Insolvenzfestigkeit betrieblicher Altersversorgung Steuerberater haften für fehlerhafte Beratung

Zahlreiche Urteile deuten darauf hin, wie leicht der steuerliche Berater im Zusammenhang mit der Beratung zur betrieblichen Altersvorsorge (bAV) in Haftung geraten kann. Eines der Kernthemen bei der Beratung von Geschäftsleitern ist dabei die Insolvenzfestigkeit der Versorgung – nachgerade in diesem Punkt verbreitet der Versicherungsvertrieb zahlreiche juristische Unrichtigkeiten. Daher sollen typische Haftungsfallen und ihre Vermeidung beispielhaft aus der Praxis vorgestellt werden.

 

1. Fehlerhafte Verpfändung – fehlerhaftes Bezugsrecht

In einem aktuell entschiedenen Fall1 verlor der Inhaber eines Autohauses seine Altersversorgungen in der Form einer Kapitallebensversicherung und einer privaten Rentenversicherung. Der Unternehmer hatte die Kapitallebensversicherung „durch Verpfändung an die Ehefrau“ gesichert – später stellte sich heraus, dass die Verpfändung unwirksam war.
Auch die Sicherung der Rentenversicherung durch Einräumung eines Bezugsrechts zu Gunsten der Ehefrau half nichts – der Insolvenzverwalter zog das komplette Vermögen ein.
Versicherungsvermittler operieren auch hierbei gerne mit „Muster- Formularen“, welche beim Versicherer bisweilen durch Betriebswirte ohne steuerliche oder rechtliche Ausbildung entstanden sind.

Gibt dann der steuerliche Berater diese „kostenlosen Muster ohne Wert“ an den Mandanten weiter, gerät er oftmals nichtsahnend in Haftung.
Im Zweifel wird er von der Rechtsprechung – genauso wie ein Wirtschaftsprüfer oder Anwalt – als Experte angesehen, haftet also als beruflicher Sachkenner.
Auf einem ganz anderen Blatt steht dann die Frage, ob ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vorliegt. Liegt ein derartiger Verstoß vor, wird die Berufshaftpflicht im Schadensfall keine Deckung bieten.

Der Bundesgerichtshof (BGH) spricht hier von der Pflicht zur Delegation – im Bereich des Versicherungsrechts etwa an einen Versicherungsberater, im Übrigen an einen Anwalt.
Typisch ist etwa, dass die Verpfändung einer Altersversorgung nicht oder nicht wirksam erfolgt ist – beispielsweise weil diese beim Versicherer nicht bekannt wurde, oder weil der Versicherer diesbezüglich keine Akten mehr vorliegen hat.
Auch beim Bezugsrecht kommen häufig fehlerhafte Formulierungen vor. Insbesondere sind hier zu nennen aufschiebende oder auflösende Bedingungen, wie beispielsweise die versteckte Widerruflichkeit.
Derartige Fehler stellen offene Flanken für Pfandgläubiger und Insolvenzverwalter dar.

 

2. Fehlerhafter Insolvenzantrag

Im entschiedenen Fall hatte der Insolvenzverwalter das Geld aus den Versicherungen dafür verwendet, die Gerichts- und Verfahrenskosten zu bezahlen. Zu einer (teilweisen) Entschuldung kam es daher gar nicht mehr. Der Unternehmer hatte das „Regelinsolvenzverfahren“ mit höheren Kosten für Insolvenztreuhänder und Gericht beantragt – bei alternativer Privatinsolvenz wären diese Kosten nicht entstanden.
Und der Rechtstreit mit dem Insolvenzverwalter um die beiden Verträge hatte schließlich ein Übriges zur Steigerung der Verfahrenskosten beigetragen. Deshalb wurde der anwaltliche Berater des Ex-Unternehmers für die Mehrkosten in Haftung genommen, und verurteilt.

 

3. Fehlerhafte Professoren-Gutachten

ähnliche Fallen erwarten den steuerlichen Berater, der seinen Auftrag nicht klar abgrenzt, wenn es um den Bereich der Altersteilzeit bzw. der Zeitwertkonten geht: Auch hier operieren Anbieter gerne mit „Rechtsgutachten“, die auf den ersten Blick einen Pfändungsschutz und eine Insolvenzsicherheit suggerieren sollen. Berüchtigt ist hier das „Gutachten“ eines Professors für Familienrecht, aus dessen „Zusammenfassung“ – ohne Unterschrift und Datum – sich kein konkreter Bezug zum Vertragskonzept des Versorgungsträgers ergibt.

Aber auch auf steuerlichem Felde kann ein Universitätsprofessor, der nebenbei eine bAV-Unternehmensberatung betreibt, seiner Zeit „voraus“ sein: In einer Fachzeitschrift verbreitet er die These, dass man eine defizitär ausfinanzierte Pensionszusage (PZ) „steuerneutral und ohne zusätzliche Liquidität“ in einen Pensionsfonds (PF) übertragen könne – die Diskrepanz zwischen PZ-Heubeck-Abzinsungsfaktor und PF-Rechnungszins “stört” ihn dabei nicht. Monate später grasen Versicherungsvermittler die ersten Steuerberater ab – ihnen geht es darum die vorhandene Liquidität in den eigenen PF „umzudecken“, ein Provisionsgeschäft.
Hier hilft nur die pflichtgemäße3 Einholung verbindlicher Auskünfte und nötigenfalls der Verweis an Berufsträger, die Arbeits-, Versicherungs- und Insolvenzrecht beraten dürfen.

