Vorher an später denken

Die Haftung der Agenten „in freier Mitarbeit“ und angestellter Versicherungsagenten
Dr. Johannes Fiala, München, und Peter A. Schramm, Frankfurt am Main
Hat das Versicherungsunternehmen die uneingeschränkte Haftung für einen Ausschließlichkeitsvertreter oder Mehrfachagenten übernommen, bedarf es keiner Erlaubnis für die Tätigkeit als Vermittler – die Registrierung durch den Versicherer ist mehr oder weniger eine Formalie. Verfügt ein Vermittler (Agent/Makler) über eine Erlaubnis, so benötigen beim Vermittler beschäftigte Personen – mit einer Beaufsichtigung durch den Vermittler – weder eine Erlaubnis noch eine Zulassung. Auch solche Beschäftigte dürfen Versicherungen vermitteln. Wie weit reicht nun die Haftung dieser Personengruppen ohne notwendige Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung gegenüber ihrem Auftraggeber bzw. Arbeitgeber?
Gemeinsamkeiten freier und angestellter Agenten
Der rechtliche Grundsatz (Erfüllungsgehilfenhaftung), jedoch oft die praktische Ausnahme ist dass das Versicherungsunternehmen für seine Agenten haftet, so wie ein Vermittlungsunternehmen für seine angestellten Versicherungsvermittler. Regelmäßig kommt es – meist zusätzlich – zur persönlichen Haftung des Erfüllungsgehilfen, und zwar beispielsweise wegen folgender Gründe: Ein Auftreten als Fachmann, Experte, Spezialist, bAV-Consultant usw. kann die Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens beim Kunden bedeuten. Auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse, welches über die bloße Provision hinausgeht, kann zur Eigenhaftung führen. Denkbar ist dies in Fällen der Honorarberatung bzw. wenn der Kunde zusätzliche Vergütungen neben der Provision entrichtet. Hinzu kommt das weitere Feld der unerlaubten Handlungen – also vor allem Betrugs- und Geldwäschedelikte. Ein Beispiel dafür können Kick-back-Vereinbarungen sein. Schließlich kann auch der Verstoß gegen Arbeitsanweisungen, Dienstvorschriften oder sonstige Vertragspflichten zur Eigenhaftung des Agenten führen. Unklare Mitarbeiterverträge, zumeist selbst zusammengesetzte Formularverträge bzw. kostenlose Muster, können eine Eigenhaftung begründen, ohne dass dies auf den ersten Blick erkennbar wird. In diesen Bereich gehören auch unklare Drucksachen, wie etwa eine Visitenkarte, die eine Eigenhaftung gleichsam als Scheinselbstständiger begründen kann.
Regressverzicht und Haftungsfreistellung beim freien Agenten
Dass der Versicherer in vielen Fällen für seinen Agenten gegenüber Dritten (Kunden) haftet, bedeutet jedoch noch nicht automatisch, dass der Agent nicht auch (gesamtschuldnerisch mit dem Versicherer) haftet oder von seinem Versicherer in Regress genommen wird. Der Agent kann sich von seinem Versicherer eine Erklärung geben lassen, wonach er von der Eigenhaftung gegenüber Dritten freigestellt und auf Regress ihm gegenüber verzichtet wird. Eine genaue Analyse solcher Vereinbarungen zeigt, dass oft erhebliche Lücken zulasten des Agenten verbleiben. Beispiele dafür sind: Einzelne Tätigkeiten sind nicht umfasst, wie etwa die Beratung von Arbeitnehmern im Rahmen der bAV-Versicherungsvermittlung. Einzelne Produkte bzw. Sparten sind nicht umfasst, wie beispielsweise die Honorarberatung in der bAV oder die Vermittlung von Zeitwertkontenmodellen. Betragsmäßige Limitierung der Haftungsübernahme – trotz denkbarer weit höherer Schäden im Falle eines Fehlers des Agenten bzw. hoher Selbstbehalt des Agenten. Limitierung der Gesamtschäden eines Jahres – trotz denkbaren Falles, dass der Agent im Massengeschäft Versicherung systematisch immer den gleichen Fehler gemacht hat. Begrenzung auf Fälle leichter Fahrlässigkeit oder teilweise fehlender Einschluss von Mitarbeitern. Derartige Lücken gilt es dann zu schließen – am besten aufgrund einer schriftlichen Expertise bzw. Begutachtung durch Aktuar, Anwalt oder Spezialmakler. Wie hoch ist denn beispielsweise der Schaden des Kunden, wenn eine Millionenerbschaft statt in einer Lebensversicherung mit vertraglich fünf Jahren Beitragszahlungsdauer in einer erst nach fünf Jahren beitragsfrei gestellten angelegt wird?
