklich von der Haftung gegenüber ihren Mitarbeitern freistellen zu lassen. Es wird ihnen jedoch – als bloße unverbindliche Meinung – nicht selten vom Vertrieb suggeriert, dass sie bei Beratung der Arbeitnehmer durch diesen nicht haften.

von Dr. Johannes Fiala, Dieter Olejar und Dipl.-Mathematiker Peter A. Schramm

Mit freundlicher Genehmigung von

www.udp-verlag.de (veröffentlicht in KFO-Zeitung, Augabe 7/2008, Seite 12)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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