 

4. Fehlerhafte bAV-Gutachten

Für den steuerlichen Berater folgt daraus, dass er seine Verantwortung gegebenenfalls nachhaltig delegieren sollte – also die Rechtsberatung außerhalb des Feldes steuerlicher Beratung und Vertretung ausdrücklich ausschließen. Bei bAV-Unternehmensberatern usw. muss deren berufliche Zulassung abgeprüft werden. Eine Bonitätsauskunft kann offenbaren, dass längst die eidesstattliche Versicherung abgegeben wurde.
Manche bAV-Unternehmensberatungs-GmbH erstellt PZ-Gutachten, einschließlich Steuer-, Arbeits- und Insolvenzrecht. Der Haken daran ist, dass Unternehmensberater sich nicht einmal selbst gegen rechtliche Fehler versichern können und ohne Rechtsberatungserlaubnis der GmbH arbeiten: Jüngst waren Hunderte von bAV-Zusagetexten mit unrichtig ausgewählten Textbausteinen – unter der fachlichen Leitung eines angeblichen bAV-Steuerberaters – durch eine Praktikantin in Umlauf gebracht worden waren.
Nur die Delegation der Verantwortung an geeignete Berufsträger kann hier enthaften. Jedoch sollte der steuerliche Berater dabei nicht vergessen, zumindest die steuerlichen Ergebnisse insbesondere vor Übernahme bei der Erstellung des Jahresabschlusses zu überprüfen, wenn er nicht in eigene Haftung geraten will.

 

5. Fehlerhafter Insolvenzschutz

Nachgerade geschäftsführende Gesellschafter werden vom Versicherungsvertrieb gerne mit der Aussage bedient, dass die betriebliche und private Altersversorgung pfändungsgeschützt und insolvenzsicher sei. Die „Lösungen von der Stange“ können jedoch nicht verhindern, dass die allermeisten Insolvenzverwalter das Vermögen einziehen, und die Betroffenen sich um Hartz IV oder Sozialhilfe bemühen müssen. Wenn Rechtsabteilungen der Produktanbieter bzw. der Träger betrieblicher und privater Altersversorgung die Rechtslage glaubhaft beschönigen, kann dies eine Falle für den steuerlichen Berater sein, wenn er sich deren Halbwahrheiten in der eigenen Mandantenberatung fahrlässig zueigen macht.

 

5.1. Beispiel Pensionszusage

Nach der Rechtsprechung des BGH5 kann der Insolvenzverwalter die Rückdeckungsversicherung einer Pensionszusage kündigen und einziehen. Mit dem Versicherungsvertrag verbundene Absicherungen (z.B. gegen Berufsunfähigkeit oder Unfall) gehen damit verloren. Nachdem die überwiegende Zahl der Insolvenzen zu spät angemeldet werden oder sich andere Gründe einer „Managerhaftung“ finden lassen, wird der Insolvenzverwalter dann aufrechnen, und das eingezogene Versicherungsvermögen zur Masse ziehen, um es unter den Gläubigern zu verteilen.

Dabei sollte nicht übersehen werden, dass insbesondere die Pensionszusage selbst ein Grund für die Überschuldung nach § 19 InsO sein kann, denn der Heubeck-Wert als Passivposten der Steuerbilanz wird wirtschaftlich regelmäßig mehr als verdoppelt werden müssen, um dann ein Eigenkapital auf der Aktivseite zu erkennen. Dieses Phänomen betrifft beispielsweise auch die rückgedeckte Unterstützungskasse.

 

5.2. Beispiel Rürup

Allenfalls im Rahmen des neuen § 850 c ZPO kann ein Selbstständiger eine relativ geringe Altersrente zunächst pfändungssicher aufbauen, so dass bei Insolvenz ergänzende Sozialhilfe in Frage kommen wird.
Der Ausschluss einer vertraglichen Kündigungsmöglichkeit belässt für Insolvenzverwalter und Pfandgläubiger die Optionen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage und der außerordentlichen Kündigung nach dem BGB – insbesondere im „Notfall“: Demgegenüber verbreiten die Anbieter einer Rürup-Versorgung die Mär von einem kompletten Pfändungs- und Insolvenzschutz. § 850 c ZPO steht auch nicht der Pfändung des Deckungskapitals samt Überschussbeteiligungen von Zusatzversicherungen (z. B. Berufsunfähigkeit, Unfall, Versorgung von Witwen und Waisen) entgegen.

 

5.3. Beispiel Lebensversicherungsmantel aus Liechtenstein

Dieses bereits als Abgeltungssteuer-Vermeidungsmodell häufig äußerst unsichere Konstrukt wird gerne von Banken und Vermittlern wegen seines „Konkursprivilegs“ empfohlen. Dabei wird oft übersehen, dass die Wahl ausländischen Rechts gesetzlich in Fällen einer „Vermittlung vom Fließband“ praktisch unwirksam ist. Damit gilt deutsches Versicherungsvertragsrecht – und dieses kennt leider kein Konkursprivileg.

 

6. Fazit

Massenhaften Rechtskonstrukte, vor allem aus der Feder von provisionsorientierten Versorgungsträgern und Produktanbietern tendieren zum Rechtsirrtum. Der steuerliche Berater sollte sich vom Mandanten schriftlich zur Handakte quittieren lassen, welche Beratung übernommen wurde und welche nicht. Vor allem die Tatsache, dass er den Klienten an externe Berater und auf die Einholung verbindlicher Auskünfte verwiesen hat, sollte sich der Berater bestätigen lassen.

 

von Dr. Johannes Fiala

 

Mit freundlicher Genehmigung von

www.haufe.de (veröffentlicht im SteuerConsultant 8/2008, Seite 36-37)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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