Regresssituation beim angestellten Agenten (auch: Agent des Maklers)
Eines Tages kommt es zu einem ersten Schadensfall durch den angestellten Agenten – Am Ende zahlt die Vermögensschaden-Haftpflicht (VSH). Der Versicherer belastet den Chef mit „Selbstbehalt und Gebühreneinwurf“. Der Gebühreneinwurf steht beim Vermittler (also auf der Chef-Ebene) für die verdiente Courtage bzw. Provision. Der Gebühreneinwurf lässt sich gegen einen Zuschlag beim VSH-Versicherer ausschließen – das hat der Chef in der Hand. Nun wird der angestellte Agent in Regress genommen: „Selbstbehalt und Gebühreneinwurf“ soll er übernehmen, denn schließlich hat er ja auch den Schaden zu verantworten. Die Fahrlässigkeit des Agenten hat ja auch die VSH zur Regulierung bewegt. Der Agent denkt sich, dass er doch mitversichert ist. Aber soweit die Mitversicherung nicht besteht, gibt es keinen Ersatz. Mancher angestellte Agent ist gar nicht versichert – im Schadensfall kann der Regress des Chefs zunächst zur Beendigung der Zusammenarbeit führen und später in die Insolvenz. Der Agent überlegt weiter, dass doch in § 7 AVB steht, dass die Versicherung nur bei Vorsatz einen Regress nimmt. Doch dies betrifft das Verhältnis des Agenten zum VSH-Versicherer, nicht zum eigenen Chef. In mancher Versicherungspolice ist der Regressverzicht abweichend geregelt – ein Grund mehr, sich zu informieren. Dem Agenten kommt die Idee, ob er sich nicht doch hätte besser selbst versichern sollen? Kaum tröstlich ist, dass solche Regressansprüche des Chefs zumeist gar nicht vom VSHSchutz in normalen Policen umfasst sind. Damit liegt es am Agenten, im wohlverstandenen eigenen Interesse auch mal das Deckungskonzept des Chefs zu hinterfragen. Der Agent prüft, ob der Chef nicht auf Haftung seiner Agenten verzichtet hat? Ein Blick in den eigenen Vertrag gibt dafür leider nichts her. Im Gegenteil – in der Regel kann der Chef auch noch die Betriebskosten einer Arbeitszeit zur Schadensregulierung dem Agenten belasten, wird ihm vom Anwalt erklärt – so sehen es die Richter. Dem Agenten hilft der Blick ins Internet: Vielleicht entfällt die Haftung wegen so genannter gefahrgeneigter Arbeit? Doch der Chef plädiert auf volle Haftung wegen eines groben Fehlers, der Agent weiß, dass die Frage der Schadensteilung strittig wird – ein langer Rechtsstreit könnte drohen und niemand weiß, wie am Ende die letzte Instanz entscheiden wird. Sicher erscheint dieser Weg nicht. Der Agent überlegt weiter, ob es nicht ein Fehler des Chefs war, zumindest in der Anleitung des Agenten oder der Art und Weise der Büroorganisation. Dies gerichtlich zu klären, kann Jahre dauern – wenn es nicht gut geht, kommen noch die Prozesskosten dazu. Der Agent überlegt, ob der Chef das Risiko nicht hätte anderweitig oder anders versichern müssen? Anderweitig ist keine gute Idee, denn die Versicherungsbedingungen sehen immer einen Selbstbehalt vor. Aber anders? Ja darüber kann man nachdenken – aber was ist dann mit der Mehrprämie und eventuellen Auflagen des Versicherers? Der Agent hatte sich um diese Fragen nicht gekümmert – nun treffen ihn die bis dahin unbekannten Rechtsfolgen. In unserem Fall bleibt der angestellte Agent auf seinem Schaden sitzen, das Risiko hat sich bereits verwirklicht. Aber was kann er tun – vorher? Zunächst einmal eine Haftungsvereinbarung treffen. Als Alternative das Versicherungskonzept des Chefs prüfen und ein eigenes auf die Beine stellen. Die Szenario-Technik hilft hier weiter, keine Lücke unbewusst offenzulassen. Der Weg zum Aktuar, Anwalt oder Spezialmakler kann hilfreich sein, denn „Nur der Esel berät sich selbst“ sagt der Volksmund.
Haftungsfreistellung beim Mehrfachagenten
Hat der Mehrfachagent von allen Versicherern eine Haftungsfreistellung mit Regressverzicht, so wird schon der betreffende Versicherer haften! Doch wer ist dies, wenn der Agent fehlerhaft von einem Versicherungsabschluss abgeraten hat und so gar kein Vertrag zustande gekommen ist? Oder komplizierter: Er ist Agent für zwei Lebensversicherer und einen Unfallversicherer und rät zu einer Unfallversicherung, obwohl eigentlich eine Berufsunfähigkeitsversicherung gebraucht würde? In der Praxis kann also die Haftungsfreistellung des Mehrfachagenten wenig wert sein.
Schutz des Kunden oder Schutz des Agenten?
Den Gesetzgeber interessiert vor allem der Verbraucherschutz. Der Kunde soll im Haftungsfall entschädigt werden. Seine Ansprüche sollen nicht ins Leere gehen, nur weil der Vermittler nicht zahlungsfähig ist. Die anschließende Zahlungsunfähigkeit des Agenten, nachdem der Kunde im Haftungsfall entschädigt wurde, interessiert den Gesetzgeber gar nicht. Risikovorsorge für diesen Fall ist Sache des Agenten selbst aus eigenem Interesse. Deckungskonzepte für die nach der Umsetzung der Versicherungsvermittlerrichtlinie erforderlichen VSH-Versicherungen oder Haftungsfreistellungen müssen sich daher zunächst einmal nur an diesen Anforderungen des Gesetzgebers im Kundeninteresse richten. Nachdem der Kunde entschädigt wurde, kann es diesen Konzepten grundsätzlich egal sein, wer letztlich intern dafür in Regress genommen wird. Es bleibt dem Agenten also nichts weiter übrig, als sich hier um seine eigenen Interessen zu kümmern. Gar nicht von den Deckungskonzepten im Hinblick auf die Umsetzung der Vermittlerrichtlinie gemeint sind die sogar häufigeren Fälle, wo durch die Tätigkeit des Agenten einem Dritten (dem Kunden) gar kein Schaden entstanden ist, aber sehr wohl dem Versicherer selbst. Beispiel: Der Vermittler vergisst, die mündlichen Antworten des Kunden auf die Gesundheitsfragen richtig einzutragen und der Versicherer kann aufgrund der Auge-und-Ohr- Rechtsprechung im Leistungsfall nicht von dem eigentlich unerwünschten Risiko zurücktreten. Der Kunde hat aufgrund des Vermittlerfehlers gar keinen Schaden, aber der Versicherer. Diese Konstellation fällt weder unter die üblichen Haftungsfreistellungsvereinbarungen noch unter die VSH-Angebote zur Erfüllung der Mindestanforderungen aufgrund der Vermittlerrichtlinie. Es greift auch in diesem Fall kein Regressverzicht, denn es handelt sich ja um gar keinen Regress, wenn der Versicherer den Agenten dafür haftbar macht, sondern um die Geltendmachung von direkten Haftungsansprüchen des Versicherers gegen den Agenten. Den Gesetzgeber interessiert dies im Hinblick auf Verbraucherschutz der Versichererkunden überhaupt nicht. Der Agent wird zwar insolvent, aber es wurde ja kein Verbraucher geschädigt. Gut beraten, wer an diesen Fall vorher gedacht hat.
Die Autoren: Dr. Johannes Fiala ist Rechtsanwalt (München), Mediator (Univ.), MBA Financial Services (Univ.Wales), MM (Univ.), geprüfter Finanzund Anlageberater (A.F.A.), EG-Experte (C.I.F.E.), Lehrbeauftragter für Bürgerliches und Versicherungsrecht (Univ. of Cooperative Education), Bankkaufmann (www.fiala.de); Peter A. Schramm ist Aktuar DAV (Diethardt), Diplom-Mathematiker (Univ.), Sachverständiger für Versicherungsmathematik, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de)
(Versicherungswirtschaft 23/2007, 1952)
Mit freundlicher Genehmigung vonhttp://www.vvw.de/>www.vvw.de.

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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